Der in Österreich seit rund zwei Jahren praktizierte Abschuss bestimmter Wölfe erfährt heftigen juristischen Gegenwind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte heute in einem Urteil, das Wolfsjagdverbot sei auch in Österreich gültig. Das könnte auch für Bayern und damit für das Allgäu Folgen haben.
"Eine Ausnahme von diesem Verbot zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden kann nur gewährt werden, wenn sich die Wolfspopulation in einem günstigen Erhaltungszustand befindet, was in Österreich nicht der Fall ist", erklärte das Gericht in Luxemburg. Der Wolf sei - unbeschadet von Ausnahmeregelungen in anderen Ländern - durch die Flora-Fauna-Habitat- Richtlinie (FFH) streng geschützt.
Das Gericht urteilte im Fall eines sogenannten Schadwolfs, der im Bundesland Tirol rund 20 Schafe gerissen haben soll und zum Abschuss freigegeben worden war.
In einer ersten Reaktion erklärte der Tiroler Landesagrarminister Josef Geisler (ÖVP), dass der Richterspruch keine unmittelbaren Auswirkungen habe, er bringe "aber leider auch keine Erleichterungen". Die Abschussverordnungen hätten sich bewährt. "Unter Anlegung eines strengen Prüfmaßstabes können wir weiterhin Schad- und Risikowölfe entnehmen." Die Verordnungen seien Einzelfallentscheidungen, die auch die Besonderheiten der Almwirtschaft berücksichtigten.
Bisher 20 Wölfe in Österreich abgeschossen
Nach einer Übersicht des Österreichzentrums Bär, Wolf Luchs sind seit dem vergangenen Jahr in der Alpenrepublik insgesamt 20 Schad- und Risikowölfe geschossen worden. Bei den Schadwölfen handelt es sich um Tiere, die zuvor meist Schafe gerissen hatten. Ein Risikowolf ist ein Tier, das sich menschlichen Siedlungen nähert und sich nicht vergrämen lässt.
Die Entscheidung verdeutlicht aus Sicht des Landes Tirol, dass es bei der FFH-Richtlinie großen Änderungsbedarf gibt. "Wir fordern die EU-Kommission und das Europäische Parlament auf, den Schutzstatus zu senken und erwarten uns hier mehr Tempo. Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht und gehört reguliert wie jedes andere Wildtier auch", sagte Geisler.
Experte: Folgen über Österreich hinaus
Das Urteil hat nach Auffassung des Juristen Jochen Schumacher vom Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen über Österreich hinausgehende Folgen. Es habe Auswirkungen auf alle EU-Mitgliedsstaaten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Hürden für einen Abschuss seien noch einmal präzisiert worden. In Österreich müsse nun für jede einzelne Alm vor Ort geprüft werden, ob ein Schutz zum Beispiel durch Hirten oder Zäune möglich sei. "Die derzeitige Praxis, anhand von Kriterien pauschal die Almen als nicht schützbar einzustufen, ist mit der FFH-Richtlinie jedenfalls nicht vereinbar", sagte Schumacher.
Seit 1. Mai 2023 gilt auch in Bayern eine Wolfsverordnung, die den Abschuss von Wölfen erleichtert, die eigentlich streng geschützt sind. Der umstrittenen bayerischen Regelung zufolge dürfen Wölfe unter bestimmten Bedingungen auch abgeschossen werden "zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden" - dies zielt konkret auf die Alm- und Weidewirtschaft in den bayerischen Alpen. Nächste Woche befasst sich der Verwaltungsgerichtshof in München mit der bayerischen Regelung. Deren Vorbild war die aus Österreich.