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Frauen-Power: Diese Allgäuerin kämpft für Gleichberechtigung im Alpenverein

Ulrike Seifert (63)

Frauen-Power: Diese Allgäuerin kämpft für Gleichberechtigung im Alpenverein

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    Sie schätzt den Perspektivwechsel: Den Ausgleich zu langen Verbandstagungen sucht Ulrike Seifert in den Bergen.
    Sie schätzt den Perspektivwechsel: Den Ausgleich zu langen Verbandstagungen sucht Ulrike Seifert in den Bergen. Foto: Seifert

    Wer tiefere Einblicke in die Geschichte des Frauenbergsteigens bekommen möchte, dem rät Ulrike Seifert (63) zu Ausdauer und Spürsinn. Da wäre Kronprinzessin Marie von Hohenzollern, spätere Königin von Bayern. Die Adelige gilt als Pionierin des Alpinismus, stiftete 1844 den Alpenrosenorden zur Förderung der Bergsteigerei in ihrem Hofstaat.

    Seifert nennt viele andere Beispiele von Frauen, die sich in der Alpingeschichte und dem jahrzehntelang männlich geprägten Deutschen Alpenverein (DAV) hervorgetan haben, deren Wirken und Leistungen aber nur bruchstückhaft dokumentiert sind. „Es gibt noch so viel zu tun“, sagt die Kaufbeurerin. Sie steht seit Jahrzehnten wie keine andere ehrenamtliche Funktionärin für Gleichstellung und Familienbergsteigen im Alpenverein, der heuer 150 Jahre alt geworden ist.

    Seit 1991 ist Seifert Mitglied im DAV-Bundeslehrteam Familienbergsteigen, das sich in der Ausbildung rund um familienfreundliche Konzepte und Kursangebote engagiert. Sie leitete die Projektgruppe „Frauen im DAV“, die vor zehn Jahren in das Arbeitsfeld Ehrenamt überführt worden ist. Seifert bezeichnet das noch heute als „schweren, strategischen Fehler“. Auch als Mitglied im einflussreichen Präsidialausschuss Bergsport kennt sie den beschwerlichen Weg der Gleichstellung in einem Verein, der von Anfang an zwar Männern und Frauen offenstand, die Unterschiede aber immer betonte.

    Zur Person

    Ulrike Seifert (63) gehört der DAV-Sektion Kaufbeuren-Gablonz an und ist seit 1991 Mitglied im Bundeslehrteam Familienbergsteigen und im Präsidialausschuss Bergsport. Ämter hatte sie im Hauptausschuss, in den Projektgruppen „Frauen im DAV“ und „Gender Mainstreaming“. 2007 wurde sie mit dem Gleichstellungspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes, 2009 für ihre Verdienste um die Chancengleichheit und Familienpolitik im DAV mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die gelernte Erzieherin absolvierte 1969/70 als eine der damals wenigen Frauen die Ausbildung zur Fachübungsleiterin Skihochtour. Für Bündnis 90/Die Grünen sitzt sie im Kaufbeurer Stadtrat.

    So gab es bis 1960 die Ehefrauenmarke. „Damit durften Frauen auf Hütten günstiger übernachten, in den Sektionen hatten sie aber noch lange nichts zu melden“, sagt Seifert. Etliche Sektionen verwehrten Frauen noch bis in die 1990er Jahre hinein die Vollmitgliedschaft.

    „Vorbilder fehlen“

    43 Prozent der DAV-Mitglieder sind heute weiblich. Eine wunderbare Entwicklung nennt das Seifert. Einerseits. Andererseits: An der Spitze der Sektionen stehen nur neun Prozent Frauen als Vorsitzende. Und es gibt viele Familiengruppenleiterinnen, Schatzmeisterinnen und Schriftführerinnen. „Das Führungsmodell ist immer noch männlich“, sagt Seifert auch in einem Interview im heuer herausgegebenen DAV-Jubiläumsband. „Es fehlen einfach noch mehr Vorbilder.“

    Sie macht Frauen Mut, sich für Ämter zur Verfügung zu stellen, nicht in der zweiten Reihe stehenzubleiben und dem vermeintlich starken Geschlecht – wie so oft in den Bergen auch – die Führung zu überlassen. Gleichzeitig freut sie sich, dass die Hälfte der Familiengruppenleiter mittlerweile Männer sind – junge Väter, die Kinder betreuen, Windeln wechseln, Lieder singen. Aber ist das im Alltag auch so wie in den Kursen? „Das wäre schön“, sagt sie.

    Was Gender Mainstreaming im DAV und der von ihr favorisierte Perspektivwechsel bedeuten können, verdeutlicht Seifert gerne daran, dass mittlerweile auch sogenannte Routenschrauberinnen ausgebildet werden, die in den Kletterzentren Griffe und Tritte für die unterschiedlichen Kletterstile befestigen. Gut die Hälfte der Besucher dort sind heute Frauen, sagt Seifert – mit weniger Bizepskraft, aber besserer Bewegungstechnik. „Meist dominiert in den Hallen ja ein gorillaähnlicher Hangelstil“, sagt sie. Der weibliche Blick sei eben oft ein anderer. Deshalb bleibe sie auch eine Verfechterin der Quote – „denn ohne die Regeln und Strukturen zu verändern, kann man nichts bewirken“.

    Kritik an Rollenbildern

    Die ausgebildete Erzieherin will sich weiter um die Familienarbeit im Deutschen Alpenverein kümmern. Von Industrie und Politikern werden aus ihrer Sicht wieder viel zu oft rückwärtsgewandte Rollenbilder vermittelt. Das Familienbergsteigen müsse zudem politisch als Bildungsarbeit anerkannt und mit entsprechendem Fördergeld ausgestattet werden. Seifert möchte die Kleinkindpädagogik im Verband vorantreiben, für die es große Nachfrage gebe. „Wir brauchen Freiräume für Kinder in Natur und Gebirge“, sagt Ulrike seifert.

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