Das Interesse an der Alpwirtschaft im Allgäu ist so groß wie wohl noch nie zuvor. Das haben einmal mehr die großen Viehscheide wie in Hindelang oder Oberstdorf vor traumhafter Kulisse gezeigt.
Viele Besucher regte der Alpabtrieb auch zum Träumen an: Wie wär's, selbst einen Sommer auf einer Alpe zu verbringen? Die Vorstellung, sich inmitten traumhafter Bergwelt ums liebe Vieh zu kümmern, klingt verlockend romantisch.
In der Realität ist das Leben auf einer Alpe freilich deutlich härter als gemeinhin angenommen. 12 bis 16 Arbeitsstunden pro Tag sind keine Seltenheit...
Trotz dieses großen Pensums schwärmen erfahrenene Älpler von der Freiheit am Berg, die sie nicht mehr missen möchten. Viele der knapp 700 Alpen im Allgäu werden teils über mehrere Jahrzehnte von den gleichen Pächtern betrieben. Sollte einmal ein Platz frei werden, steht in der Regel die junge Generation bereit. Im Allgäu gibt es pro Sommer etwa 150 Schüler, die in den Ferien als Kleinhirten ihre Erfahrungen sammeln (so wie Hirtenbub Roman auf dem Einödsberg), um dann als Erwachsene wie ihre Eltern oder Verwandten regelmäßig den Sommer auf der Alp zu verbringen.
Auf auswärtige oder ausländische Helfer ist man auf den Allgäuer Alpen also meist nicht angewiesen. "Derzeit liegt uns kein offizielles Stellenangebot vor", heißt es beim Alpwirtschaftlichen Verein Allgäu. Wer sich dennoch bewerben will, kann ein Inserat in der Mitliederzeitschrift "Auf der Alpe" aufgeben.

Anders ist die Lage in der Schweiz. Auf den 7.000 Alphütten gibt es zahlreiche Älplerinnen und Älpler, die zum Beispiel aus Deutschland oder Österreich kommen. Im Online-Stellenmarkt für Alpersonal laufen auf zalp.ch die Fäden zusammen.
Derzeit gibt es bereits 20 offene Stellen auf Schweizer Alpen fürs nächste Jahr. "Die Zahl wird sich erfahrungsgemäß in den nächsten Monaten erhöhen. Im Dezember und Januar werden es um die 200 offene Stellen sein", erklärt zalp-Betreiber Giorgio Hösli im allgaeu.life-Interview. Die Zahl der Bewerber ist zwar in der Regel größer als die der offenen Stellen.
Doch speziell für Allgäuer sieht Hösli gute Chancen: "Die haben bei uns schon einen guten Ruf. Wenn jemand mit den Bergen vertraut ist, ist das sicher ein Vorteil." Auch sprachlich würde sich ein Allgäuer in der Deutschschweiz leichter tun als beispielweise ein Hamburger. Idealerweise verfügen Bewerberinnen oder Bewerber über Erfahrung in der Landwirtschaft - und können sich eine Alpe in der Schweiz dauerhaft als Sommer-Quartier vorstellen. "Wer nur ein Time-Out für einen Sommer sucht, hat kaum Chancen. Event-Älpler bringen keinen weiter", sagt Giorgio Hösli.
Für Deutsche ist der Alpsommer in der Schweiz nicht nur wegen der Natur reizvoll. Dafür sorgen sowohl die Verdienstmöglichkeiten als auch der Wert des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro.

145 Euro am Tag verdient ein Kleinvieh-Hirte ohne landwirtschaftliche Ausbildung gemäß dem "Bündner Richtlohn für Alppersonal", der sich in der gesamten Schweiz als Richtschnur etabliert hat. Eine Sennin oder Senn mit mindestens vier Jahren Erfahrung kommt demnach auf 240 Schweizer Franken am Tag. Allerdings gibt man beim Alpwirtschaftlichen Verein Allgäu zu bedenken: "Alle Versicherungen müssen in der Schweiz selbst getragen werden. Und: Die Zeit auf einer Schweizer Alpe wird nicht für die Rentenversicherung angerechnet."
Spannende Konstellationen gibt es auf den großen Schweizer Genossenschaftsalpen: Hier werden teils ganze Teams mit drei bis vier Personen gesucht. Roman Jäckle, heute Pächter der Sennalpe Breitengehren auf dem Gebiet der Naturschutzstiftung Allgäuer Hochalpen bei Oberstdorf, hat mit zwei weiteren Allgäuer Freunden diese Gelegenheit beim Schopfe ergriffen. Insgesamt verbrachte der frührere Kleinhirte zwei Sommer auf Senn-Alpen mit über 100 Milchkühen in der Schweiz. "Für mich war das eine interessante Abwechslung. Die Landschaft ist weitläufiger als im Allgäu und beim Käsmachen kann man in der Schweiz natürlich einiges lernen", erzählt der 25-Jährige. Von seiner Erfahrung "made in Switzerland" profitieren heute die Gäste auf der Sennalpe Breitengehren, die er seit 2017 mit seiner Frau Maria betreibt. Dort schätzt er die kurzen Wege, die er von der Alpe nach Hause hat. "Das ist natürlich ein großer Vorteil im Vergleich zu einer Alpe in der Schweiz."