Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber will auf die Tierschutzskandale in bayerischen Ställen reagieren. Im Interview mit unserer Redaktion kündigte die CSU-Politikerin einen gemeinsamen Vorstoß mit Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) an. Zugleich nahm sie die Bauern in Schutz: „Wir haben hunderttausend Betriebe in Bayern und die ganz überwiegende Mehrheit arbeitet verantwortungsvoll. Dort, wo es einmal Tierschutzskandale gibt, stecken oft persönliche Schicksalsschläge dahinter. Das sind Einzelfälle.“
Immer wieder machen Missstände bei der Tierhaltung Negativschlagzeilen. Besonderes Aufsehen erregte etwa der Fall des größten bayerischen Milchviehbetriebs in Bad Grönebach mit mehr als 2000 Rindern. Wie viele andere wurde er nicht durch Kontrollen, sondern von Tierschutzaktivisten aufgedeckt. Der Geschäftsführer des Hofes darf keine Tiere mehr halten und betreuen. Die juristische Aufarbeitung des Skandals dauert noch an. Eine konkrete Folge des Falls: Betriebe ab 600 Tieren werden inzwischen von der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen kontrolliert und nicht mehr von den Veterinären im jeweiligen Landkreis.
Um Tierleid zu vermeiden: Kaniber und Glauber wollen Frühwarnsystem
Als weitere Konsequenz auf die jüngsten Tierschutzskandale fordern die Grünen im Landtag schon länger ein deutlich härteres Vorgehen gegen Tierquälerei, höhere Strafen sowie spezielle Schwerpunktstaatsanwaltschaften. „Wenn jemand ein Tier bewusst leiden lässt, muss das sichtbar und wirksam bestraft werden – im Interesse von Tierwohl und Rechtsstaat“, sagt der Grünen-Sprecher für Tierschutz im Landtag, Paul Knoblach. Der Staatsregierung werfen die Grünen Untätigkeit vor.
Kaniber hält dagegen und spricht sich für mehr Fürsorge aus. Hier seien Behörden, Politik und Gesellschaft gefordert. „Wir müssen weg vom Fingerzeigen, hin zum sorgenden Blick. Klar ist: Wenn es den Tieren nicht gut geht, geht es auch den Bauern nicht gut.“ Die Ministerin und ihr für Tierschutz zuständiger Kabinettskollege Glauber wollen eine Art Frühwarnsystem aufbauen, das auf bereits vorhandenen Daten aus den Ställen fußt. Unserer Redaktion sagte sie: „Wir müssen früher ansetzen, um Tierleid zu vermeiden. Wir arbeiten an einem System, das gesetzlich erhobene Tiergesundheitsdaten besser auswertet. Dabei setzen wir in der Beratung und in der Produktionstechnik auch auf die Digitalisierung.“
Kaniber sieht staatliches Tierwohl-Siegel skeptisch
Skeptisch steht die CSU-Politikerin einem staatlichen Tierwohl-Siegel gegenüber, das Verbraucher über die Haltungsbedingungen der geschlachteten Tiere aufklären soll. Sie sei sich mit den Agrarministern der anderen Länder einig, dass die bereits vorhandenen Siegel ausreichen. Den Rest regele der Markt. „Wenn wir alles doppelt und dreifach kennzeichnen, schafft das nur mehr Bürokratie. Und das Schlimmste: Modelle, die nur deutsche Ware kennzeichnen, benachteiligen unsere Betriebe gegenüber Importen.“
Um die Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln geht es am Mittwoch auch im Europäischen Parlament. Dort will die konservative EVP-Fraktion, zu der auch die CSU gehört, erreichen, dass vegetarische Produkte künftig nicht mehr mit Begriffen wie „Schnitzel“ , „Hamburger“ oder „Wurst“ bezeichnet werden dürfen.
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