„Heute drücken wir auf Neustart“, sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder bei der Präsentation seiner neuen Bahnstrategie am Montag in Berlin. Neben dem CDU-Mann hatte die Frau Platz genommen, die sie umsetzen soll. Evelyn Palla, 51 Jahre alt, Südtirolerin und in 190 Jahren Geschichte die erste Frau an der Spitze der Eisenbahn in Deutschland. Ihre Ansage: „Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache. Die Zufriedenheit unserer Kunden steht über allem.“ Wie schwierig und unwägbar ihre Aufgabe ist, zeigte ein Zwischenfall in Norddeutschland. Zwischen Hamburg und Berlin fuhren am Montagmorgen keine Züge, weil eine Oberleitung ausgefallen ist. Zwischenfall Nummer 2: Die Eisenbahnergewerkschaft EVG will am Dienstag im Aufsichtsrat gegen ihre Berufung stimmen. Die EVG kann Palla nicht final blockieren, doch eine Berufung ohne Unterstützung wäre ein Malus.
Wie soll das Bahnfahren angenehmer werden?
Der Verkehrsminister will mit der Bahn drei Sofortprogramme erarbeiten. Erstens sollen die Bahnhöfe sicherer und sauberer werden. „Die Bahnhöfe sind die Visitenkarte der Bahn“, betonte Schnieder. Eine Kombination aus Videoüberwachung, mehr Wachpersonal und mehr Putzkolonnen sollen die Verbesserung bringen. Das zweite Programm betrifft den Komfort in den Zügen. Bordbistros sollen geöffnet haben und die Toiletten funktionieren. Besser werden soll drittens die Kommunikation bei Verspätungen und Zugausfällen. „Am Gleis hören und lesen sie etwas anderes als im DB Navigator“, beklagte der Minister. Wann genau die Programme greifen werden, ließ er offen.
Wann soll die Bahn pünktlicher fahren?
Vor allem im Fernverkehr fahren die Züge notorisch verspätet. Im August rollten vier von zehn ICE und IC verspätet in die Bahnhöfe ein. Im Juli war der Wert noch schwächer. „Das kann nicht so bleiben“, sagte Schnieder. Gleichzeitig dämpfte er die Erwartungen. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr soll bis 2029 auf 70 Prozent steigen. Der entlassene Bahnchef Richard Lutz wollte dieses Ziel schon im kommenden Jahr erreichen. „Das halte ich für nicht erreichbar“, meinte der Minister.
Wie steht es um den Neubau von Bahnstrecken?
Vergangene Woche hatte die Meldung für Wirbel gesorgt, dass trotz Sondervermögens für die Infrastruktur kein Geld für neue Bahnstrecken, Autobahnen und Bundesstraßen da ist. Landräte, Abgeordnete und Ministerpräsidenten wurden aufgeschreckt. Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) forderte im Gespräch mit unserer Redaktion die Aufstockung des Verkehrsetats. Bei der Bahn sind die Strecken Augsburg-Ulm, die Brennerzufahrt und der Ausbau von Rheintalbahn und der Verbindung zwischen Frankfurt und Mannheim betroffen. Schnieders Problem: Die Milliarden für die Infrastruktur stecken im Sondervermögen, während sein eigener Etat in den nächsten Jahren schrumpft. Die Gelder im Sondervermögen sind aber für Erhalt und Sanierung vorgesehen. „Diese Mittel kann ich für nichts anderes benutzen“, räumte der Minister ein. Er muss nun in den Haushaltsverhandlungen in dieser Woche versuchen, mehr Spielraum für sich herauszuholen.

Was kommt auf die designierte Bahnchefin zu?
Evelyn Palla muss am Dienstag die Aufsichtsratssitzung überstehen. Die Gewerkschaft stört sich gar nicht an ihr, sondern an einer zweiten Personalie. Sie will Schnieders Kandidaten für die Spitze der Bahn-Netzsparte Infrago, Dirk Rompf, verhindern. Aufsichtsratschef Werner Gatzer gab sich entspannt. „Ich bin sicher, dass Frau Palla am Dienstag gewählt wird“. Nimmt sie diese Hürde, wird die Managerin vor allem mit den drei Sofortprogrammen beschäftigt sein. Der Fahrplan für 2026 ist geschrieben, da gibt es keine wesentlichen Änderungen mehr. „Es gibt keinen Qualitätsschalter, den wir einfach umlegen können“. Palla weiß, wie komplex der Schienenkonzern ist. Seit drei Jahren ist sie verantwortlich für den Regionalverkehr, den sie zurück in die Gewinnzone führte. Dieser Erfolg war maßgeblich dafür, dass die Bundesregierung sie für den Chefposten nominierte.
Wie sieht Schnieders Bahnstrategie aus?
Im Zentrum der Bahnreform steht ein stärkerer Zugriff des Verkehrsministers auf Netz und Bahnhöfe der Bahn, die im Konzern im Bereich InfraGo zusammengefasst sind. Dorthin fließen in den kommenden Jahren Dutzende Milliarden für die Sanierung von Weichen, Schienen und Bahnhöfen. Ab 2027 soll ein gesetzlich fixierter Leistungskatalog regeln, was das Netz bringen muss. Bisher kontrollierte die Bahn über ihren Infrastruktur-Vorstand Berthold Huber die Sparte. Dieser Posten wird aber gestrichen, genau wie der Posten von Technikvorständin Daniela Gerd tom Makotten. Nach den Worten von Aufsichtsratschef Gatzer werden sie beide das Unternehmen verlassen.
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