Eine Studie, die die Hochschule Kempten mit der Universität Passau veröffentlicht hat, sagt jetzt: Knapp 88 Prozent der Einheimischen stimmen der Aussage zu: "Das Allgäu braucht den Tourismus – weil viele Leute davon leben." Demnach fühlen sich aber auch rund 18 Prozent der Allgäuer von den Urlaubern gestört. Jeder Zweite will nicht noch mehr Gäste. Mehr zu den spannenden Ergebnissen hier. Professor Alfred Bauer, Dekan der Fakultät Tourismus-Management, hat nun die Ergebnisse an der Hochschule Kempten vorgestellt.
Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig der Tourismus für die Region sei, sagt Bauer. Insgesamt entstehe dadurch ein Bruttoumsatz von 3,1 Milliarden Euro. Davon profitierten vor allem das Gastgewerbe und der Einzelhandel. Der Tourismus schafft unter anderem Arbeitsplätze und Kultur- und Freizeitangebote. Zudem wird die Infrastruktur verbessert – die Lebensqualität steigt.
Die Wissenschaftler haben für die repräsentative Studie fast 2.000 Menschen aus der Region befragt. Dabei wird auch deutlich, in welchen Situationen sich die Allgäuer vom Tourismus gestört fühlen. Spitzenreiter ist mit knapp 57 Prozent der Straßenverkehr, dicht gefolgt von der Parkplatzsuche. Erst dann werden Skifahren und Bergwandern genannt.
Die Allgäuer schätzen den Tourismus. Die Frage, ob die Region künftig mehr Urlauber braucht, verneint allerdings fast jeder Zweite. „Es ist gut so, wie es ist“, sagt Professor Bauer. Diese Haltung sei über die Landkreise hinweg gleich. „Deshalb ist es so wichtig, die Bürger bei diesem Thema mitzunehmen“, betont der Professor.
Im vergangenen Jahr gab es laut des Tourismusverbands Allgäu/Bayerisch Schwaben 13,4 Millionen Übernachtungen im Allgäu. Das „Deutsche Wirtschaftliche Institut für Fremdenverkehr“ hat für 2016 errechnet, dass es in der Region etwa 36,5 Millionen Tagesgäste gibt. Dabei sind Einheimische, die etwa vom Unterallgäu nach Oberstdorf fahren, eingerechnet. Die Tagestouristen tragen laut Bauer auch zur Wirtschaft bei – jeder gibt fast 30 Euro pro Tag aus. Zum Vergleich: Bei einem Hotelgast sind es 118 Euro.
Was ist zu viel?
Das führt Alfred Bauer zu der Frage, ob der Tourismus im Allgäu zu viel geworden ist. Stichwort „Overtourism“ – also „Übertourismus“. „Das Thema ist sehr emotional und subjektiv“, sagt Bauer. Aus der Studie geht hervor, dass die Einheimischen sich durch den Tourismus nur an manchen Orten und nur zu bestimmten Zeiten belastet fühlen. Knapp 50 Prozent geben Schloss Neuschwanstein an. Bauer würde dabei aber nicht von „Overtourism“ sprechen, sondern vom klassischen Massentourismus.
Bei den Plänen am Grünten zeigt sich, brauchen wir das noch oder reicht es?Thomas Gehring, Vizepräsident des Bayerischen Landtags
Das Thema kam auch in der anschließenden Diskussionsrunde, die von AZ-Redaktionsleiter Ulrich Hagemeier moderiert wurde, zur Sprache. Warum es überhaupt so viele Menschen dorthin ziehe, wo schon viele andere sind, wollte er von Stefan Fredlmeier, Tourismusdirektor der Stadt Füssen, wissen. „Die haben Lust, genau das zu erleben, was sie erleben wollen“, sagt Fredlmeier. Das Problem sei, wenn ein Touristen-Spot irgendwann ein schlechtes Image erlange, der Gast dort nicht mehr hinfahren will. Dann entstehe eine negative Dynamik und „die wollen wir nicht“, sagt Fredlmeier.
Die Gefahr, dass die Stimmung kippt, sieht auch Grünenabgeordneter Thomas Gehring, Vizepräsident des Bayerischen Landtags: „Bei den Plänen am Grünten zeigt sich, brauchen wir das noch oder reicht es?“ Bauer sieht Chancen im naturverträglichen Tourismus. „Wenn wir zeigen, dass das funktioniert, lässt sich das auf andere Regionen übertragen“, sagt er.
