Sputnik V, der Corona-Impfstoff aus Russland, ist in der EU oder in Deutschland noch gar nicht zugelassen. Trotzdem hat sich Bayern bereits Millionen Dosen des Mittels gesichert - und will den Stoff beim Pharmakonzern R-Pharm in Illertissen bei Ulm produzieren lassen.
Was ist Sputnik V genau? Wie gut wirkt der Corona-Impfstoff aus Russland, wie funktioniert er? Und welche Nebenwirkungen hat Sputnik V?
Wie funktioniert der Corona-Impfstoff Sputnik V?
Sputnik V wurde vom staatlichen Gamaleja-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelt und ist sogenannter Vektorimpfstoff - also dem Impfstoff von Astrazeneca ähnlich. Um die Informationen in den Körper zu schleusen, nutzen beide abgeschwächte, harmlose Viren. "Diese Adenoviren können sich nicht vermehren und verursachen keine Krankheit", so das Paul Ehrlich-Institut.
Ziel ist es, das Immunsystem dazu zu bringen, Abwehrreaktionen gegen Sars-CoV-2 hervorzurufen. Bei Kontakt mit dem Coronavirus ist der Körper dann vorbereitet und kann die Infektion besser eindämmen.
Wie oft muss man mit Sputnik V geimpft werden?
Verabreicht wird der russische Impfstoff in zwei Dosen im Abstand von 21 Tagen.
Welche Nebenwirkungen hat Sputnik V?
Zu den bekannten Nebenwirkungen zählen
- Schmerzen an der Einstichstelle
- Kopf- und Gliederschmerzen
- Abgeschlagenheit und teils grippeähnlichen Symptome
- Fieber und Schüttelfrost.
Wie gut ist Sputnik V?
In einer "Zwischen-Analyse" der wichtigen Testphase III mit rund 20.000 Freiwilligen kamen russische Forscher auf eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent. Die Ergebnisse wurden Anfang Februar 2021 ebenfalls im medizinischen Fachblatt "The Lancet" publiziert. Sie decken sich mit früheren Angaben.
Eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent bedeutet, dass in der geimpften Gruppe 91,6 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als in der Kontrollgruppe.
„Das ist ein guter Impfstoff, der vermutlich auch irgendwann in der EU zugelassen wird. Die russischen Forscher sind sehr erfahren mit Impfungen. Sputnik V ist clever gebaut“, sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Thomas Mertens, bereits Anfang März in einem Zeitungsinterview.
Ist Sputnik V besser oder schlechter als Biontech, Moderna oder Astrazeneca?
Sputnik V hat etwa die gleiche Wirksamkeit wie die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer und eine deutlich höhere als das Mittel von Astrazeneca. Nach Darstellung der Moskauer Behörden funktioniert Sputnik V auch bei der ansteckenderen Variante B.1.1.7. Der Impfschutz war 21 Tage nach der zweiten Impfung aufgebaut.
Welche Zweifel haben Wissenschaftler?
Für den ersten Platz bei der Impfstoff-Freigabe hagelte es für Russland international Kritik. Wissenschaftler beklagten vor allem das Fehlen schlüssiger Daten. Grund ist, dass die Zulassung vor dem Vorliegen der Ergebnisse sogenannter Phase-III-Studien stattfand. Das widerspricht dem üblichen Ablauf. Denn in der Prüfung mit mehreren Tausend Probanden könnten seltene Nebenwirkungen erkannt werden, heißt es beim Paul-Ehrlich-Institut.
Erste Details zu Sputnik V veröffentlichten die Forscher Anfang September 2020 in der Fachzeitschrift "The Lancet". Demnach regt der Impfstoff eine Immunantwort an. Bei insgesamt 76 Teilnehmern konnten in der Testphase I/II Antikörper gegen das Virus nachgewiesen werden. Es folgte wieder Kritik am Vorgehen Russlands, aber auch Aufatmen: Das nun vorliegende Ergebnis sei eindeutig. Das wissenschaftliche Prinzip der Impfung sei aufgezeigt worden, sagte Forscherin Polly Roy von der London School of Hygiene & Tropical Medicine dem Fachblatt "The Lancet".

Welche politischen Bedenken gibt es?
Russland gab bereits Mitte August 2020 mit Sputnik V den weltweit ersten Corona-Impfstoff für eine breite Anwendung in der Bevölkerung frei. "Impfen ist immer auch Politik, es geht nie nur um medizinische Fragen", sagt Historiker Malte Thießen, der sich mit der Geschichte der Immunisierung seit der ersten Pocken-Impfung beschäftigt. Er spricht von Vorbehalten im westlichen Teil der EU. Die Vergiftung von Kremlkritiker Alexej Nawalny dürfte für manchen Bürger zudem ein Grund sein, sich kein Produkt aus Russland injizieren lassen zu wollen. Den Namen Sputnik für einen Impfstoff zu wählen, sei bereits eine "Propaganda erster Klasse", so Thießen.
Sputnik 1 hieß der weltweit erste gestartete Satellit, mit dem die Sowjetunion 1957 die westliche Welt schockierte.
Hat Deutschland Erfahrungen mit russischen Impfstoffen?
Russland habe eine "ausgezeichnete Tradition" bei der Herstellung und Anwendung von Impfstoffen, lobt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zur Anwendung kamen diese auch in der DDR. Die Bürger mussten bis zur Volljährigkeit insgesamt 17 Pflichtimpfungen absolvieren, erklärt Historiker Thießen. Ab den 1950er-Jahren seien die Impfstoffe zunächst aus der Sowjetunion gekauft worden, später habe die DDR selber produziert - "allerdings nach sowjetischer Vorlage".
Eine Erfolgsgeschichte wurde mit dem Einsatz des Polio-Impfstoffs gegen Kinderlähmung geschrieben. "Bei dem Wettrennen war die DDR dem Westen Deutschlands einen Schritt voraus", so Thießen. Dank der Impfung ging die Zahl der Erkrankten im Osten ab den 1960er-Jahren stark zurück. Daran erinnerte auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), als er jüngst für den russischen Corona-Impfstoff warb.
Quellen: Paul-Ehrlich-Institut, RKI, The Lancet, dpa