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Falschparker melden: Bürger-App oder Blockwart-Mentalität im Verkehr?

Verkehr

Hobby-Sheriffs oder wertvolle Hilfe? Tausende Bürger verpfeifen Falschparker per App

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    Parken auf Radwegen, im Halteverbot, auf Gehwegen oder in Anwohnerzonen, all solche Vergehen werden oft per App gemeldet.
    Parken auf Radwegen, im Halteverbot, auf Gehwegen oder in Anwohnerzonen, all solche Vergehen werden oft per App gemeldet. Foto: Oliver Berg, dpa

    Am Augsburger Prinzregentenplatz hat Anfang August ein Benziner illegal auf einem Ladeplatz für Elektroautos geparkt. An der Münchner Theresienwiese wurde ein Autofahrer beim Parken auf dem Gehweg ertappt. Und gleich hinter dem Landtag war am 24. Juli wohl ein Hobby-Sheriff unterwegs, der gleich 16 Falschparker meldete. All das ist im Internet exakt dokumentiert. Falschparker-Apps und Portale, auf denen man Verkehrssünder melden kann, sind anhaltend beliebt. In der Regel dokumentieren registrierte Nutzerinnen und Nutzer dort ein Vergehen im ruhenden Verkehr, laden ein Foto der Parksituation hoch und die KI generiert automatisch eine Meldung an das zuständige Ordnungsamt. Das ist für die Städte Segen und Fluch zugleich.

    Beispiel München: Dort gehen bei der Verkehrsüberwachung täglich 30 bis 40 Hinweise und Beschwerden über Störungen auf den Straßen ein. Geschätzt 70 Prozent dieser Hinweise kommen über kommerzielle Online-Meldeportale, wie das Kreisverwaltungsreferat auf eine Anfrage der Stadtratsfraktion von FDP und Bayernpartei berichtete. Viele der Hinweise beziehen sich auf Falschparker, andere zum Beispiel auf Lärmbelästigung oder fehlende Beschilderungen. Hinzu kommen im Monat etwa 1800 solcher Bürger-Anzeigen beim Polizeipräsidium München.

    Fotos auf „Petz-Portalen“ sind oft nicht verwertbar

    Wie geht Bayerns größte Stadt damit um? Die zuständige Stelle überprüft erst einmal, ob die Meldung verwertet werden kann. Das ist nicht immer der Fall, erklärt Kreisverwaltungsreferentin Hanna Sammüller in ihrer Antwort an die Stadträte. Mitgeschicktes Fotomaterial lässt ihr zufolge „häufig keine Bewertung der konkreten Situation vor Ort (...) zu, weshalb eine flächendeckende Verfolgung derart eingehender Hinweise nicht möglich ist“.

    Sind die Hinweise aber in der Sachlage eindeutig, kommt es offiziell zur Anzeige - und der Verkehrssünder findet bald eine Ladung zur Anhörung oder Zeugenbefragung in seinem Briefkasten. Wie viele Bußgeldbescheide anhand solcher „Petz-Portale“ schon verhängt wurden und wie viel Geld die Stadt eingenommen hat, wird statistisch nicht erfasst.

    Jeder Bürger hat das Recht, Falschparker zu melden

    Die Beispiele vom Anfang dieses Textes stammen vom Online-Portal weg.li, einer der bekanntesten Meldeplattformen. Mehr als 8000 Verkehrsüberwachungsbezirke sind dort hinterlegt, die fleißigsten Hobby-Ordnungshüter werden in einer Rangliste gefeiert. Momentan ganz oben: Nutzer „Motzi“ mit 83 Anzeigen in nur einer Woche.

    Für den Münchner Stadtrat Richard Progl von der Bayernpartei fördern solche Portale ein falsches Engagement, er wirft der Stadt vor, dass sie nichts dagegen unternimmt. „Diese Plattformen fördern anonymes Denunziantentum und tragen so zur gesellschaftlichen Spaltung bei, da sie nicht darauf abzielen, dass ein Geschädigter den ihm entstandenen Schaden meldet“, so Progl zu unserer Redaktion. Selbst jeder Ortsfremde könne „aus reiner Lust am Anzeigen zum ,inoffiziellen Mitarbeiter‘ werden“.

    Gesetzlich ist es jedem Bürger erlaubt, Verkehrssünder zu melden, denn bei solchen Anzeigen gilt das sogenannte Jedermannsrecht. Allerdings wird Portalen wie weg.li oder Apps wie etwa „Parkmonster“ regelmäßig vorgeworfen, dass sie eine Art Blockwart-Mentalität bedienen. Auch Frank Pintsch, Ordnungsreferent in Augsburg, sieht das kritisch: Fremdanzeigen - also solche, die nicht von der Verkehrsüberwachung selbst stammen - könnten „als bürgerliches Engagement ein Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr sein“, sagt Pintsch unserer Redaktion. „Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn Verstöße nur um der Anzeige Willen gemeldet werden.“ Er verweist auf das sogenannte Opportunitätsprinzip der Kommunen. Heißt: Diese können selbst ermessen, ob eine Anzeige „missbräuchlich“ gestellt wurde und müssen dann auch nicht zwingend tätig werden.

    Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch hat eine klare Meinung zu Falschparker-Meldeportalen.
    Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch hat eine klare Meinung zu Falschparker-Meldeportalen. Foto: Silvio Wyszengrad

    In Augsburg spielen Bürger-Anzeigen Pintsch zufolge eine untergeordnete Rolle. Im Jahr 2024 registrierte man im ruhenden Verkehr genau 148.701 Verstöße, nur 2.212 wurden von Bürgerinnen und Bürgern gemeldet - die meisten davon tatsächlich per App. Von den 79.986 Verstößen im ersten Halbjahr 2025 waren dem Ordnungsamt zufolge 863 auf Fremdanzeigen zurückzuführen.

    Grundsätzlich ist die Verkehrsüberwachung Aufgabe der Behörden. In Augsburg etwa kümmern sich mehr als 40 Angestellte des Ordnungsdienstes in Schichten darum, dass etwa Rettungswege frei bleiben, kein Auto unberechtigt auf Behinderten- oder Bewohner-Parkplätzen steht sowie Fuß- und Radwege nicht zugeparkt werden.

    Frankfurt betreibt ein städtisches Falschparker-Portal

    Mehrere deutsche Städte machen sich aber gezielt die Meldebereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zunutze, etwa Offenbach und Bad Homburg. Auch Frankfurt am Main betreibt ein stadteigenes Online-Portal zur Anzeige von Falschparkern. Die Stadt spricht von einem Erfolgsmodell: Von April bis Dezember 2024 gingen insgesamt 31.569 Privatanzeigen ein - sogar etwas weniger als im Vorjahr, als sie noch auf Papier oder als Mail geschickt werden mussten. Zudem reduzierte sich der Bearbeitungsstau.

    Die Ämter in Augsburg und München sehen für so ein städtisches Meldeportal keinen Bedarf, wie sie auf Anfrage unserer Redaktion erklären.

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