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Oktoberfest 2025: Mehr Frauen suchen Hilfe bei Fällen sexueller Belästigung

Oktoberfest 2025

K.o.-Tropfen, Belästigung, sexuelle Gewalt auf der Wiesn: Mehr Frauen suchen Hilfe

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    Das Projekt „Sichere Wiesn“ wirbt unter anderem mit Plakaten und Flyern. Die Botschaft: Frauen sollen in jeder Notsituation rasch Hilfe bekommen.
    Das Projekt „Sichere Wiesn“ wirbt unter anderem mit Plakaten und Flyern. Die Botschaft: Frauen sollen in jeder Notsituation rasch Hilfe bekommen. Foto: Leonie Asendorpf, dpa

    Dieser Fall einer sexuellen Belästigung auf dem Oktoberfest hat vor ein paar Tagen für Aufsehen gesorgt: Die Streamerin „Kunshikitty“ bummelte über die Wiesn und übertrug ihre Tour mit dem Smartphone direkt ins Internet. Da torkelte ein offensichtlich betrunkener Mann auf sie zu, fasste ihr an Schulter und Hüfte, lallte Anzügliches. Weder von der Kamera noch von den Entgegnungen der Streamerin ließ er sich abbringen. Erst eine Freundin konnte den Mann abwimmeln. Nun ermittelt die Polizei.

    Doch damit nicht genug. Am Montagabend meldete der Bayerische Rundfunk, dass ein Mann Anfang 20 eine 21-Jährige in einem Gebüsch vergewaltigt haben soll. Laut Polizei hatte das Opfer den mutmaßlichen Täter am Freitag auf dem Oktoberfest kennengelernt. Sie verließen am Abend gemeinsam das Festgelände in Richtung Theresienhöhe. Dort kam es nach bisherigen Erkenntnissen zu der Tat. Anschließend flüchtete der Unbekannte. Die leicht verletzte 21-jährige Münchnerin sprach eine Polizeistreife an. Die Kriminalkommission fahndet nun nach dem Mann.

    Mehr Hilfesuchende wenden sich an die Beratungsstelle „Sichere Wiesn“

    Dass sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt nach wie vor Alltag auf der Wiesn sind, zeigt das Projekt „Sichere Wiesn“. Am Montag zog Kristina Gottlöber von der Informationsstelle für Mädchenarbeit Imma Halbzeitbilanz: In diesem Jahr haben sich demnach bereits etwas mehr Hilfesuchende an die Beratungsstelle „Sichere Wiesn“ hinter dem Schottenhamel-Zelt in der Nähe der Bavaria gewandt als im Vorjahr, 197 insgesamt. 2024 waren es 181.

    Die Beratungs- und Informationseinrichtungen Amyna, Imma und der Münchner Frauennotruf betreuen die dortige Beratungsstelle, die Frauen aufsuchen können, wenn sie akut Hilfe brauchen. Zwei Fachberaterinnen und 14 Ehrenamtliche je Schicht stehen diesen zur Seite. Sie beraten die Frauen nicht nur nach Vergewaltigungen, sondern kümmern sich auch um vermeintlich kleine Dinge. Sie laden Handyakkus auf, rufen ein Taxi oder recherchieren gemeinsam die Hoteladresse der Hilfesuchenden, damit diese sicher nachhause kommen.

    In sechs Fällen ging es um K.o.-Tropfen

    Im Großteil der bisherigen Beratungsfälle im Rahmen der laufenden Wiesn ging es laut Gottlöber darum, einen sicheren Heimweg für die Frauen zu organisieren. Viele hatten ihre Partner oder ihre Freundinnen in den Menschenmassen verloren, aber auch Wertgegenstände wie Handy oder Zimmerschlüssel. „Das kann für Frauen sehr schnell zu einer bedrohlichen Situation werden“, sagte Gottlöber am Montag vor Journalistinnen und Journalisten. In sechs Fällen wandten sich Frauen an die Beratungsstelle mit dem Verdacht, K.o.-Tropfen verabreicht bekommen zu haben. Im Vorjahr waren es fünf Fälle. Viele der Hilfesuchenden kommen aus dem Ausland, hauptsächlich aus den USA.

    In strafrechtlich relevanten Fällen kooperiert die „Sichere Wiesn“ mit der Polizei. In diesen Fällen informiere man die Frauen darüber, was bei einer Anzeige passiert, hieß es. Viele wüssten etwa nicht, dass das gesamte Gelände der Wiesn videoüberwacht ist. Bei einer Vergewaltigung könne die Polizei den Täter möglicherweise über diesen Weg ausfindig machen. Bei K.-o.-Tropfen vermittelt die Anlaufstelle Labore, die Proben nehmen. 

    Über die vergangenen Jahre hat Kristina Gottlöber keinen signifikanten Anstieg von sexueller Gewalt auf dem Oktoberfest festgestellt. „Wir gehen eher davon aus, dass die Sichtbarkeit gestiegen ist“, sagte sie. Das mache sie auch daran fest, dass dieses Jahr 58 der 197 Frauen selbstständig zur Beratungsstelle gefunden hätten. „Früher sind die meisten Frauen, die zu uns gekommen sind, von der Security oder anderen Stellen an uns vermittelt worden. Jetzt kommen Frauen selbstständig, wenn sie Hilfe brauchen.“ Gottlöber erklärte sich das auch mit dem gesellschaftlichen Wandel. Die MeToo-Debatte, aber auch nachgeschärfte Sexualstrafgesetze hätten zur Folge, dass sich die Gesellschaft aufmerksamer und sensibilisierter gegenüber sexueller Gewalt zeige.

    Diese erste Bilanz zieht die Polizei

    Die Polizei registrierte in ihrer Zwischenbilanz einen flachen Anstieg von Sexualstraftaten im Vergleich zum Vorjahr, hob jedoch hervor, dass sich die Vorfälle immer noch unterhalb der Vorjahre bewegten. Sie vermerkte in einer Pressemitteilung 33 angezeigte Sexualdelikte (2024: 31), wovon sie in drei Fällen wegen Vergewaltigung ermittele. Im Vorjahr waren es zwei. Bei den restlichen Sexualdelikten handele es sich um sexuelle Belästigung sowie Fälle von Upskirting – das ist das heimliche Filmen und Fotografieren unter den Rock. Die Polizei zeigte sich mit ihrer Präventionsarbeit zufrieden: Plakate im öffentlichen Nahverkehr hätten sich direkt an die Täter gewandt und die Botschaft gesendet, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nicht geduldet würden.

    Auch die Beraterinnen der „Sicheren Wiesn“ hoben hervor, wie wichtig trotz des Hilfsangebots nach wie vor die Täterprävention sei. „Frauen sollen auf der Wiesn Spaß haben, trinken, flirten und knutschen dürfen und sich trotzdem sicher fühlen“, sagte Gottlöber. Die Verantwortung liege immer bei den Tätern. Der Verein Imma gehe deswegen auch in Schulen und bete diese Botschaft herunter „wie ein Mantra“, wie es Gottlöber formulierte.

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