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Bräuche in Schwaben: Brautenführung, Maibaumstehlen und eigenes Halloween

Brauchtum

Von alten Schachteln und Rübengeistern: Das sind die spannendsten regionalen Bräuche

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    Während der Hochzeitsfeier die Braut zu entführen, ist ein typisch süddeutscher Brauch.
    Während der Hochzeitsfeier die Braut zu entführen, ist ein typisch süddeutscher Brauch. Foto: Fotolia (Symolbild)

    Baum geklaut, Braut entführt, Hexe verbrannt: Was klingt wie die Zusammenfassung eines Märchens der Gebrüder Grimm ist in Schwaben gelebte Tradition. Denn hier werden Bräuche gefeiert, die so kurios klingen, dass man sie fast für Geschichten halten könnte. Wir stellen Ihnen hier eine kleine Auswahl vor.

    Schwäbisch-alemannische Fastnacht: Berühmtester schwäbischer Brauch

    Berühmt weit über den alemannischen Sprachraum hinaus ist die Fastnacht, im Oberschwäbischen meist Fasnet genannt. Sie ist in ganz Baden-Württemberg und in den schwäbischen Teilen Bayerns ein wichtiger Fixpunkt zum Jahresanfang und beginnt traditionell am Dreikönigstag. Auch in Teilen der Schweiz feiert man die Fasnet.

    Charakteristisch für die Fastnacht ist das Verkleiden mit dem sogenannten Häs, den aufwendig gestalteten Kostümen und Masken, die zum Teil mehrere Kilos wiegen können. Die meisten Narrenzünfte haben immer dasselbe Kostüm, die Masken werden oft über Generationen vererbt und bei Neueintritt in eine Zunft meist für den Träger oder die Trägerin speziell hergestellt. Besonders beliebt sind bei den Zünften Teufelsfiguren und Hexen, Narren, wilde Leute und Tiergestalten, doch der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt.

    Die Fasnetsumzüge gehören wie hier in Illertissen zu den bekanntesten schwäbischen Bräuchen.
    Die Fasnetsumzüge gehören wie hier in Illertissen zu den bekanntesten schwäbischen Bräuchen. Foto: Florian Ankner (Archivbild)

    Wie auch der rheinische Karneval geht die Fastnacht auf Feste zurück, die dazu dienten, verderbliche Lebensmittel vor Beginn der Fastenzeit aufzubrauchen. Ab dem 14. Jahrhundert kamen zum exzessiven Nahrungsmittelkonsum Umzüge, Fastnachtsspiele oder Tänze hinzu, aus den riesigen Mahlzeiten wurde so ein über Tage andauerndes Fest. 2014 wurde die schwäbisch-alemannische Fastnacht in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes im Sinne des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen.

    Schachtelfest: Ein Rügenbrauch für „alte“ Frauen

    Das Schachtelfest gibt es neben anderen Regionen in Deutschland auch im Allgäu und trägt sich am 25. Geburtstag einer unverheirateten Frau zu. Freunde und Familie sammeln dazu diverse Schachteln und Kartons und legen sie der Jubilarin dann am Geburtstag beispielsweise vor die Haustür. Der Hintergrund: Das Geburtstagskind ist jetzt eine alte Schachtel und hat es bis dato nicht geschafft, sich einen Ehemann ans Bein zu binden.

    Wann genau der Brauch entstand, ist unklar. Er hat zwar die klassische Form eines sogenannten „Rügenbrauchs“, also eines Brauchs der eine Abweichung von der sozialen Norm bestrafen soll. Mit 25 heiraten heute jedoch nur noch die wenigsten Frauen und so ist der Brauch vor allem ein Anlass, um ausgelassen und auf humorvolle Weise mit Freunden und Familie zu feiern.

    Für Männer gibt es übrigens einen ähnlichen, wenn auch weniger rüffeligen Brauch: Wer mit 30 unverheiratet ist, muss Klinken putzen.

    Christbaumloben: Feucht-fröhlich unter dem Weihnachtsbaum

    Weihnachten, die Zeit der Besinnlichkeit und Nächstenliebe. Man sitzt mit seinen Liebsten zusammen, freut sich über die gemeinsame Zeit und genießt gutes Essen. So oder so ähnlich läuft das auch in Schwaben ab. Zumindest bis die offizielle Feierei vorbei ist. Dann zieht man sich warm an und wagt sich vor die Tür, um Nachbarn und Freunden einen Besuch abzustatten und deren Christbaum zu bewundern. Für das Lob gibt es vom Christbaum-Besitzer dann einen Schnaps, seltener etwas anderes wie Plätzchen. So ein Abend endet oft feucht-fröhlich.

    Den Christbaum auf dem Augsburger Rathhausplatz kann man natürlich auch loben, der Besitzer wird aber vermutlich keinen Schnaps dafür ausschenken.
    Den Christbaum auf dem Augsburger Rathhausplatz kann man natürlich auch loben, der Besitzer wird aber vermutlich keinen Schnaps dafür ausschenken. Foto: Augsburger Allgemeine (Archivbild)

    Der Brauch erreicht in den vergangenen Jahren auch zunehmend andere Regionen in Deutschland, stammt aber vermutlich aus dem ostschwäbischen Raum zwischen Allgäu und Donau.

    Brautentführung: Der Bräutigam zahlt die Zeche

    Die Tradition der Brautenführung ist in ganz Süddeutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz verbreitet. Sie findet traditionell nach der Trauung statt, etwa während der Gästebegrüßung oder im Laufe des Essens, wenn der Bräutigam gerade abgelenkt ist.

    Die Braut wird meistens von Freunden in ein Lokal in der Nähe gebracht, wo Braut und Entführer dann Getränke zu sich nehmen, bis der Bräutigam gemeinsam mit seiner Begleitung dort auftaucht, um seine Braut auszulösen. Er muss die entstandene Zeche zahlen und darf seine Frau dann entweder direkt mitnehmen oder muss vorher noch ein paar kleine Aufgaben erledigen.

    Maibaumstehlen: Bier und Brotzeit gegen Baum

    Das Stehlen des Maibaums gehört fast genauso fix zur Tradition wie das Stellen des Baumes am 1. Mai. Der Brauch ist vor allem auf dem Land verbreitet, meistens sind des Nachbardörfer, die versuchen, einen Maibaum zu stehlen. Wenn das gelingt, winkt nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch jede Menge Freibier. Denn das bestohlene Dorf muss den Baum mit Bier und Brotzeit wieder freikaufen.

    Die Feuerwehr Buchen rückte wegen eines umgestürzten Maibaums aus. (Symbolbild)
    Die Feuerwehr Buchen rückte wegen eines umgestürzten Maibaums aus. (Symbolbild) Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Archivbild)

    Um das zu verhindern, organisieren Dörfer Wachen, um ihren Baum zu beschützen. Die Diebe lassen sich im Gegenzug Ablenkungsmanöver einfallen, um doch noch an den Baum zu gelangen. Sobald ein Baum aufgestellt ist, darf er nicht mehr gestohlen werden. Außerdem darf ein gestohlener Baum nicht beschädigt werden.

    Funkenfeuer: Hier brennt nur eine Strohhexe

    Das Funkenfeuer ist ein Brauch, der vor allem im Allgäu weit verbreitet ist und in manchen Orten fast Volksfestcharakter erreichen kann. Es findet traditionell statt am ersten Sonntag nach Fasching, beziehungsweise der Fastnacht, dem sogenannten Funkensonntag.

    Dabei werden etwa aus Holz, alten Christbäumen, Reisig und Stroh riesige Haufen aufgetürmt, obenauf thront eine Strohpuppe in Frauenkleidern – die Funkenhexe. Sie symbolisiert sowohl den Winter als auch das Böse, das durch das Abbrennen des Funkenfeuers vertrieben werden soll. Ursprünglich war das Funkenfeuer vermutlich ein Fruchtbarkeitsritus, was vor allem für die Bauern der Region relevant war – je höher die Funken flogen, desto fruchtbarer sollte das Jahr werden. Die Hexe hat nichts mit den neuzeitlichen Hexenverbrennungen zu tun, sondern vermutlich mit der Fastnacht und dem Ende dieser Zeit.

    Das Funkenfeuer ist ein typischer Brauch im Allgäu und Teilen Oberschwabens, aber auch im weiteren Alpenraum verbreitet.
    Das Funkenfeuer ist ein typischer Brauch im Allgäu und Teilen Oberschwabens, aber auch im weiteren Alpenraum verbreitet. Foto: Benedikt Siegert (Archivbild)

    Angezündet wird das Feuer bei Einbruch der Dunkelheit, oft begleitet von Musik, Glühwein und kleinen Snacks oder den Funkenküchle, einem Schmalzgebäck ähnlich den Auszognen. Wie auch beim Stehlen des Maibaums gab es auch beim Funkenfeuer früher Rivalitäten zwischen verschiedenen Gemeinden, was zum frühzeitigen Abbrennen eines Funkenfeuers führte. Das ist heute strafbar.

    Rübengeistern: Die schwäbische Antwort auf Halloween

    Bevor Halloween auch in Schwaben seinen Siegeszug begann, gab es das Rübengeistern. Heute ist der alte Brauch leider weitgehend vom amerikanischen Pendant verdrängt worden. Der genaue Ursprung des Brauchs ist nicht eindeutig geklärt. Eine mögliche Erklärung geht auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück, als arme Tagelöhner Rüben gestohlen und gekocht haben. Mit den ausgehöhlten Resten sollen deren Kinder dann bettelnd von Haus zu Haus gezogen sein.

    Das Rübengeistern wird immer mehr von Halloween verdrängt.
    Das Rübengeistern wird immer mehr von Halloween verdrängt. Foto: Thomas Warnack, dpa (Symbolbild)

    Die Nähe zu Halloween lässt sich natürlich nicht bestreiten. Der Ablauf ist ähnlich: Kinder schnitzen einen Rübengeist, also ein gruseliges Gesicht in eine Futter- oder Herbstrübe und beleuchten sie von innen mit einer Kerze. Mit diesen Rüben ziehen sie dann durch die Nachbarschaft, um Süßigkeiten oder andere kleine Gaben zu erbitten. Verkleidet sind sie dabei allerdings nicht.

    Um diese zu erhalten, sagen Kinder einen kleinen Spruch auf, etwa: „Wir sind die Rübengeister und essen gerne Kleister und wenn Sie keinen haben, dann bitten wir um Gaben!“ Mit „Süßes sonst gibt‘s Saures“ ist es hier nicht getan!

    Sie kennen weitere skurrile Bräuche aus der Region? Schreiben Sie uns!

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