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TV-Talkmaster und Aktivist Raúl Aguayo-Krauthausen spricht in Memmingen über Inklusion.

Bekannt aus der TV-Talkshow „Krauthausen – Face to Face“

Prominenter Aktivist in Memmingen: „Inklusion ist die Annahme und Bewältigung von menschlicher Vielfalt“

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    Inklusionsaktivist Raúl Aguayo-Krauthausen aus Berlin erweist sich im  Antoniersaal in Memmingen als exzellenter Redner mit Humor.
    Inklusionsaktivist Raúl Aguayo-Krauthausen aus Berlin erweist sich im Antoniersaal in Memmingen als exzellenter Redner mit Humor. Foto: Harald Holstein

    Seit 25 Jahren ist Raúl Aguayo-Krauthausen aus Berlin Aktivist und setzt sich intensiv für die Belange von Behinderten und für Menschenrechte ein. Nun präsentierte der kleinwüchsige Mann, der vielen aus seiner Talkshow „Krauthausen – Face to Face“ auf Sport 1 bekannt ist, sein 2023 veröffentlichtes Buch mit dem provokanten Titel: „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden.“ Das Interesse im voll besetzten Antoniersaal an seiner Lesung und der anschließenden Gesprächsrunde mit geladenen Gästen war groß. Für Beeinträchtigte gab es zwei Dolmetscherinnen, die das Gesprochene in Gebärdensprache übersetzten.

    Das sagt das Grundgesetz über Menschen mit Behinderung

    In ihrer Einführung bezog sich Inge Oberst von der Lebenshilfe Memmingen einen Bezug auf die 12 Artikel von 1525 und wies auf Artikel 3 im Grundgesetz hin, in dem es explizit heißt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

    Was bedeutet Inklusion für Raúl Krauthausen?

    Raúl Aguayo-Krauthausen erwies sich als exzellenter Redner mit Humor und zog es vor, lieber frei zu sprechen, als nur vorzulesen. In klaren und direkten Worten sprach er an, dass es nicht ausreicht, nur ein bisschen Platz für Behinderte zu machen. Er forderte eine konsequente Gestaltung von Gesellschaft und Umwelt, in der jeder sein kann, wie er ist, ohne sich anpassen oder beweisen zu müssen. Was für ihn Inklusion ist, definierte er mit einem Zitat eines Lehrers der Fläming-Grundschule, die er in Berlin besuchte: „Inklusion ist die Annahme und Bewältigung von menschlicher Vielfalt.“ Für ihn heiße das allerdings, wir werden Kompromisse finden und die Komfortzone verlassen müssen, sagt der 45-Jährige.

    Alle Kinder sollen miteinander aufwachsen

    Kinder müssten die Gelegenheit bekommen, mit beeinträchtigten Kindern aufzuwachsen. Behinderte Kinder sollten nicht in Sonderschulen aussortiert werden. Ein Lernen in der Mischung mit eingeschränkten Kindern sei laut neuesten Erkenntnissen für alle am Fruchtbarsten. Er nannte beispielhaft eine Schule, die sogar soweit geht, Kinder aufzunehmen, die jung sterben werden. Der Tod gehöre zum Leben, den dürfe man nicht ausschließen, auch wenn er schmerzhaft sei und Eltern und Lehrpersonal lernen müssen, damit umzugehen.

    Diesen Satz lehnt Raúl Krauthausen strikt ab

    Den oft gehörten Satz „Man müsse zuerst Barrieren im Kopf senken“ lehnte er strikt ab. Für ihn ist er ohne Konsequenz und führt zu nichts. Er möchte, dass gehandelt wird. Da dürften auch knappe Kassen keine Ausrede sein. Da für ihn Inklusion in der Kindheit anfangen soll, forderte er die Errichtung von konsequent barrierefreien Spielplätzen. Als Stätte der Begegnung ebneten sie den Weg zu einem selbstverständlichen Umgang. „Jemanden so normal wie möglich zu behandeln, ist schon 90 Prozent der Arbeit“, sagte der Berliner. Er wünscht sich nach einem kanadischen Vorbild bessere soziale Netzwerke aus guter Nachbarschaft. Dabei hätten Menschen mehr Aufmerksamkeit für Behinderte und selbst der Bäcker und die nähere Umgebung denken und helfen mit.

    Was Freiheit für jeden in der Gesprächsrunde bedeutet

    In der Gesprächsrunde mit fünf Gästen stellte Moderatorin Regina Stroll von der Beratungsstelle Offene Behindertenarbeit Regens Wagner die Frage „Was heißt Freiheit für Sie?“ Marcel Scheller vom Selbstvertretungskreis Regens Wagner fühlt sich dann frei, wenn er seine Stärken und Schwächen ausleben kann. Für die Stadträtin und Vorsitzende des Behindertenbeirats Verena Gotzes und für Frank Reinel von der Vereinigung Kommunaler Interessensvertreter für die Belange von Menschen mit Behinderung in Bayern bedeutet Freiheit Selbstständigkeit im Leben und überall dabei sein zu können, ohne Anfragen machen oder Vorkehrungen treffen zu müssen. Für Raúl Aguayo-Krauthausen ist Freiheit ein Leben, ohne Bitte und Danke sagen zu müssen. Vor allem solle die Freiheit der eigenen Wohnung gerade für Hilfebedürftige unangetastet bleiben. Datenschutz dürfe nicht über die Verwendung von virtuellen Sprachassistenten gestellte und wie in einem geschilderten Fall verboten werden.

    Dieses Thema wird kontrovers diskutiert

    Die Vorsitzende des Behindertenbeirats Verena Gotzes plädierte für die Aufwertung des Ehrenamtes und forderte mehr Aktivität von der Politik, endlich das umzusetzen, was schon lange beschlossen ist. Kontrovers wurde die Ausrichtung von Werkstätten diskutiert. Der Geschäftsführer der Unterallgäuer Werkstätten Ludger Escher sieht nicht die Möglichkeit für einen Mindestlohn, auch wenn die Werkstätten Leistungen erbringen, die sonst keiner leisten könne. Nach der Feststellung aus dem Publikum, dass jegliche Hilfe zu einhundert Prozent abgesichert und geprüft sein muss, apellierte Raúl Aguayo-Krauthausen zum Schluss: „Lasst uns die Freiheit, etwas auszuprobieren!“

    Das Buch: Raúl Aguayo-Krauthausen: „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden.“ Verlag: Rowohlt Polaris, 2023, 240 Seiten, 18 Euro.

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