Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Taliban stehen vor Kabul - Bundeswehr bereitet Evakuierung vor

Afghanistan

Taliban stehen vor Kabul - Bundeswehr bereitet Evakuierung vor

    • |
    • |
    Taliban-Kämpfer sitzen auf der Ladefläche eins Pick-ups. Die militant-islamistischen Taliban setzen ihren Vormarsch in Afghanistan fort und rücken dabei immer näher an die Hauptstadt Kabul heran.
    Taliban-Kämpfer sitzen auf der Ladefläche eins Pick-ups. Die militant-islamistischen Taliban setzen ihren Vormarsch in Afghanistan fort und rücken dabei immer näher an die Hauptstadt Kabul heran. Foto: Hamed Sarfarazi

    Die islamistischen Taliban in Afghanistan haben auf ihrem rasanten Eroberungszug nun auch die Großstadt Masar-i-Scharif im Norden eingenommen. Dort war bis vor wenigen Wochen ein großes Feldlager der Bundeswehr, seit Ende Juni sind die deutschen Soldaten aus dem Krisenstaat abgezogen. Dass Masar-i-Scharif am Samstag gefallen ist, bestätigten eine Sicherheitsquelle und ein Provinzrat der Deutschen Presse-Agentur. Damit hält die Regierung lediglich noch zwei Großstädte - Dschalalabad im Osten und die Hauptstadt Kabul.

    Auf ihrem rasanten Eroberungsfeldzug in Afghanistan haben sich die islamistischen Taliban inzwischen bis auf wenige Kilometer an die Hauptstadt Kabul herangekämpft. Präsident Aschraf Ghani sprach am Samstag von einer schlimmen Lage. Nun stelle sich die "historische Aufgabe", den Tod weiterer Unschuldiger zu verhindern und die Errungenschaften für die Zivilgesellschaft der vergangenen 20 Jahre zu verteidigen. Westliche Staaten, darunter Deutschland, beschleunigten ihre Bemühungen, eigenes Personal und afghanische Ortskräfte vor den rasch vorrückenden Extremisten in Sicherheit zu bringen.

    Taliban kontrollieren 20 der 34 Provinzhauptstädte

    Seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen, darunter auch der Bundeswehr, haben die Taliban große Teile des Landes erobert. Mittlerweile stehen 20 der 34 Provinzhauptstädte unter ihrer Kontrolle. Die Aufständischen wollen ein "Islamisches Emirat Afghanistan" errichten, so wie schon vor dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2001.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besprach am Samstag in einer Krisensitzung mit einem Teil ihres Kabinetts das weitere Vorgehen. In der telefonkonferenz wurde beraten, wie mit Hilfe der Bundeswehr schnellstmöglich Mitarbeiter der deutschen Botschaft, Ortskräfte sowie Beschäftigte deutscher Organisationen ausgeflogen werden können, wie ein Regierungssprecher mitteilte. Eine Beteiligung des Bundestags, der das entsprechende Mandat geben muss, werde folgen, versicherte er.

    Die Bundeswehr begann schon mit Vorbereitungen für die Evakuierung. Zum Einsatz kommen sollen dabei nächste Woche vor allem Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte (DSK); sie sind Teil der Nationalen Risiko- und Krisenvorsorge für diese Aufgabe.

    Noch mehr als 100 Deutsche derzeit in Afghanistan

    In Afghanistan sind derzeit noch deutlich mehr als 100 Deutsche, darunter auch die Diplomaten und Mitarbeiter der Botschaft in Kabul sowie Experten anderer Ministerien und Organisationen. Die genaue Zahl der Ortskräfte ist noch unklar. So haben allein Organisationen aus dem Geschäftsbereich des Bundesentwicklungsministeriums derzeit noch mehr als 1000 einheimische Mitarbeiter in Afghanistan. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, es habe absolute Priorität, "dass wir die zu Schützenden sicher nach Deutschland bringen".

    Ghani äußerte sich nach langem Schweigen in einer TV-Ansprache zur dramatischen militärischen Lage. Dabei ging er aber nicht auf Spekulationen ein, er könne zurücktreten, um den Weg für eine Einigung mit den Islamisten frei machen. Er spreche mit politischen Führern und internationalen Partnern und wolle "bald" Ergebnisse vorstellen, sagte er lediglich.

    Die große Flucht: Passagiere gehen zum Abflugterminal des internationalen Flughafens Hamid Karzai in Kabul.
    Die große Flucht: Passagiere gehen zum Abflugterminal des internationalen Flughafens Hamid Karzai in Kabul. Foto: Rahmat Gul/AP/dpa

    Die Taliban setzen derweil ihren schnellen Vormarsch fort: Nur etwa 35 Kilometer vor Kabul habe es am Morgen Gefechte um Maidan Schar gegeben, der Hauptstadt der Provinz Wardak, sagte die Abgeordnete Hamida Akbari der Deutschen Presse-Agentur. Die Taliban beherrschten bereits einen Großteil der Provinz.

    Stadt Scharana kampflos an Taliban übergeben

    Landesweit gingen die Kämpfe am Samstag in mindestens fünf Provinzen weiter. Die militanten Islamisten konnten zwei kleine Provinzhauptstädte übernehmen: Scharana in der Provinz Paktika mit geschätzt 66.000 Einwohnern sei nach Vermittlung Ältester den Taliban kampflos übergeben worden, bestätigten lokale Behördenvertreter. Wenig später bestätigten mehrere lokale Behördenvertreter, dass Regierungsvertreter und Sicherheitskräfte auch Asadabad, die Hauptstadt der Provinz Kunar im Osten des Landes mit geschätzt 40.000 Einwohnern, verlassen hätten. Man habe so zivile Opfer und Zerstörung verhindern wollen.

    Zuvor waren mit Herat und Kandahar bereits die dritt- und die zweitgrößte Stadt des Landes an die Islamisten gefallen. Mit Pul-i Alam in der Provinz Logar haben die Taliban auch eine Provinzhauptstadt rund 70 Kilometer südlich von Kabul eingenommen.

    3000 US-Soldaten sollen helfen, Personal außer Landes zu bringen

    Das US-Außenministerium kündigte an, dass die Verstärkung der US-Truppen um rund 3000 Soldaten bis Sonntag größtenteils in Kabul sein werde. Sie sollen helfen, Personal außer Landes zu bringen. Der britische Premier Boris Johnson sagte, Mitarbeiter der britischen Botschaft sollten Kabul binnen Tagen verlassen.

    Frankreich will afghanischen Ortskräften und anderen gefährdeten Personengruppen unkompliziert Schutz in Frankreich gewähren. Als eines von nur drei Ländern stelle Frankreich weiterhin in Kabul Visa aus, hieß es am Freitagabend aus Élyséekreisen. Man bemühe sich außerordentlich, afghanischen Künstlern, Journalisten und Vorkämpfern der Menschenrechte den Zugang nach Frankreich zu erleichtern.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden