Kempten könnte zu einem Zentrum der Elektromobilität in Europa werden. Hans Jürgen Abt, Chef des Auto-Tuners Abt, entwickelt seit zehn Jahren mit seiner Firma Konzepte für batteriegetriebene Fahrzeuge. Jetzt geht er mit „Abt e-Line“ in Serie und produziert in einer Premium-Partnerschaft als bisher einziger Hersteller Nutzfahrzeuge auf Basis des VW-Caddy und VW-Bus T6.
Da es im Allgäu keine passenden Möglichkeiten gibt, werden die Caddys und Transporter in den Hallen der Firma Al-Ko in Günzburg gebaut. „An den zwei Produktionslinien können wir bis zu 10 000 Einheiten pro Jahr herstellen“, sagt Abt. Die Elektroautos sind aktuell zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Der Staat zahlt bis zu 6000 Euro „E-Prämie“ für den Kauf.
Abt versteht die Entwicklung der Elektroautos als logische Konsequenz der Firmengeschichte: „Wir sind seit 1896 innovativ. Viele kennen uns als Fahrzeugveredler, dabei sind wir schon immer Pioniere.“ Für Abt gelte der Leitsatz „Von der Rennstrecke auf die Straße“. So wie er vor 30 Jahren Rennautos mit Erdgas-Antrieb entwickelte, ist er heute eine feste Größe in der weltweit auftretenden Elektrorennserie Formel E. Der jüngste Spross, Daniel Abt (27), fährt zusammen mit Lucas di Grassi im sechsten Jahr zwischen Riad, Berlin und Santiago um die WM-Krone. 2016 wurde di Grassi Weltmeister.
Sein Software- und Performance-Ingenieur war damals Jens Häberle. Er sorgt inzwischen für die Transformation der Themen Zuverlässigkeit und Energie-Management in das neue Projekt und sagt: „Damit müssen Sie nie wieder an die Tankstelle.“ Der 35-jährige Allgäuer ist jetzt „Leiter Produktmanagement“ bei der „Abt e-Line“. Die Firma hat in Kempten 62 Mitarbeiter, davon zwei Drittel Ingenieure, die sich um die Serienproduktion der beiden Nutzfahrzeuge kümmern. Das Team verfügt über einige Berufserfahrung in Sachen Elektroantrieb, kommen die Mitarbeiter doch von Audi, Bentley oder BMW.
Seit 2009 wurde bei Abt Sportsline zusammen mit der Deutschen Post und der Hochschule an den Konzepten gearbeitet. „Die Frage war immer, wie können wir Elektromobilität alltagstauglich machen?“, sagt Häberle. Dazu wurde als Studie ein Audi RS 6-E mit 1018 PS gebaut.
Besonders für Kunden, die sich viel in Innenstädten bewegen, ist der Elektromotor eine echte Alternative. „Ohne Emissionen und mit einem geringen Geräuschpegel, aber mit gleichem Ladevolumen spielen elektrifizierte Fahrzeuge vor allem hier ihre Stärken aus“, sagt Abt. Als neuer strategischer Partner ist Schaeffler mit an Bord. Die Herzogenauracher Gruppe wird Technologiekompetenz einbringen sowie Lösungen rund um den elektrischen Antriebsstrang entwickeln. Beide Partner kennen sich aus der Formel E und von einem besonderen Weltrekord. In einer Co-Produktion wurden vier Formel-E-Elektromotoren in ein Sondermodell eingebaut. Mit 1200 PS an den Rädern fuhr Daniel Abt auf einem Testgelände in Papenburg 210 Stundenkilometer – aber im Rückwärtsgang.
Abt setzt auf deutsche Partner. Die Energiespeicher kommen von der Firma Handtmann in Biberach. „Wir geben eine Garantie von acht Jahren und 160 000 Kilometern auf die Batterie“, sagt Häberle. Die Reichweite des Transporters liegt aktuell bei 120 Kilometern – auch bei großer Zuladung und Allgäuer Wintertemperaturen. „Eine Schnellladung ist in 50 Minuten möglich.“ Nach Ende der Laufzeit werden die Batterien zu 98 Prozent recycelt. Ein entsprechender Vertrag mit Nickelhütte-Aue ist bereits unterzeichnet.