Deutschland braucht mehr Soldaten – ob es die allein auf freiwilliger Basis bekommt, ist allerdings umstritten.
. Wir haben junge Kolleginnen und Kollegen aus unserer Redaktion gefragt, wie sie dazu stehen. Kann sich jemand vorstellen, freiwillig zum Bund zu gehen? Und, im Falle eines verpflichtenden Dienstes: Dienen oder verweigern?
Anna Faber, 29: „Ich war Sportsoldatin und finde die Freiwilligkeit im Gesetzentwurf unentbehrlich“
Ich war von 2016 bis 2021 über fünf Jahre Sportsoldatin der Sportfördergruppe München. Mein Auftrag bestand darin, im Kanuslalom für Deutschland Medaillen zu gewinnen und die Bundeswehr zu repräsentieren. Der militärische Dienst stand weniger im Fokus. Trotzdem habe ich als Soldatin auf Zeit einen Diensteid abgelegt und eine Ausbildung an der Waffe erhalten. Ich kann nicht sagen, ob ich mich heute nochmal für diesen Weg entscheiden würde. Damals standen meine sportlichen Ziele im Vordergrund und die außenpolitische Lage war eine andere. Aber das Zugehörigkeitsgefühl und die Kameradschaft bei den Ausbildungslehrgängen haben mich sehr geprägt. Das sind Werte, an denen es aus meiner Sicht in der Gesellschaft zunehmend fehlt. Ob das reicht, um deshalb für Deutschland in den Krieg zu ziehen, sollte jeder für sich entscheiden. Der Punkt der Freiwilligkeit in dem Gesetzentwurf ist deshalb unentbehrlich. Sollte unser Land tatsächlich angegriffen werden, kann ich mir vorstellen, auf irgendeinem Wege einen Teil zur Verteidigung beizutragen.


Kristian Ortelli, 19: „Für mich bedeutet Wehrpflicht Zwang und Einschränkung“
Freiwillig für die Bundeswehr melden würde ich mich nicht. Sollte eine verpflichtende Wehrpflicht wirklich zurückkommen, wäre für mich klar: Ich würde Zivildienst leisten. Nicht weil ich Verantwortung ablehne, sondern weil ich überzeugt bin, dass man im sozialen Bereich genauso wichtig für die Gesellschaft sein kann, wie mit der Waffe in der Hand. Doch für mich bedeutet Wehrpflicht vor allem Zwang und Einschränkung. Ich glaube zwar, dass ich mit der Militärischen Disziplin keine großen Probleme hätte. Dennoch geht für mich mit dem Begriff Freiheit einher, selbst entscheiden zu können, wo und wie ich mich einbringe. Der Gedankengang, blind Befehlen zu folgen oder in einer Kaserne Zeit abzusitzen, reizt mich jedenfalls nicht. Am plausibelsten erscheint mir insgesamt das von Pistorius vorgestellte Modell, das auf Freiwilligkeit basiert. Ich glaube allerdings: Sollte es zu einem Angriff auf Europa kommen, könnte sich meine Bereitschaft nochmal ändern

Tim Graser, 26: „Mich schreckt Hierarchie in der Armee ab“
Nur die Wenigsten wird ein freiwilliger Wehrdienst hinter dem Ofen (oder dem Bildschirm) hervorlocken. Weil für mehr Rekruten aktuell aber der Platz in den Kasernen fehlt, halte ich ein Freiwilligen-Modell mit verpflichtenden Elementen, wie es Pistorius’ Entwurf vorsieht, zunächst für die sinnvollste Variante. Sollte die Wehrpflicht irgendwann in voller Härte zurückkommen, würde ich mich dennoch nicht an der Waffe ausbilden lassen, sondern zivil engagieren. Nicht, weil ich eine starke Bundeswehr nicht für absolut notwendig halte, sondern weil mich die Hierarchien in der Armee abschrecken. Ich könnte keine Befehle ausführen, deren Sinn ich nicht erkenne. Der Gedanke, jemand verdonnert mich dazu, einen blitzblanken Panzer noch drittes Mal zu putzen, einfach nur der Disziplin zuliebe, befremdet mich zu sehr. Was im Ernstfall geschähe, steht auf einem anderen Blatt. Sollte Europa tatsächlich angegriffen werden, würde auch ich den Waffengang nicht mehr scheuen. Zumindest glaube ich das.

Mariana Silva Lindner, 30: „Ich würde auch im Ernstfall den Dienst an der Waffe verweigern“
Vorneweg ist mir wichtig zu betonen: Wer sich bewusst für den Bund entscheidet, soll das tun dürfen. Entscheidend ist jedoch, dass es freiwillig bleibt und Engagement aus Überzeugung geschieht, nicht aus Zwang. Wenn ich ehrlich in mich hinein höre, weiß ich: Für mich käme ein Gang zum Bund nicht in Frage. Wenn überhaupt, dann nur der zivile Bereich. Und da bin ich überzeugt, dass man der Gesellschaft auch auf anderen Wegen etwas zurückgeben kann – etwa durch ehrenamtliches Engagement oder ein Freiwilliges Soziales Jahr. Ich lehne also nicht den Dienst an der Gemeinschaft ab, sondern die Idee, dass dieser an Waffen und Gehorsam gebunden sein soll. Selbstbestimmung und das Recht auf Leben sind für mich unverrückbare Grundwerte. Auch im Ernst- oder Verteidigungsfall würde ich daher verweigern, weil mein Gewissen nicht durch äußere Anlässe außer Kraft gesetzt werden kann. Wenn Töten für mich falsch ist, bleibt es auch im Ausnahmezustand falsch.


Julius Reinmuth, 26: „Mich stört die Selbstverständlichkeit, mit der über meine Generation entschieden wird“
Ob meine Generation bald dienen muss oder nicht, entscheidet das Kabinett. Ein Gremium also, das auf einen stolzen Altersdurchschnitt von fast 57 Jahren kommt. Ich gehöre zwar gerade so zu den älteren Jahrgängen, die dem Gesetzesentwurf nach nur im Verteidigungsfall zur Grundausbildung müssten. Trotzdem zögere ich bei dem Gedanken, mein Kreuz für die Bundeswehr zu setzen. Das liegt nicht an einem mangelnden Pflichtbewusstsein. Mich stört vielmehr die Selbstverständlichkeit, mit der über die Köpfe meiner Generation hinweg entschieden wird. Es spricht Bände, dass den Verantwortlichen Verpflichtungsfantasien leichter fallen, als sich mit der Kritik an den Streitkräften auseinanderzusetzen. Für eine echte Wehrpflicht gibt es sowieso nicht genug Platz in den Kasernen. Allein bis zur Musterung würden dem Entwurf nach noch drei Jahre vergehen. Im öffentlichen Ansehen ist die Bundeswehr sowieso unten durch. Wieso soll ich zur Armee, bevor solche Probleme ernsthaft angepackt wurden?
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