Zum Zeitpunkt des massiven Cybermobbings gegen vier Achtklässler einer Nördlinger Realschule war er gerade 14 Jahre alt. Doch die Staatsanwaltschaft Augsburg, die im Dezember 2019 Anklage gegen den Nördlinger erhoben hat, war sich sicher, dass der Angeschuldigte in allen Fällen die nach dem Jugendgerichtsgesetz erforderliche Reife hatte, um über das Unrecht seiner Taten Bescheid zu wissen. Auch darüber, in welchem Ausmaß er seine Mitschüler beleidigt, sie öffentlich gedemütigt und missachtet hatte. Die gefälschte Todesanzeige über seinen Freund machte bundesweit Schlagzeilen.
Gefälschte Todesanzeige und Mobbing: Zunächst ein Schülerstreich vermutet
Alles begann noch vor den Sommerferien 2019 in Nördlingen. Zunächst wurde ein Schülerstreich vermutet. Doch nach den Ferien steigerte sich die Intensität des Cybermobbings. Zu dem Zeitpunkt, als die Kripo bereits ermittelte, erhielten die Opfer, vier Mitschüler des IT-affinen Jugendlichen, regelmäßig Bestellungen, die sie nicht aufgegeben, Tickets für Flugreisen, die sie nicht gebucht hatten, oder angsteinflößende Morddrohungen über das soziale Netzwerk Instagram. Sie wurden beschimpft und beleidigt.
Schüler aus Nördlingen gab falsche Todesanzeigen in Auftrag
Nachdem im überregionalen Teil unserer Zeitung eine von drei geplanten falschen Todesanzeigen von Mitschülern veröffentlicht wurde, erzielte das rund zwölf Personen umfassende Ermittler-Team erste Erfolge. Einige Tage nach der Hausdurchsuchung folgte ein Teilgeständnis. Zwei weitere Todesanzeigen konnten storniert werden.
Weil die Straftaten weitgehend im Internet stattfanden und Daten teilweise nicht über einen längeren Zeitraum gespeichert werden müssen, hatte der Täter bis dahin weiter ein leichtes Spiel. Die Präventionstrainings gegen Cybermobbing an der Realschule Maria Stern, an denen der Täter ebenfalls teilgenommen hatte, waren ganz offensichtlich erfolglos.
>> Lesen Sie auch: Gefahr in Kinderhänden: das Smartphone <<
Der Prozess fand am Montag vor dem Nördlinger Amtsgericht statt. Die Verhandlung war nichtöffentlich, wie für Verhandlungen in diesem Alter der Straftäter oft üblich. Jugendrichter Andreas Krug verurteilte den 15-Jährigen zu einer Woche Dauerarrest. Außerdem muss er 120 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Als weitere erzieherische Maßnahme muss der Realschüler einen Aufsatz über Cybermobbing aus Sicht der Opfer verfassen. Der Text soll sich an dem Fall der kanadischen Schülerin Amanda Todd orientieren. Sie hatte sich das Leben genommen, nachdem sie im Internet gemobbt worden war. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Augsburg forderte eine höhere Strafe: Der Vertreter beantragte vier Wochen Dauerarrest in einer Jugendstrafanstalt und 160 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Motiv des Realschülers noch immer nicht klar
Zum Motiv des Buben hat es bislang kaum Angaben gegeben und es wird wohl auch weiter Unklarheit herrschen. Wie Amtsgerichtsdirektor Dieter Hubel auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilte, könne sich der Angeklagte nicht erklären, wie es zu den Taten gekommen sei. Er soll vor Gericht wie ein „netter Bub“ gewirkt haben.
Wie kann man Cyber-Mobbing verhindern?
Die Cybermobbing-Fälle an der Realschule Maria Stern in Nördlingen haben nicht nur in ganz Deutschland für Schlagzeilen gesorgt, sondern auch die Debatte im Landkreis Donau-Ries befeuert, wie Schüler besser vor Mobbing und Internetkriminalität geschützt werden können. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Simone Fleischmann, schlug damals vor, die Justiz für Intervention und Prävention miteinzubinden. Ihre Erfahrung habe gezeigt, dass Lehrer und Schüler „jeden Tag Angriffe im Cyberbereich erleiden“.
Der Nördlinger Fall, so meinte BLLV-Präsidentin Fleischmann weiter, habe gezeigt, wie kompliziert das Thema sei und dass es für solche Grenzüberschreitungen noch nicht die richtigen Antworten gebe – weder in der Schule, noch in der Politik.