Fünfzehn Prozent Zoll auf den größten Teil aller Einfuhren aus der Europäischen Union - nach monatelangem Hin und Her haben Brüssel und Washington eine Einigung im Zollstreit erzielt. Die Bewertungen des Deals gehen teils weit auseinander. Zumindest in einem Punkt herrscht in der deutschen Wirtschaft große Übereinstimmung: Es ist gut, nun Planungssicherheit zu haben.
So erklärte etwa eine Audi-Sprecherin: „Wir begrüßen die Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit und die damit verbundene Planungssicherheit für die europäische Automobilindustrie. Wir rechnen damit, dass die Details der Vereinbarung nun kurzfristig ausgearbeitet und mitgeteilt werden.“

Auch Everllence-Chef Uwe Lauber sagte unserer Redaktion: „Wir begrüßen ausdrücklich, dass man zu einer Einigung gefunden hat. Denn ein regelgeleiteter Welthandel ist essenzielle Wachstumsgrundlage für die europäische Wirtschaft und den deutschen Maschinenbau. Als exportierendes Unternehmen sprechen wir uns grundsätzlich für einen Weltmarkt ohne Handelshemmnisse aus. Aber bilaterale Zölle sind weder ein neues noch ein unübliches Instrument, und die globale Wirtschaft kann damit umgehen.“
Bayerische Unternehmen erleichtert über Planungssicherheit nach Zollstreit
In anderen Punkten gibt es durchaus verschiedene Bewertungen, wie eine kleine Umfrage unserer Redaktion ergeben hat:

Christian Scheller (Hauptgeschäftsführer Dilo Armaturen und Anlagen GmbH, Babenhausen): Wir sind spezialisiert auf das Handling technisch anspruchsvoller Gase wie zum Beispiel Schwefelhexafluorid. Das ist das stärkste bekannte Treibhausgas, 27.000 Mal schädlicher für die Atmosphäre als Kohlendioxid. Dennoch ist es bis heute quasi unverzichtbar als Isoliergas in Hochspannungsschaltanlagen. In dieser Nische sind wir Weltmarktführer mit einem Marktanteil von etwa 50 Prozent. Unser Firmenname wird in der Branche quasi als Synonym für manche Produkte verwendet, so ähnlich wie bei Taschentüchern der Marke Tempo.
Als Unternehmen rechnen wir mit keinen negativen Folgen für unser Geschäft durch die US-Zölle. Im amerikanischen Markt gibt es quasi keine einheimischen Wettbewerber, unsere beiden wichtigsten Konkurrenten sitzen in Europa und Kanada und sind von den Zöllen genauso betroffen wie wir. Daher planen wir auch nicht, unsere Preise zu senken, um den Aufschlag durch die Zölle auszugleichen. Die Zollpolitik führt zunächst einmal dazu, dass es für Kunden in den USA teurer wird.
USA gelten zunehmend als unberechenbar
Beinahe parallel zur Verkündung seiner Zollpläne haben die USA große Investitionen in Rechenzentren für Künstliche Intelligenz angekündigt. Auch dafür werden viele weitere Hochspannungsleitungen gebraucht. Von meinen geschäftlichen Kontakten höre ich, dass Donald Trumps Zollpolitik gegen Europa und Kanada auch von Anhängern der Republikaner teilweise sehr kritisch gesehen wird. Wir hatten vor seiner Wahl zum Präsidenten sehr konkrete Überlegungen, eine weitere Montageeinheit in den USA aufzubauen. Das ist wegen der Unberechenbarkeit der US-Politik derzeit ganz sicher kein Thema mehr für uns.

Mark Furtwängler (Geschäftsführer Bühler Motor GmbH, Nürnberg): Generell ist es im Sinne von Planungssicherheit sehr gut, dass es eine Einigung gibt. Ein Zollsatz von 15 Prozent ist leider immer noch hoch, deutlich höher als vor Einführung der Zölle im Frühjahr, aber auch erheblich niedriger als die angedrohten 30 Prozent. Die Attraktivität des US-Marktes hat sich für uns im Grundsatz nicht verändert. Auch, weil sich die Attraktivität anderer Märkte im Vergleich zu früheren Jahren eingetrübt hat. Neben der EU selbst sind es Märkte wie etwa USA, Kanada und Mexiko, auf die wir uns als deutsche Wirtschaft konzentrieren sollten.

Wir bedienen den wichtigen US-Markt überwiegend aus unserem Werk in Mexiko. Hier gilt es schon seit Jahren, lokale Fertigungsquoten einzuhalten. Für uns als global aufgestellter Zulieferer ist daher ein Abkommen zwischen den USA und Mexiko mindestens ebenso wichtig wie die nun geschlossene Vereinbarung zwischen der EU und den USA. Aber hier bin ich optimistisch, da die kürzlich kommunizierten Einigungen mit Japan, Großbritannien und jetzt der EU Vorbildcharakter für die Gespräche mit Kanada und Mexiko haben dürften.
Trend zu stärkerer Regionalisierung
Die Frage ist nun, wie verlässlich und dauerhaft die Einigung ist. Wir müssen – obwohl wir schon deutlich schneller geworden sind – für die Industrialisierung und Validierung unserer Produkte mit sechs bis 24 Monaten rechnen. Das heißt, wir brauchen Planungssicherheit. Ich denke grundsätzlich, dass die Globalisierung der letzten Jahrzehnte nicht unbedingt zu ihrem Ende gekommen ist, aber dass wir ganz klar eine stärkere Regionalisierung erleben, sodass es sicherlich Sinn macht, in Europa, in Nordamerika oder auch in Asien lokale Lieferanten und lokale Fertigungen zu haben.
Hier sind die Automobilbranche und auch wir als Zulieferer bereits gut aufgestellt, da wir entsprechenden Forderungen in Asien und Nordamerika schon seit Jahren nachkommen mussten. Vielleicht ist dies in der derzeitigen geopolitischen Lage auch eine valide Forderung für den europäischen Markt, also für Produkte, egal von welchem Hersteller, die in Europa an die Konsumenten verkauft werden sollen, eine gewisse heimische Fertigung einzufordern.

Reinhold Braun (Präsident der IHK Schwaben): Der Zollkompromiss ist ein wichtiges Signal und gibt den Unternehmen in unserer exportstarken Region wieder ein Stück Planungssicherheit zurück. Der Deal hat die Gefahr eines eskalierenden Handelsstreits vorerst gebannt. Dafür muss die Wirtschaft allerdings einen hohen Preis zahlen. Daher kann die nun getroffene Einigung nur ein erster Schritt sein. Es müssen weitere Verhandlungen folgen, um ein umfassendes Handelsabkommen zu erzielen.
Mit einer Exportquote von knapp 45 Prozent hat der Außenhandel einen hohen Stellenwert für die Wirtschaft in Bayerisch-Schwaben. Die USA sind nach der Europäischen Union das wichtigste Exportland. Rund 600 Unternehmen aus der Region unterhalten aktive Geschäftsbeziehungen in die USA. Sie werden die Auswirkungen der Vereinbarung unmittelbar zu spüren bekommen. Die Zölle erhöhen die Kosten. Nur ein strategisch durchdachtes Rahmenabkommen kann langfristig Planungssicherheit zurückbringen.
Stärkung des EU-Binnenmarkts bringt mehr Unabhängigkeit
Die USA werden auch weiterhin ein wichtiger Partner für die regionale Wirtschaft bleiben. Die jüngsten Entwicklungen zeigen aber, wie wichtig es ist, Handelsbeziehungen auf eine breite Basis zu stellen. Gerade in Märkten wie Südamerika, Asien und Australien steckt noch viel Potenzial. Wir fordern daher mehr Tempo und Pragmatismus beim Abschluss weiterer Handelsabkommen. Auch innerhalb Europas bleiben noch viele Potenziale ungenutzt. Immerhin erzielt unsere Wirtschaft mehr als die Hälfte des Außenhandelsvolumens beim Handel mit EU-Ländern. Der europäische Binnenhandel muss weiter ausgebaut und Hürden müssen beseitigt werden. Dazu ist es wichtig, die Regulierung signifikant zu reduzieren. Nur ein starkes Europa kann seine Positionen mit Nachdruck im globalen Kontext vertreten.

Wolfgang Sochor (CEO Hawe Hydraulik): Zunächst einmal sind wir froh, dass wir nun wieder Planungssicherheit haben. Natürlich hätten wir uns einen niedrigeren Zollsatz oder den vollständigen Verzicht auf Zölle gewünscht. Allerdings hoffen wir nun, dass dieser „Deal“ für einen längeren Zeitraum Bestand haben wird und die Zeit der Unvorhersehbarkeit der vergangenen Monate und der Zurückhaltung, die wir auch auf dem US-Markt gespürt haben, der Vergangenheit angehören.
Wir haben unsere Produktionskapazitäten in den USA in den letzten Jahren mit einer Fertigungsstätte an der Ostküste gezielt ergänzt. Dort wo es sinnvoll ist, werden wir wie bisher Wertschöpfungsschritte – wie Sourcing, Fertigung, Montage – auch weiterhin lokalisieren und unsere „Local for Local-Strategie“ ausbauen. Die Zölle sind dabei eine von vielen betriebswirtschaftlichen Kenngrößen, ähnlich wie Währungsschwankungen, die oftmals einer noch größeren Schwankungsbreite unterliegen.
Es kann weiter zu Überraschungen kommen
Ob und wie lange diese Einigung Bestand haben wird, kann derzeit niemand seriös abschätzen. Aktuell ist nicht einmal klar, ob etwa für Pharmazeutika eventuell sogar höhere Zölle gelten werden. Das zeigt, es war erst einmal ein Handschlag-Deal und es kann im Nachhinein immer noch zu Überraschungen kommen. Wir haben mit Präsident Trump erlebt, wie schnell sich die Rahmenbedingungen ändern können und er die Richtung wechselt. Deshalb bleibt uns im Maschinenbau nur zu hoffen, dass wir hier eine möglichst stabile Vereinbarung erleben. Denn der deutsche Maschinenbau lebt von stabilen Rahmenbedingungen, die als Voraussetzung für langfristige Investitionen unerlässlich sind.

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