Der Landsknechtstross 1504 hat sich im Altstadtpark eingerichtet. Wer durch sein Lager schlendert, entdeckt etwa beim Schmied originalgetreues Handwerk aus dem 16. Jahrhundert und darf in Zelte schauen, um damalige Ausstattung zu entdecken. An die beginnende Neuzeit und das zentrale Jahr des deutschen Bauernkriegs erinnert das Fest rund um die Burghalde unter dem Titel „Der Große Kauf“. Unter grauem Himmel lassen sich viele Familien ein auf historische Spiele und Szenen. Moderne Gedanken gibt es bei mehreren Gelegenheiten zur Betrachtung von Freiheit, die 1525 Triebfeder war und heute ist.
Im Burgenmuseum steht die Rüstung eines namenlosen Ritters. Wie er heißen soll, ist dort ein Thema. „Rost natürlich“, kommt oft von den kleinen Mittelalter-Fans. Einen Helm aufsetzen und sich gegenseitig drauf klopfen, ist ein Spaß für Mädchen und Buben. Im Kegeln versuchen sie sich genauso wie im Armbrustschießen. In der Backecke kosten Jung und Alt, wie früher Brot geschmeckt hat. Am Nachbau einer Presse werden die Anfänge des Buchdrucks lebendig.

Während die Kinder den Spielplatz oberhalb der Freilichtbühne erobern, setzen sich die Erwachsenen mit dem „Wortaufstand“ auseinander. Unter diesem Titel treffen Poetry Slam und Schauspiel zusammen und servieren mal bissige, mal nachdenkliche Texte etwa von Hesse oder aus der eigenen Feder. Da ist auch mal von „Hanswursten“ die Rede – schon bei Luther erwähnt. Die Künstler entdecken manchen Nachfahren des Tölpels heute in Präsidentenämtern in Übersee wie in Bayern.
Der Freiheitsbegriff unterliegt seit Jahrhunderten einem stetigen Wandel
Wie sich der Freiheitsbegriff in 500 Jahren einerseits gewandelt hat, andererseits ungebrochen aktuell ist, erörtert ein Podium im Reglerhaus. Historikerin Birgit Kata ordnet beispielsweise ein, dass sich Bauern in Süddeutschland schon 1492 an den Kaiser gewandt hatten, um der Willkür des Fürstabts von Breitenstein zu entrinnen: „Den Leibeigenen ging es um Gerechtigkeit im Sinne der göttlichen Ordnung, aber auch um Heirats- und Erbschaftsfragen.“

Theaterwissenschaftler Harald Holstein moderiert und will von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen, was sie im Hier und Jetzt mit Freiheit verbinden und wo es Defizite gibt. Für die evangelisch-lutherische Kirche sind Dekanin Dorothea Löser und Pfarrerin Andrea Krakau dabei. Pfarrer Rupert Ebbers bringt die katholische Sichtweise ein. Oberbürgermeister Kiechle spricht bereits mittags bei der Eröffnung in der Rolle des Bürgermeisters Gordian Seuter über dessen Ziele 1525 – in der Diskussion legt auch er dar, was ihn heute rund um „Freiheit“ bewegt.
Für die Freiheit ist Einsatz gefordert, sie will verteidigt sein
„Ich denke vor allem an die Freiheit, dass mir niemand vorschreiben kann, wofür ich mich einsetze“, sagte Kiechle. Deutschland habe sich besonders schwer getan, demokratische Strukturen zu entwickeln. Jetzt merke man wieder, dass die freiheitliche Grundordnung von innen und außen gefährdet sei. Jeder und jede einzelne sei gefordert, sie zu verteidigen, nicht wie in anderen Staatsformen, in denen einer sagt, worauf es ankommt.
Den Mut, sich gegen menschenunwürdiges Handeln einzusetzen, müsse man trainieren, stimmte Dekanin Löser zu. Freiheit sei nicht der leichteste Weg, fordere Verantwortung. Und „Gesetze sichern Freiheit. Ich wollte nicht leben in einer Welt, in der niemand das Eigentum des anderen achtet.“ Mit der Achtung der zehn Gebote gelinge es auch, frei zu leben, ohne die Freiheit anderer zu beeinträchtigen.
Rechte unterliegen nach wie vor einem Prozess
Freie Berufswahl, als Frau, sogar als Pfarrerin in ihrer Kirche ist für Andrea Krakau eine Errungenschaft. Auch die freie Partnerwahl nennt sie. Aber es gelte, genau hinzuschauen, diese Rechte unterlägen nach wie vor einem Prozess. Es sei nicht so lange her, dass Männer bestimmten, ob eine Frau den Führerschein machen darf, oder ob sie einem Beruf nachgeht.
„Innere Freiheit brauche ich für mich“, sagte Pfarrer Ebbers, und das wolle er als Religionslehrer auch an den Schulen vermitteln. Gott wolle alle an seiner absoluten Freiheit teilhaben lassen. Menschen dürfe man nicht einengen. „Da gibt es in der Kirche noch Luft nach oben“, spielte er darauf an, dass 50 Prozent der Katholisch-Gläubigen keinen Zugang zu kirchlichen Ämtern haben: „Dagegen sage ich etwas, nicht nur als Lehrer.“
Einig sind sich die Rednerinnen und Redner, dass vorurteilsfreie Begegnungen und Miteinander die Freiheit stärken. Gemeinsames Eintreten für Grundwerte, Schutz der Schwächeren, Bildung und Bewusstsein nenne sie als Stützen der Demokratie.
Abends beschloss ein Konzert im Künstlerhaus das Fest zum Großen Kauf vor 500 Jahren, dem Aufbruch in ein freieres Leben im Allgäu. Rainer von Vielen und Mitsch Oko traten als Duo auf – auch zwei Allgäuer Freigeister.

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