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Bayerns Haftbefehls-Debatte: Habecks Kritik im Faktencheck

Kriminalität

37.000 offene Haftbefehle in Bayern: Warum Habecks Zahl nichts mit Aschaffenburg zu tun hat

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    Vor dem Hintergrund der tödlichen Gewalttat in Aschaffenburg ist ein heftiger politischer Streit darüber entfacht, was sich sofort ändern muss.
    Vor dem Hintergrund der tödlichen Gewalttat in Aschaffenburg ist ein heftiger politischer Streit darüber entfacht, was sich sofort ändern muss. Foto: Sven Hoppe, dpa (Symbolbild)

    Müssen in der Asylpolitik die existierenden Regeln nur konsequent umgesetzt werden, um Gewalttaten wie zuletzt in Aschaffenburg zu verhindern? Nicht die aktuellen Asyl-Gesetze, „die Durchsetzung von geltendem Recht ist das Problem“, behauptet etwa Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck in einem aktuellen Video.

    Zur Untermauerung des Vorwurfs von Behördenversagen vor dem Aschaffenburger Messerattentat ausgerechnet im CSU-geprägten Freistaat, hat Habeck auch eine griffige Zahl parat: „In Bayern allein sind über 37.000 Haftbefehle nicht vollstreckt.“

    Kein vollziehbarer Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Täter von Aschaffenburg

    Worauf Habeck jedoch nicht hinweist: Gegen den mutmaßlichen Täter lag bis zum Tattag kein vollziehbarer Haftbefehl vor – und hätte angesichts der minderen Schwere der ihm zuvor vorgeworfenen Straftaten laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach geltendem Recht auch gar nicht vorliegen können: „Es gab für die Polizei keine Grundlage, den Täter zu verhaften“, betonte Herrmann.

    Auch die Tatsache, dass der Afghane seit 1. Januar 2025 keinen gültigen Aufenthaltsstatus in Deutschland mehr hatte, ändert laut Herrmann an dieser Aussage nichts: „Abschiebehaft war nach geltender Rechtslage nicht möglich“. Denn diese sei rechtlich nur „bei realistischer Abschiebeperspektive“ durchsetzbar – die im Fall von Afghanistan bei lediglich einem Abschiebeflug im Jahr 2024 schlicht nicht gegeben ist, kritisierte der Innenminister letzte Woche im Landtag.

    Innenministerium: Offene Haftbefehle kein Maßstab für Kritik an Strafverfolgung

    Doch auch unabhängig vom Aschaffenburger Fall sind laut Bayerns Innenministerium „offene Haftbefehle kein Maßstab für Rückschlüsse auf die Effektivität der Strafverfolgung“. Schließlich sei deren Zahl „ein täglich fließender Prozess“, heißt es in der Antwort des Ministeriums auf eine Landtagsanfrage der AfD: So wurden etwa 2023 rund 22.000 bestehende Haftbefehle in Bayern erledigt. In etwa die gleiche Anzahl kam jedoch neu hinzu.

    Das Ministerium verweist zudem auf „Vollstreckungshaftbefehle“ gegen ausgewiesene Straftäter: „Nicht die Ergreifung ist hier das Ziel, sondern die Verhinderung der Wiedereinreise“ – weshalb diese Haftbefehle oft über Jahre unvollstreckt in den Polizei-Systemen stehen bleiben. Zudem gebe es in Bayern häufig „Erzwingungshaftbefehle“, die mit der Androhung von Ersatzhaft säumige Zahler zur Begleichung offener Bußgelder bewegen sollen – und deshalb nicht vorrangig vollstreckt werden.

    Was Kapitalverbrechen betrifft, waren Anfang 2024 in Bayern laut Statistik zum Beispiel 447 Haftbefehle wegen Mord und Totschlag und 713 wegen Sexualstraftaten offen – oft, weil die Täter im Ausland untergetaucht oder dort in Haft waren. Für diese Haftbefehle gelte eine lange Verjährungsfrist entsprechend der jeweiligen Straftaten, erklärt das Ministerium. Deshalb komme es in der Statistik zu einem „Aufsummierungseffekt“.

    Dem von Habeck erweckten Eindruck, in Bayern blieben zehntausende Straftäter trotz Haftbefehl völlig unbehelligt, weist das Innenministerium deshalb entschieden zurück: „Aus der Anzahl der offenen Haftbefehle lässt sich kein Rückschluss auf eine gesteigerte Gefährdung der Bevölkerung ziehen.“

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