Zum besseren Kampf gegen die Pandemie wollen die Finanz- und Gesundheitsminister der großen Industrieländer (G20) eine gemeinsame Arbeitsgruppe einsetzen. Das geht aus einem Entwurf des Kommuniqués zum Abschluss ihres Treffen an diesem Freitag in Rom hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das neue Gremium soll "den Dialog und die globale Kooperation verbessern", heißt es in dem Entwurf für die Beratungen vor dem G20-Gipfel am Wochenende.
Kritiker: "Club der Reichen"
Die Pläne der G20 stießen auf Kritik von Entwicklungsorganisationen, die von einem "Country-Club der Reichen" sprachen. Das Vorhaben schwäche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und "stellt den Multilateralismus kalt", indem ärmere Länder nicht beteiligt würden. "Was wir brauchen, ist eine stärkere WHO, die 2020 in den Spannungen zwischen ihren Mitgliedern ausgeschlossen wurde und jetzt geschwächt ist", kritisierte Oxfam die Pläne.
Wie aus dem Textentwurf hervorging, sollen in der Arbeitsgruppe der "Austausch von Erfahrungen und vorbildliche Vorgehensweisen gefördert", die Koordinierung zwischen Finanz- und Gesundheitsministerien entwickelt und Optionen für strukturiertere Vereinbarungen erkundet werden. Den Vorsitz des Gremiums, das Ende November erstmals zusammenkommen soll, werden die jetzige G20-Präsidentschaft Italien und Indonesien als nächste übernehmen.
Ein ständiges Sekretariat, das in Zusammenarbeit mit der Weltbank bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ansässig sein soll, soll den Vorsitz unterstützen. Im Konsens mit den Staaten der G20-Gruppe soll die Einbeziehung von Nicht-Mitgliedern sowie regionaler Gremien oder internationaler Organisationen erwogen werden, heißt es weiter..
Das soll die Arbeitsgruppe tun
Die Arbeitsgruppe soll sich mit besonders gefährdeten Staaten, regionalen Organisationen, Zivilgesellschaft, Hochschulen und dem Privatsektor austauschen, so der Entwurf. Das Gremium soll die wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen der Covid-19-Pandemie angehen, wie beispielsweise den Zeitplan für die Lieferungen von Impfstoffen nach den WHO-Zielen verfolgen.
Die Minister bekennen sich in dem Textentwurf zu dem Ziel der WHO, bis September 2022 eine Impfrate von 70 Prozent in allen Ländern zu erreichen. Auch wird in den nächsten zwölf Monaten ein Minimum von 100 Corona-Tests täglich auf eine Bevölkerung von 100 000 angestrebt, wobei anerkannt wird, dass das weit unter dem Niveau in reichen Länder liegt.
Biden vor G20-Gipfel beim Papst
Unterdessen wird US-Präsident Joe Biden vor seinem ersten G20-Treffen am Freitag eine Audienz bei Papst Franziskus haben und sich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron treffen. Bei dem Gespräch mit Macron soll es um die Beilegung des Streits um ein neues Sicherheitsbündnis der USA im Südpazifik gehen, das Frankreich ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Australien gekostet hat. Das hatte zu wütenden Reaktionen in Frankreich geführt und Zweifel an der Verlässlichkeit der transatlantischen Partnerschaft genährt.
Der erste G20-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsmächte aller Kontinente beginnt am Samstag. Am Rande der zweitägigen Konferenz wird Biden auch die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen, die in Rom und beim anschließenden Weltklimagipfel in Glasgow Abschied von der großen Weltbühne nimmt. Begleitet wird die nur noch geschäftsführende Kanzlerin in Rom von ihrem ebenfalls nur noch geschäftsführenden Finanzminister - und wahrscheinlichen Nachfolger - Olaf Scholz, der schon am Freitag anreist.
Merkel kommt mit Scholz zum G20-Gipfel
Möglicherweise werden die beiden am Rande des Gipfels auch Treffen mit anderen Staats- und Regierungschefs zusammen haben, was es aber auch früher schon hin und wieder gegeben hat. "Das hat natürlich eine besondere Signalwirkung", heißt es zu dem gemeinsamen Auftritt in Regierungskreisen. Man wolle damit Kontinuität in der deutschen Außenpolitik beweisen.
Bevor Merkel zum ersten Mal das G20-Parkett im Kongresszentrum La Nuvola am Rande Roms betritt, gehört die volle Aufmerksamkeit dem zweiten Europabesuch Bidens als US-Präsident. Das Treffen mit dem Papst ist ein ganz besonderer Termin für Biden. Der 78-Jährige, der regelmäßig in die Kirche geht, gilt als gläubiger Katholik. Er ist erst der zweite katholische Staatschef in der Geschichte der Vereinigten Staaten nach John F. Kennedy. Biden wird von seiner Ehefrau Jill zum Papst begleitet. Im Vatikan soll es nach Angaben des Weißen Hauses unter anderem um die Bewältigung der Corona-Pandemie, den Klimawandel und die weltweite Bekämpfung der Armut gehen.
Kommt das Thema Abtreibung zur Sprache?
Unklar blieb, ob auch das umstrittene Thema Abtreibung zur Sprache kommen wird. Bidens Regierung unterstützt das Recht auf Abtreibung, was im Widerspruch zur Position der katholischen Kirche steht. Einzelne US-Bischöfe hatten daher gefordert, Biden von der Kommunion auszuschließen. Der Papst mahnte daraufhin, Bischöfe sollten Seelsorger sein und nicht Politiker. Er habe noch niemandem die Kommunion verweigert, sagte Franziskus im September.
Beim G20-Gipfel am Wochenende geht es dann um folgende Themen:
- Klimaschutz: Das wird das Thema Nummer eins der G20 sein. Am zweiten Gipfeltag beginnt in Glasgow parallel die Weltklimakonferenz. Dort soll beraten werden, wie das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die gefährliche Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die G20-Staaten spielen dabei die entscheidende Rolle, weil sie für mehr als drei Viertel der Emissionen verantwortlich sind.
- Pandemiebekämpfung: "Niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind", betonen Virologen und auch Politiker immer wieder. Entwicklungsorganisationen kritisieren, dass in den Industrieländern laut Daten internationaler Organisationen bereits rund 60 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft seien - während es in den ärmeren Ländern nur rund vier Prozent seien. Das Versprechen einer fairen Verteilung der Impfstoffe sei nicht gehalten worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Ziel ausgegeben, bis Mitte 2022 mindestens 70 Prozent der Weltbevölkerung zu impfen.
- Iran: Biden wird voraussichtlich mit Merkel, Macron und dem britischen Premierminister Boris Johnson am Samstag am Rande des Gipfels darüber beraten, wie das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe gerettet werden kann. Bidens Vorgänger Trump war aus dem Abkommen ausgestiegen, während die drei europäischen Länder es zu retten versuchten.
- Türkei: Kanzlerin Merkel wird zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Wochen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen. Dabei dürfte es vor allem um die gerade noch so abgewendete diplomatische Krise um den seit vier Jahren inhaftierten Unternehmer und Menschenrechtler Osman Kavala gehen. Erdogan hatte den Botschaftern Deutschlands und neun anderer westlicher Länder Einmischung in innere Angelegenheiten vorgeworfen und ihnen mit Ausweisung gedroht. Eine von Erdogan als Einlenken gewertete Erklärung einzelner Botschafter verhinderte den Eklat noch.
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