Ilse Aigner als Bundespräsidentin? Horst Seehofer hat die medial eigentlich ruhigen Pfingsttage zu nutzen gewusst, um eine Kandidatin ins Rennen zu schicken, deren Name in München ohnehin längst herumgeistert, wenn es darum geht, wer Frank-Walter Steinmeier 2027 im höchsten Staatsamt folgen könnte. In der Tat wäre die derzeitige Präsidentin des bayerischen Landtags aus mehreren Gründen eine naheliegende Wahl – und auch eine gute.
Zunächst einmal, Aigner wäre die erste Frau im höchsten deutschen Staatsamt. Eine solche Besetzung ist – nach zwölf Männern – überfällig. Angela Merkel war Kanzlerin, Heide Simonis erste Ministerpräsidentin eines Landes, Europäische Zentralbank und EU-Kommission haben derzeit Frauen an der Spitze, und auch der Bundestag hat eine Präsidentin. Nur die Rolle des Staatsoberhauptes war bislang stets männlich besetzt. Es ist an der Zeit für Deutschlands erste Bundespräsidentin.
Es ist an der Zeit für Deutschlands erste Bundespräsidentin
Dazu kommt: Die CSU wäre mal dran. Von den die Bundesrepublik tragenden Parteien stellten bislang nur die Grünen und die CSU keinen Präsidenten. Sicher, Roman Herzog, der Bundespräsident mit der immer wieder zitierten Ruckrede kam aus Landshut. Beruflich aber hatte es ihn beim Start seiner politischen Karriere in das Umfeld Helmut Kohls in Rheinland-Pfalz – und damit in die CDU – verschlagen. Später dann hatte die CSU vor allem mit Theo Waigel einen präsidiablen Kandidaten. Den aber zog es nach seiner Zeit im Bundesfinanzministerium in die Rechtsanwaltskanzlei.
Vor allem aber bringt Aigner Fähigkeiten mit, die man in diesen Tagen gut gebrauchen kann. Der wichtigste Punkt: Sie gleich aus, wo andere spalten. Man mag das Landesmutter-Gen, mit dem sie ihr Amt als Landtagspräsidentin versieht, belächeln. In Zeiten aber, in denen vor allem die AfD ätzend den Umgangston im Land verändert, setzt Aigner die richtigen Akzente. Gleichzeitig kann sie Härte zeigen und redet Tacheles gegen rechtsradikale Umtriebe im Landtag. Das Berliner Parkett wiederum kennt sie aus ihrer Zeit als Bundeslandwirtschaftsministerin. Darauf lässt sich eine Kandidatur bauen.
Natürlich hat Aigner auch Defizite. Weltläufigkeit etwa oder ein enges politisches Netz in die Nachbarländer würde ihr bislang kaum jemand nachsagen. Ein Manko, zumal in international aufgeregten Zeiten, sicher, aber eines, das sich in den kommenden knapp zwei Jahren beheben lässt: mit Kontaktpflege von Paris über Warschau bis Kiew, mit guten, sichtbaren Auftritten von der Tutzinger Akademie bis zur Münchner Sicherheitskonferenz.
Kann Markus Söder seine Kanzler-Ambitionen dann komplett vergessen?
Aigners Problem ist weniger, dass man ihr den Posten nicht zutrauen würde, ihr Problem ist der Weg dorthin. Die Hindernisse liegen dabei kaum bei den anderen Parteien. Sie selbst arbeitet längst daran, dass keine Berührungsängste entstehen. Das gemeinsame Interview mit Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze über die Rolle von Frauen in der Politik ist schönes Beispiel dieser Beziehungspflege. Nicht jedem in der CSU hat das gefallen.
Genau da starten Aigners Probleme – bei den eigenen Leuten. Denn klar ist: Sollte sie 2027 ins Schloss Bellevue einziehen, kann CSU-Chef Markus Söder seine derzeit ohnehin nur noch theoretischen Chancen komplett vergessen, zwei Jahre später noch einmal ernsthaft ins Rennen um die Kanzlerschaft einzugreifen. Zwei CSU-Leute an der Spitze, das wird die CDU nie akzeptieren, zumal sich für das Kanzleramt genügend eigene Leute interessieren. Die Antwort der Frage, ob Aigner eine Chance hat, hängt daher von ganz anderen Fragen ab: Hat sie es im Kreuz, Markus Söder ihre Kandidatur abzuringen? Oder, anders formuliert: Hat Markus Söder die Größe, ihr den Vortritt zu lassen?
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