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Hoher Eigenanteil an der Pflege: Wird sie durch Kostenexplosion zum "privaten Risiko"?

Gesundheit

Hoher Eigenanteil an der Pflege: Wird sie durch Kostenexplosion zum "privaten Risiko"?

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    Pflege im Heim: Immer mehr Deutsche sind im täglichen Leben auf Unterstützung angewiesen.
    Pflege im Heim: Immer mehr Deutsche sind im täglichen Leben auf Unterstützung angewiesen. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)

    Der demografische Wandel in Deutschland ist bekannt. Laut Statistischem Bundesamt entfielen im Jahr 2022 in der Bundesrepublik auf 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahren etwa 37 Personen im Alter ab 65 Jahren. Hierbei wird vom Altenquotient gesprochen, der seit 1991 fast durchgängig ansteigt.

    Das hat auch mit der höheren Lebenserwartung zu tun. Festzuhalten bleibt damit aber auch: Immer mehr Menschen werden pflegebedürftig. Eben vor allem wegen des erreichten Alters.

    Aber nicht nur die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, sondern trotz erhöhter Zuschüsse auch der Eigenanteil bei der Unterbringung in einem Pflegeheim – was Kritik hervorruft. Die Pflege muss man sich also heutzutage erst einmal leisten können.

    Pflege in Deutschland: Welche Leistungen gibt es?

    Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verweist auf die Pflegeversicherung, deren Leistungen individuell auf die Bürgerinnen und Bürger zugeschnitten sind. Darüber hinaus gibt es die Optionen, Pflegesachleistungen oder Pflegegeld zu beantragen. Außerdem können Tages- oder Nachtpflege, aber auch Kurzzeit- oder Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden.

    Angehörige, die für die Pflege aufkommen, werden demnach sozial abgesichert und können zeitweise von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt werden, ohne finanzielle Nachteile fürchten zu müssen. Führt jedoch kein Weg an der Unterbringung in einem Pflegeheim vorbei, übernimmt die Pflegeversicherung anteilig die Kosten – die Höhe hängt vom Pflegegrad ab.

    Pflege in Deutschland: Wie hoch fallen die Zuschüsse für eine Unterbringung in einem Heim aus?

    Die Leistung zur vollstationären Pflege wurde zum 1. Januar 2025 um 4,5 Prozent erhöht. Pflegebedürftige im Pflegeheim können laut dem BMG nun je nach Pflegegrad diese Leistung bekommen:

    Die Leistung dient allerdings nur, um die Pflegekosten und nicht die gesamten Kosten im Pflegeheim zu decken. Reicht das Geld nicht aus, wird der Restbetrag auf den ohnehin schon zu zahlenden Eigenanteil angerechnet. Der Eigenanteil ist für die Pflegegrade 2 bis 5 einheitlich und unterscheidet sich lediglich von Einrichtung zu Einrichtung. Das BMG verweist darauf, dass „die Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Investitionen und Komfortleistungen je nach Pflegeheim sehr unterschiedlich ausfallen können“.

    Damit die Pflegebedürftigen finanziell nicht überfordert werden, zahlt die Pflegeversicherung seit Januar 2022 auch einen „Leistungszuschlag zum pflegebedingten Eigenanteil der pflegebedürftigen Person, der mit der Dauer der vollstationären Pflege steigt“. Diese sind zum 1. Januar 2024 gestiegen:

    • 15 Prozent des pflegebedürftigen Eigenanteils im ersten Jahr
    • 30 Prozent des pflegebedürftigen Eigenanteils im zweiten Jahr
    • 50 Prozent des pflegebedürftigen Eigenanteils im dritten Jahr
    • 75 Prozent des pflegebedürftigen Eigenanteils im vierten Jahr

    Pflege in Deutschland: Wie entwickelt sich der Eigenanteil?

    Der Verband der Ersatzkassen (vdek) hat die Eigenanteile für Pflegebedürftige in der stationären Pflege für Anfang 2024 mit denen aus dem Vorjahr verglichen. Zwar ist eine Steigerung festzustellen, doch fällt diese geringer aus als im Vorjahreszeitraum. Der sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) ist demnach um 238 Euro auf 1377 Euro gestiegen, werde „durch die Erhöhung der Zuschüsse aber erheblich abgefedert“.

    Bei den Kosten für Unterkunft und Verpflegung wurde ein Anstieg um 64 Euro monatlich auf 921 Euro registriert, die Investitionskosten erhöhten sich um 13 Euro auf 485 Euro. Die gesamte finanzielle Eigenbeteiligung für Pflegebedürftige im Pflegeheim ist von 2023 auf 2024 damit wie folgt gestiegen:

    • um 165 Euro auf 2576 Euro im ersten Aufenthaltsjahr
    • um 187 Euro auf 2370 Euro im zweiten Aufenthaltsjahr
    • um 140 Euro auf 2095 Euro im dritten Aufenthaltsjahr
    • um 79 Euro auf 1750 Euro ab dem vierten Aufenthaltsjahr

    „Die Erhöhung spiegelt die gestiegenen Personal- und Sachkosten wider“, hält die vdek-Vorsitzende Ulrike Elsner dazu fest und nimmt auch die Länder in die Pflicht: „Würden die Bundesländer ihr politisches Commitment halten und die Investitionskosten übernehmen, würden die Pflegebedürftigen um aktuell 485 Euro monatlich entlastet.“

    Auch 2025 ist der Eigenanteil im Pflegeheim im Vergleich zu 2024 laut dem vdek wieder gestiegen und kratzt im ersten Aufenthaltsjahr nun an der 3000-Euro-Marke:

    Januar 2024Januar 2025Kostensteigerung
    EEE1507 Euro1760 Euro253 Euro
    Unterkunft und Verpflegung921 Euro990 Euro69 Euro
    Investitionskosten485 Euro498 Euro13 Euro
    Eigenanteil ohne Zuschläge2913 Euro3248 Euro335 Euro
    Eigenanteil im 1. Jahr2687 Euro2984 Euro297 Euro
    Eigenanteil im 2. Jahr2461 Euro2720 Euro259 Euro
    Eigenanteil im 3. Jahr2160 Euro2368 Euro208 Euro
    Eigenanteil ab dem 4. Jahr1783 Euro1928 Euro145 Euro

    Pflege in Deutschland: Was sagen Experten zum hohen Eigenanteil?

    Deutliche Kritik äußerte schon 2024 VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Die gestiegenen Zuschüsse kosten die Pflegeversicherung jährlich über fünf Milliarden Euro, ohne dass der Eigenanteil der Pflegehaushalte sinkt“, moniert die zwölfmalige Paralympics-Siegerin und legt nach: „Ein monatlicher Eigenanteil im ersten Jahr von rund 2500 Euro karikiert den Begriff Versicherung.“

    Sie fordert ein Umdenken der Entscheidungsträger, denn: „Durch die Kostenexplosion wird Pflege immer weiter zu einem privaten Risiko – und die Politik sieht zu und steuert nicht ausreichend dagegen. Die immer weiter ansteigenden Eigenanteile werden unweigerlich wieder auf den Staat zurückfallen: nämlich dann, wenn die betroffenen Menschen Sozialhilfe, und damit eine steuerfinanzierte Leistung beantragen.“

    Vor der Entwicklung warnte auch Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege am Wissenschaftlichen Institut der AOK. „Schon jetzt ist absehbar, dass die Kosten für die Pflege im Heim weiter steigen werden“, warnt die Pflegewissenschaftlerin, die etwa auf gestiegene Lohnkosten verweist.

    Weiter betonte sie: „Wenn man von einer im Vergleich zu den Vorjahren eher moderaten Steigerung der Eigenanteile um zehn Prozent ausgeht, werden die Eigenanteile bereits 2025 trotz der beschlossenen Erhöhungen der Zuschläge und der Dynamisierung der Leistungssätze wieder über dem Niveau von 2023 liegen.“

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