Die Bilder, die sowohl im Schweizer Rundfunk als auch bei dem ARD-Magazin „Fakt“ gezeigt werden, gehen unter die Haut: Kaninchen, die in Käfige geworfen werden, teilweise abprallen und auf dem Boden landen. Kaninchen, die in eine kleine Kiste gepackt und geimpft werden. Kaninchen, die narkotisiert und denen anschließend mit einem Schlauch das Blut abgepumpt wird. All diese Aufnahmen, die am Dienstagabend ausgestrahlt wurden, sollen von einem eingeschleusten Mitglied der Soko Tierschutz in einem Kissinger Betrieb aufgezeichnet worden sein. Was ist dort passiert? Der Betriebsleiter nimmt unserer Redaktion gegenüber Stellung.
Die Tierschutzorganisation, die auch der Augsburger Friedrich Mülln mitgegründet hat, hat die Aufnahmen an ausgewählte Medien geschickt, nicht aber an unsere Redaktion. Auch auf Nachfrage waren vor der Ausstrahlung keine näheren Informationen von den Tierschützern zu bekommen – aber vom Leiter des beschuldigten Betriebs. Zu dem Zeitpunkt des Gesprächs wusste auch er nicht, welche konkreten Aufnahmen es aus seinem Betrieb gibt. Erst durch Presseanfragen von zahlreichen, auch überregionalen Medien wurde er auf die Recherche aufmerksam. Der Landwirt, der in der Region einen guten Leumund hat, erzählt von den Anfängen der Kaninchenmast 1994.
Kaninchenmast in Kissing: Blut der Tiere wird für Antikörpergewinnung verwendet
Zu Beginn diente ihm zufolge die Haltung dem Ziel, nach Medikamenten zu forschen, mit denen transplantierte Organe vom Körper weniger häufig abgestoßen werden. Diese Medikamente gibt es inzwischen. Für ihre Herstellung werden die Kaninchen in der Mastanlage im Auftrag von Pharmaunternehmen immunisiert; am Ende werden aus ihrem Blut die Antikörper gewonnen. „Dafür müssen die Tiere auch sterben“, erklärt der Betriebsleiter, der sich erstmalig mit diesen Details öffentlich äußert. Seine Zurückhaltung in der Vergangenheit habe aber nicht daran gelegen, dass man etwas geheim halten wolle, sondern an Verschwiegenheitserklärungen der auftraggebenden Pharmaunternehmen.

Wegen der nun veröffentlichten Aufnahmen will er jedoch erklären, was genau vor Ort passiert. „Die Tiere sterben nicht dafür, dass wir sie essen, sondern für überlebenswichtige Medikamente“, sagt er. Der Bedarf daran sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Erst vor wenigen Jahren hat sich der Betrieb deshalb vergrößert. Derzeit leben mehrere tausend Tiere auf dem Hof. Deren Haltungsbedingungen werden in der Tierschutzversuchstierverordnung genau festgelegt: Je nach Gewicht des Tieres liegt die Mindestbodenfläche zwischen 3500 (unter drei Kilogramm) und 5400 Quadratzentimetern (über fünf Kilogramm). Insgesamt ist die Haltung für Tierversuche oder Forschungszwecke, worunter auch die Medikamentenherstellung fällt, streng geregelt.

Betriebsleiter aus Kissing äußert sich zu den Vorwürfen im ARD-Magazin Fakt
Es gibt Regelungen, welche Fachkenntnis Mitarbeiter mitbringen müssen, welche Genehmigungen es braucht, welche Tierschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. „Wir halten all das ein. In unseren neueren Ställen haben die Tiere sogar etwas mehr Platz“, versichert der Betriebsleiter. Denn Kaninchen seien sehr sensibel für Krankheiten. Für ihre Kontrolle seien mehrere Tierärzte bei dem Betrieb angestellt. Die Haltung werde zudem regelmäßig vom Veterinäramt Aichach-Friedberg kontrolliert. Zudem gebe es für jedes Kaninchen detaillierte Behandlungspläne. Durch das Bekanntwerden der Vorwürfe über grobes oder sogar tierschutzrelevantes Verhalten seiner Mitarbeiter habe man sofort erneut Schulungen mit allen durchgeführt und für einen tierschutzkonformen Umgang sensibilisiert.

Doch klar ist auch: Es bleibt eine Anlage, in der tausende Tiere auf engstem Raum Tiere auf Drahtgitter- oder Kunststoffböden unter strengsten hygienischen Bedingungen leben. Sie werden in ihrem Leben mehrmals geimpft, damit sie bestimmte Antikörper herstellen. Am Ende ihres Lebens werden sie narkotisiert und dann entblutet, erklärt der Betriebsleiter. Das bedeutet, dass sie am Brustbein aufgeschnitten und das Blut, das dann für die Medikamentenherstellung benötigt wird, abgepumpt wird. „Das sieht nicht schön aus, das ist uns klar.“ Doch er findet auch: „Diese Medikamente retten Menschenleben, das muss man gegeneinander aufwiegen.“
Die Soko Tierschutz sieht das naturgemäß anders. Die Organisation hat wegen nicht artgerechter Haltung und groben Umgangs bei der Staatsanwaltschaft Augsburg Strafanzeige erstattet. Auch der Vorwurf, dass einzelne Kontrollen des Veterinäramts angekündigt worden seien, steht im Raum.
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