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Die Solidarität nach der Flut-Katastrophe sollte der Politik ein Beispiel sein - ein Kommentar

Kommentar

Die Solidarität nach der Flut-Katastrophe sollte der Politik ein Beispiel sein

Peter Müller
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    Rund 50 Helfer und Helferinnen stellten in Auchsesheim im Landkreis Donau-Ries einen Damm fertig. Solche Bilder sah man in den Tagen des Hochwassers oft: Menschen, die zusammenhielten.
    Rund 50 Helfer und Helferinnen stellten in Auchsesheim im Landkreis Donau-Ries einen Damm fertig. Solche Bilder sah man in den Tagen des Hochwassers oft: Menschen, die zusammenhielten. Foto: Barbara Würmseher

    Adrian Schäbel, ein Antiquitätenhändler aus Fischach, ist einer der Bürger, die vor einem Jahr Hab und Gut im Wert mehrerer hunderttausend Euro verloren haben. Inzwischen hat er Laden und Wohnhaus wieder hergerichtet, Möbel restauriert, sich mit der Versicherung herumgestritten. „So vieles kommt an diesen Tagen wieder hoch“, sagt er heute, ein Jahr, nachdem Schwaben vom großen Hochwasser heimgesucht wurde.

    So vieles kommt wieder hoch. Vor einem Jahr traten Günz, Mindel, Zusam und Schmutter über die Ufer, gewöhnlich beschauliche Zuflüsse der Donau. Wie ein Tiefdruckgebiet auf der Karte im allabendlichen Wetterbericht schoben sich die Wassermassen von Schwaben nach Oberbayern, allein in Bayern starben mindestens vier Menschen.

    Was ist von der großen Solidarität geblieben?

    Gleichzeitig ereignete sich Bemerkenswertes. Nachbarn unterstützen sich beim Keller-Auspumpen, Verwandte stellten Betten bereit, Wildfremde halfen bei der Evakuierung. Sogar in den Sozialen Medien, wo sonst eher Häme und Hetze den Ton bestimmen, wurden zeitweise wertvolle Hilfsangebote gepostet. In Zeiten, in denen viele über die wachsende Spaltung der Gesellschaft klagen, vermittelten die Tage des Hochwassers in Schwaben eine ganz andere Botschaft – die der Solidarität. 

    Ein Jahr später stellt sich die Frage: Was ist davon geblieben?

    Damals, vor einem Jahr, waren sich Wetterexperten und Klimaforscher einig: Extremwetterereignisse werden sich häufen, Vorsorge (Deiche, Ausstattung des THW…) ist genauso nötig wie der verstärkte Kampf gegen den Klimawandel. Ein Jahr später ist der Klimaschutz, einst ein Großthema nicht nur Schule schwänzender Jugendlicher, aus der politischen Debatte fast gänzlich verschwunden.

    Bayern hat sein Klimaziel klammheimlich um fünf Jahre verschoben

    Stattdessen lasten Sorgen über Putins Krieg gegen die Ukraine, den tägliche Irrsinn eines Donald Trump und vor Arbeitsplatzabbau auf den Menschen. Selbst Greta Thunberg trägt heute das Palästinensertuch. Die Mammutaufgabe des klimafreundlichen Umbaus der Wirtschaft rückt in den Hintergrund. Dazu passt, dass Bayern sein Klimaziel klammheimlich um fünf Jahre verschoben hat.

    Die neue Bundesregierung setzt andere Schwerpunkte. An der Grenze sendet die Polizei auf Geheiß des neuen Innenministers Alexander Dobrindt die richtigen Signale, im Umgang mit Freunden und Partnern in Europa beginnt Kanzler Friedrich Merz verlorenes Vertrauen zu reparieren. Und selbst aus der Wirtschaft kommen erste positive Nachrichten.

    Unserer Gesellschaft droht das „Wir-Gefühl“ verloren zu gehen

    Gerade weil aktuelle Studien, wie zuletzt die des Rheingold Instituts, belegen, dass unserer Gesellschaft das „Wir-Gefühl“ verloren zu gehen droht und sich einzelne Gruppierungen zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen, würde man sich wünschen, dass diese zarten Ansätze gemeinsamen, konstruktiven Regierens den deutschen Problemstau auflösen.

    Denn wenn die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger auf das Hochwasser eines zeigte, dann dies: Es ist an der Zeit, aus den ideologischen Gräben zu klettern, übrigens auch beim Klimaschutz. Jeder kann etwas einbringen. Die Grünen haben, holzschnittartig gesagt, gute Ideen, CDU und CSU eher das Know-how, diese Ideen so umzusetzen, dass sie der sauberen, europäischen Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil auf den Weltmärkten verschaffen. Und die SPD? Sie kann auf den sozialen Ausgleich achten, denn nicht jeder kann sich eine aufwendige Wohnungssanierung leisten.

    Das wäre Problemlösung aus der Mitte, pragmatisch, unaufgeregt. Das Hochwasser hat für die betroffenen Menschen wahrlich nichts Gutes gebracht. Aber ihre Solidarität sollte noch heute ein Beispiel sein – auch für die Politik.

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