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Ein Jahr nach dem Hochwasser 2024: So geht es Betroffenen heute

Hochwasser 2024

„Mir graut vor diesem Jahrestag“: Sechs Menschen blicken auf die Flutkatastrophe vor einem Jahr zurück

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    Vor einem Jahr traf eine Flutkatastrophe viele Menschen in der Region. Sechs von ihnen erzählen, wie es ihnen heute geht.
    Vor einem Jahr traf eine Flutkatastrophe viele Menschen in der Region. Sechs von ihnen erzählen, wie es ihnen heute geht. Foto: Bernhard Weizenegger, Sonja Dürr, Marcus Merk, Alexander Kaja, Karl-Josef Hildenbrand/dpa, AZ-Montage

    Vor genau einem Jahr hat ein Hochwasser Teile Bayerns empfindlich getroffen. Mindestens vier Menschen sind in den Fluten gestorben, in Offingen wird nach wie vor der Feuerwehrmann Denis Root vermisst. Der Schaden, den die Wassermassen angerichtet haben, geht in die Milliarden. Und heute, ein Jahr danach? In sechs Orten blicken Betroffene auf die Katastrophe zurück.

    Cathrin Wagenpfeil hat die Flut in Mering erlebt. Vor einem Jahr stand das Wasser bis zur untersten Treppenstufe.
    Cathrin Wagenpfeil hat die Flut in Mering erlebt. Vor einem Jahr stand das Wasser bis zur untersten Treppenstufe. Foto: Bernhard Weizenegger

    Cathrin Wagenpfeil, Mering: „Ich sah, wie plötzlich das Wasser gestiegen ist. Da habe ich Panik bekommen“

    Wir hatten am ersten Hochwasser-Tag das Gefühl: „Wir haben das unter Kontrolle!“ Es war ja auch nicht das erste Hochwasser. In unserer Straße, der Glückstraße in Mering, gibt es elf Eigentümer von Reihenhäusern. Zusammen haben wir eine Art Barrikade errichtet, quer über den Zugangsweg, aus langen Holzbrettern, die in Schienen gesetzt und mit Folie geschützt werden. Das hat zunächst gut funktioniert.

    Wir Nachbarn haben uns dann in der Nacht ausgetauscht und abgewechselt: Da hatte jeder Zeiten, in denen er aufgepasst und mitgeholfen hat. So um 4.30 Uhr in der Früh, als gerade meine Schicht dran war, bin ich rausgegangen und sah, wie plötzlich das Wasser gestiegen ist. Da habe ich Panik bekommen. Ich dachte: „Wieso? Wir hatten doch alles im Griff, das Wasser stand nur fünf, sechs Zentimeter hoch in der Straße!“ Ich bin sofort zu einem Nachbarn, der mich beruhigte. „Wir können das jetzt nicht ändern“, sagte er. Die Barrikade halte, es sei wohl das Grundwasser. Dieses Gefühl, nichts tun zu können, wenn das Wasser steigt – das war beängstigend und unheimlich. Ich war froh, als es hell wurde und viele weitere Helfer kamen, darunter die Feuerwehr. Wir, die Reihenhaus-Eigentümer, hatten Glück. In das Haus von meinem Mann und mir etwa ist zwar Wasser gelaufen, und wir mussten alles vom Keller nach oben tragen. Die Schäden hielten sich aber in Grenzen. Ganz anders als bei unserem Nachbarn gegenüber mit seinem wunderschönen Einfamilienhaus. Der hatte sicher noch zwei Wochen nach dem Hochwasser die Pumpen laufen.

    In der Meringer Glückstraße stand das Wasser vor einem Jahr mehr als einen halben Meter hoch.
    In der Meringer Glückstraße stand das Wasser vor einem Jahr mehr als einen halben Meter hoch. Foto: Cathrin Wagenpfeil

    Im Rückblick muss ich sagen: Mich hat das Hochwasser abgelenkt, so komisch das klingt. Mein Vater war zwei Wochen vorher gestorben, nun musste ich funktionieren und das hat mir geholfen.

    Heute erinnert in unserer Straße eine Palette mit Sandsäcken an damals. Ich sehe sie immer, wenn ich Einkaufen gehe. Die Nachbarn lagern die Sandsäcke weiter – für den Notfall. Und wir Reihenhaus-Eigentümer wollen unsere Barrikade verbessern. In Mering ist das Hochwasser ebenfalls Thema geblieben. Es wird wohl nicht so schnell aus den Köpfen gehen, auch nicht aus denen meiner Söhne. Ihnen stand das Wasser bis zum Bauchnabel beziehungsweise bis zur Hüfte. Kürzlich hatte ich über das „Bürgernetz Mering“ einen Erste-Hilfe-Kurs – da sprach mich ein älterer Herr auf das Hochwasser an. Das Bürgernetz, das sind Ehrenamtliche, die etwa Fahrdienste zu Ärzten organisieren. Mein Vater war darin sehr aktiv.

    Das Wasser stand vor einem Jahr bis zu den Zaunspitzen: Antiquitätenhändler Adrian Schäbel hat seinen Laden nach zwei Monaten wieder geöffnet.
    Das Wasser stand vor einem Jahr bis zu den Zaunspitzen: Antiquitätenhändler Adrian Schäbel hat seinen Laden nach zwei Monaten wieder geöffnet. Foto: Marcus Merk

    Adrian Schäbel, Fischach: „So vieles kommt in diesen Tagen wieder hoch“

    Als das Wasser in meinem Antiquitätenladen durch die Wand lief, war es Freitagnacht, kurz vor Mitternacht. Dann war der Strom weg, kein Licht, kein Radio. Also haben wir gewartet. Meine Eltern und mein Mann drüben im Wohnhaus, ich im ersten Stock des Ladens. Am Samstagvormittag bin ich über das Ladenfenster in das Boot der Feuerwehr gestiegen, da reichte das Wasser schon bis zum Fensterbrett. Meinen Hund hab ich in der Mörtelwanne hinterhergezogen. Meine Eltern und mein Mann hat ein Helikopter vom Dach der Garage gerettet, weil die Strömung zwischen beiden Häusern zu stark war. Da ragten im Hof nur noch die Zaunspitzen aus dem Wasser.

    Eine Nacht sind wir bei meinem Onkel und meiner Tante geblieben. Einen Tag später standen wir wieder hier. Wir haben die Teppiche herausgeräumt, den Matsch entfernt. Raus, alles musste raus. Im Hof haben wir Haufen gemacht. Wir haben gearbeitet, bis es nicht mehr ging. Da funktioniert man einfach nur.

    Ein Bild aus dem Juni 2024: Adrian Schäbel (links) mit seinem Mann Stefan Zufelde und seinen Eltern Roland und Gerlinde Schäbel.
    Ein Bild aus dem Juni 2024: Adrian Schäbel (links) mit seinem Mann Stefan Zufelde und seinen Eltern Roland und Gerlinde Schäbel. Foto: Marcus Merk

    In der ersten Woche haben wir einen 40-Kubikmeter-Container mit Möbeln vollgemacht. Insgesamt war das viermal so viel. Die meisten meiner Antiquitäten sind im Wasser kaputtgegangen. Allein der Einkaufswert für das, was ich wegwerfen musste, lag bei 106.000 Euro – meine Arbeitszeit für die Restaurierung gar nicht mitgerechnet. Insgesamt hat das Hochwasser mindestens 250.000 Euro Schaden in meinem Laden verursacht. Ich habe hier den Putz abgeschlagen, neu verputzt und gestrichen, zum Teil den Estrich herausgeklopft, gefliest. Im August haben wir den Laden wieder aufgemacht, noch bevor die Soforthilfe von 25.000 Euro kam. Für das Wohnhaus habe ich 5000 Euro bekommen, das ging schnell. Eigentlich dachte ich auch, ich wäre gut versichert. Doch die Versicherung hat sich aus der Affäre gezogen, es hieß, mein Elementarschutz wäre beim Umzug in den neuen Laden verloren gegangen. Dabei hätte die ursprüngliche Unternehmenssicherungspolice über 300.000 Euro gereicht. Jetzt habe ich nicht einmal ein Viertel davon bekommen, zudem musste ich den Rechtsanwalt zahlen.

    Eigentlich bin ich das ganze Jahr über gut klargekommen. Ich habe viel gearbeitet, habe den Laden und Wohnhaus wieder hergerichtet, Möbel restauriert, da kommt man gar nicht zum Nachdenken. Aber jetzt, wo der Jahrestag der Hochwasserkatastrophe ansteht, schlafe ich schlecht. Ich habe Albträume. So vieles kommt in diesen Tagen wieder hoch.

    Zwei der Deichbauer aus Auchsesheim: Harald Strobel und Hubert Gerstmeier haben ihr Dorf vor den Fluten bewahrt.
    Zwei der Deichbauer aus Auchsesheim: Harald Strobel und Hubert Gerstmeier haben ihr Dorf vor den Fluten bewahrt. Foto: Sonja Dürr

    Hubert Gerstmeier und Harald Strobel, Auchsesheim: „Was in Auchsesheim passiert ist, ist einmalig“

    Wir Auchsesheimer konnten die Katastrophe abwenden. Andernfalls wäre fast der halbe Ort überflutet worden, wissen wir heute. Als wir beide uns am 2. Juni am alten Zusam-Deich getroffen haben, stand das Wasser 15 Zentimeter darunter. Wir haben dem Krisenstab, der wenig später kam, vorgeschlagen, dass wir am Ortsrand einen Deich aufschütten – so wie es die Planungen des Wasserwirtschaftsamts für ein hundertjähriges Hochwasser seit Jahren vorsehen. Da gab es keine Diskussion, wir erhielten jede Freigabe zur Errichtung des zusätzlichen Deichs. Eine Stunde später war die erste Schüttung da, unser ortsansässiges Transportunternehmen Wagner hat allein am Sonntag 6000 Tonnen Kies hergefahren.

    In 15 Stunden haben wir von da an auf einem Kilometer Länge einen Deich gebaut. Parallel ging es darum, Zeit zu gewinnen. Wir wussten nicht, wie schnell das Wasser steigt. Auf den alten Deich wurden Sandsäcke gelegt, die Lkw-weise ins Dorf kamen. Nach Whatsapp-Aufrufen waren in kürzester Zeit Hunderte Leute da, ganz Auchsesheim war in Aufruhr. Die Feuerwehr hat einen Transfer organisiert und die Leute dahingebracht, wo sie gebraucht wurden. Wir mussten die Sandsäcke ja über weite Strecken transportieren und weitergeben.

    Der Deich, der Auchsesheim vor den Fluten schützte: Auf einem Kilometer Länge errichteten Harald Strobel und Hubert Gerstmeier mit hunderten Helfern einen Wall gegen das Hochwasser.
    Der Deich, der Auchsesheim vor den Fluten schützte: Auf einem Kilometer Länge errichteten Harald Strobel und Hubert Gerstmeier mit hunderten Helfern einen Wall gegen das Hochwasser. Foto: Harald Strobel

    Als das Wasser immer weiter stieg, hat die Regierung von Schwaben angeordnet: Die Gefahr, dass der alte Deich überspült wird, ist viel zu groß, die Leute müssen runter. Am Montag haben wir den neuen Deich nochmals erhöht und Sandsäcke darauf geschichtet. Wir dachten: Wir haben’s geschafft! Dann stand das Wasser am nächsten Morgen wieder bis zur letzten Sandsackreihe. Also wieder erhöht. Ab Dienstagmittag stieg der Pegel nicht mehr, er ging aber tagelang nicht zurück. Die Dorfgemeinschaft ist in all diesen Tagen eng zusammengestanden. Alle, die es sich zugetraut haben, haben Sandsäcke weitergereicht. In Leiterwagen wurde Frühstück gebracht, im Zwei-Schicht-Betrieb Essen gemacht.

    Mit insgesamt 9000 Tonnen Kies, 80.000 Sandsäcken und hunderten Helfern (Feuerwehr, THW und sogar wildfremden Menschen) haben wir das Hochwasser von Auchsesheim ferngehalten. Wir sind dankbar, dass wir das geschafft haben. Wir sind verschont geblieben, einen Kilometer weiter, in Zusum, hat es die Bewohner schlimm getroffen. Was in unserem Dorf passiert ist, ist einmalig. Das wird sich nicht wiederholen.

    Sieglinde Diebold ein Jahr nach dem Hochwasser: Nach wie vor ist das Haus der Familie in Offingen eine Baustelle.
    Sieglinde Diebold ein Jahr nach dem Hochwasser: Nach wie vor ist das Haus der Familie in Offingen eine Baustelle. Foto: Alexander Kaya

    Sieglinde Diebold, Offingen: „Mir graut vor diesem Jahrestag“

    Ich bin in Offingen aufgewachsen, unser Haus wurde Anfang der 70er Jahre unweit der Mindel gebaut. Hochwasser kannten wir. Früher stand das Wasser auf dem Acker oft wochenlang. Jetzt, wo dort ein neues Baugebiet entstanden ist, haben wir das Wasser im Haus. Dabei hat es das in all den Jahrzehnten nie gegeben – bis zum 1. Juni 2024.

    Ich war an jenem Samstagabend schon im Bett, mein Mann hat noch Fußball geschaut. Gegen 22.45 Uhr hat er mich geweckt, da stand das Wasser schon 15 Zentimeter hoch auf der Straße. Ich hab mir eine kurze Hose über den Schlafanzug gezogen. Zeit, meinen Geldbeutel zu holen, hatte ich nicht mehr. Als wir in unseren SUV gestiegen sind, reichte das Wasser bis zur Autotür. Wir haben es gerade noch rausgeschafft aus der Siedlung, da war das THW bereits mit dem Boot da. Wir sind zu unserer Tochter nach Günzburg gefahren. Mein Vater, der bei uns wohnte, hat sich mit seinen 96 Jahren nicht davon abbringen lassen, ins Nachbarhaus zu seinem Bruder zu fliehen. Er musste mit dem Schaufellader aus dem ersten Stock gerettet werden.

    Das Haus der Diebolds in Offingen: Zwei Autos gingen in den Fluten kaputt, drei Wochen stand das Wasser im Gebäude.
    Das Haus der Diebolds in Offingen: Zwei Autos gingen in den Fluten kaputt, drei Wochen stand das Wasser im Gebäude. Foto: Martin Diebold

    Am vierten Tag hat uns die Feuerwehr wieder ins Haus gelassen. Da war überall Wasser und Schlamm. Es hat gestunken nach Öl und Gülle, in unserer Speis schwammen Fische, im Keller die Gefriertruhe an der Decke. Von unserer Terrasse hat es die Platten herausgerissen.

    Nach mehreren Wochen haben wir das Hotel in Günzburg, wo wir unterkamen, verlassen und uns notdürftig im ersten Stock unseres Hauses eingerichtet. Da hatten wir immer noch Wasser im Keller. Freunde und Familie kamen, haben Möbel rausgeschafft, Teppich rausgerissen, Gipskartonwände entfernt. Der Putz fiel von den Wänden. Bis Weihnachten hatten wir keine Heizung. Letztlich mussten wir im Keller und Erdgeschoss alles herausreißen, sogar die Installationen. Dabei haben wir 2019, bevor mein Mann und ich in Rente gegangen sind, das ganze Haus auf Vordermann gebracht.

    Mein Vater und ich haben unsere Autos verloren, mein Mann und ich unsere Einrichtung, Unterlagen aus den letzten 40 Jahren, unsere Vorsorge fürs Alter, auf die wir als Selbstständige angewiesen sind. Unser Haus ist immer noch eine Baustelle, in die alten Wohnräume können wir noch nicht einziehen. Um uns herum sind einige Häuser bis heute unbewohnbar. Wir sind den vielen Helfern sehr dankbar. Ohne sie hätten wir längst aufgegeben. Trotzdem graut mir vor dem 1. Juni. Ich bin froh, wenn dieser Jahrestag rum ist.

    In Babenhausen weinte Rino Bernardi vor Markus Söder und Robert Habeck, als er von den Überschwemmungen erzählt. Auch ein Jahr später kämpft er dabei noch mit den Tränen. 
    In Babenhausen weinte Rino Bernardi vor Markus Söder und Robert Habeck, als er von den Überschwemmungen erzählt. Auch ein Jahr später kämpft er dabei noch mit den Tränen.  Foto: Alexander Kaya

    Rino Bernardi, Babenhausen: „In Babenhausen ist so etwas in diesem Ausmaß noch nie passiert“

    Es war ein großer Schlag, als die Eisdiele überschwemmt wurde. Das Wasser kam unerwartet und über Nacht. In Babenhausen ist so etwas in diesem Ausmaß noch nie passiert. Ich wurde am Samstagmorgen angerufen und war daheim in Ochsenhausen. Ich wollte nach Babenhausen kommen, konnte das aber zuerst nicht, weil wegen des Hochwassers die Straßen gesperrt waren.

    Um 9 Uhr morgens war der Keller in der Eisdiele ganz vollgelaufen. Dabei war die Renovierung des Gebäudes erst seit zwei Monaten abgeschlossen. Es war wirklich schlimm. Auf der Straße stand das Wasser über einen halben Meter hoch. In der Eisdiele selbst zehn Zentimeter. Das Wasser kam aus dem überfluteten Keller nach oben und ebenfalls durch die Tür von draußen. Die Besitzerin dieses Gebäudes ist über 90 Jahre alt und auch sie hat so etwas noch nie erlebt.

    Hochwasser in Dirlewang
Hochwasser Juni 2024 in Dirlewang
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    Ende Mai und Anfang Juni 2024 erlebte Bayern eine Hochwasserkatastrophe – besonders Schwaben und das angrenzende Oberbayern traf es mit voller Wucht. Hier haben wir die eindrücklichsten Bilder gesammelt.

    Als ich dann am Sonntag gerade draußen vor der Eisdiele stand, hat zufällig der Bus mit den Politikern vor dem Gebäude gehalten. Ich wurde direkt von einer Reporterin auf das Hochwasser angesprochen. In diesem Moment wusste ich noch nicht, wie sich alles entwickeln wird und war deshalb sehr schockiert von der ganzen Situation. Ich habe sowieso einen emotionalen Charakter.

    Söder und Habeck haben mir dann im Gespräch Mut zugesprochen und ich habe schon damals gesagt, dass wir es schaffen werden. Es ist nicht das erste Mal, dass eine meiner Eisdielen überflutet wurde. In Ochsenhausen stand diese zum Beispiel 2016 innerhalb von sechs Wochen zweimal unter Wasser.

    Rino Bernardis Eisdiele wurde vor einem Jahr überschwemmt.
    Rino Bernardis Eisdiele wurde vor einem Jahr überschwemmt. Foto: Sammlung Rino Bernardi

    Die erste Frage während der Überschwemmung war für mich, wie die Versicherung auf die Schäden reagieren wird. Für vier Wochen musste ich die Eisdiele schließen. Die Aufräumarbeiten währenddessen machten Nachbarn, Freunde und Bekannte, die uns sehr geholfen haben, den 200 Quadratmeter großen Keller aufzuräumen. Das alles war riesige Arbeit, weil es dort so viel Dreck gab. Wir haben vier kleinere Lkw-Ladungen an Abfall weggebracht.

    Insgesamt betrug der Schaden etwa 120.000 Euro. Die Kühlaggregate, die Heizung und Teile der Elektronik waren kaputt und wurden ausgewechselt. Die Lagerware musste ich komplett neu bestellen. Auch Kühlschränke, Regale und der Boden mussten ersetzt werden. Außerdem hatte ich natürlich kein Einkommen in dieser Zeit. Nach dem Schock der ersten Tage konnte ich aber etwas aufatmen. Wir waren elementarversichert und die Versicherung hat unsere gesamten Schäden übernommen. Jetzt, ein Jahr später, ist alles wieder voll funktionsfähig und keine Spuren mehr vom Hochwasser zu sehen.

    Roswitha und Rudolf Feldengut, Gundelfingen: „In diesen Tagen haben wir einfach funktioniert“

    Die Einfahrt der Feldenguts ein Jahr später. Was heute noch in den Keller kommt, halten sie so gering wie möglich.
    Die Einfahrt der Feldenguts ein Jahr später. Was heute noch in den Keller kommt, halten sie so gering wie möglich. Foto: Julia Motschmann

    Das Wasser kam von allen Seiten. Unsere ganze Einfahrt und der Garten waren voll. Unser Sohn war auch da. Sein Auto hat er bei einem anderen Haus auf einer Anhöhe geparkt, damit das Wasser den Motor nicht erreicht. Über die Fenster ist es in den Keller gelaufen. Unser Öltank ist geschwommen, aber Gott sei Dank nicht ausgelaufen. Die Heizung und die Wechselrichter der Photovoltaikanlage an der Wand waren kaputt. Danach haben wir einen Gasanschluss beantragt, weil wir weg vom Öl wollten.

    Für die gesamte Heizung haben wir um die 25.000 Euro gezahlt. Die neuen Wechselrichter sind jetzt auf dem Dachboden. Drei Kellerräume hatten wir mit Holz verkleidet, das mussten wir alles entfernen und entsorgen. Wir hatten im Keller ein Büro eingerichtet. Steuer- und Versicherungsunterlagen waren zum Beispiel dort. Da haben wir uns noch die wichtigsten Ordner geschnappt, aber Fotos, Zeitungsberichte, Urkunden, Auszeichnungen sind alle weg. Der finanzielle Schaden war da, aber das Emotionale war gewaltig. Das waren 50 Jahre Leben.

    Die Einfahrt der Feldenguts war vor einem Jahr völlig überschwemmt. Im Keller stand das Wasser etwa 1,60 Meter hoch.
    Die Einfahrt der Feldenguts war vor einem Jahr völlig überschwemmt. Im Keller stand das Wasser etwa 1,60 Meter hoch. Foto: Sammlung Feldengut

    In diesen Tagen haben wir einfach funktioniert, verarbeitet haben wir das erst in den Wochen und Monaten danach. Das Ganze war so unvorstellbar. Wenn uns jemand zwei oder drei Tage vorher gesagt hätte, dass alles hier ein See werden würde, hätten wir es nicht geglaubt. Die Leute sind mit dem Boot hier durchgefahren! Es war eine schlimme Zeit.

    Drei Mal hat die Feuerwehr unseren Keller ausgepumpt, weil das Wasser immer wieder nachgelaufen ist. Als das Wasser weg war, mussten wir den ganzen Keller ausräumen. Viele vom Dorf haben uns geholfen, Freunde und Bekannte. Und dann war der Keller innerhalb von ein paar Stunden leer. Einer, den wir nicht kannten, kam mit dem Fahrrad vorbei und hat gefragt, wo er helfen kann. Er hat das Fahrrad abgestellt und mit uns die Container vor der Haustür befüllt. Die Hilfsbereitschaft war groß.

    Von der Stadt Gundelfingen haben wir Hochwasserhilfe bekommen und das Geld von der Kartei der Not war innerhalb von zwei Tagen auf dem Konto. Auch psychologische Hilfe hätten wir in Anspruch nehmen können, um das zu verarbeiten. Es war ja ein einschneidendes Erlebnis. Aber so schlimm wie es war – es hat niemanden von uns das Leben gekostet. Wir denken oft an den Feuerwehrmann in Offingen, dessen Leichnam immer noch nicht gefunden wurde. Wie schlimm muss das für die Angehörigen sein! Wir müssen dankbar sein. Es hätte auch anders ausgehen können.

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