"Dran, drauf, drüber", so lautet der Schlachtruf der Panzergrenadiere der Bundeswehr. Wenn der General Carsten Breuer in Bälde die Leitung des Corona-Krisenstabs der neuen Bundesregierungübernimmt, wird er ebenfalls überall sein müssen – "dran, drauf, drüber". Bevor der Karriere-Offizier in Afghanistan eingesetzt war, befehligte er eine Brigade der Panzergrenadiere. Der 56-Jährige übernimmt nun das Kommando über die Berater, die dem kommenden Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Weg durch die Pandemie weisen sollen
Breuer tritt seine Aufgabe in höchster Not an. Die vierte Welle mit ihrer rasanten Verbreitung des Virus wird das Gesundheitssystem mindestens so stark belasten wie die zweite vor einem Jahr, wenn nicht sogar noch stärker. Ein Teil der Kliniken in Süd- und Ostdeutschland schafft es nicht mehr, trotz Verschiebung von Operationen alle Intensiv-Patienten zu versorgen.
Scholz und der alte Wein in neuen Schläuchen
Scholz hat die Erwartungen an den General hochgehängt, kündigte er doch vergangene Woche bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP den Krisenstab als eine seiner Antworten auf den Kontrollverlust an. Bei der Ankündigung klang – und sollte wohl auch so klingen – die Einberufung des Stabes wie ein neues Instrument für das Zurückdrängen des Erregers.
Was der designierte Kanzler verschwieg, war, dass es bereits einen Krisenstab gibt. Auch diesen leitet mit Hans-Ulrich Holtherm ein General. Am Dienstag kommen die Berater zum 99. Mal zusammen. Von außen ist schwer zu beurteilen, ob die Fachleute gut oder schlecht gearbeitet haben. Doch dass ebenfalls am Dienstag die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit Scholz und Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen, wirft kein gutes Licht auf die Koordinierung des Kampfes gegen Corona.
Dass die Personalie Breuer viel Aufmerksamkeit bekommt, liegt auch daran, dass sich der künftige Regierungschef Zeit lässt bei der Benennung des Gesundheitsministers. Von Scholz ist wenig zu sehen. Die Ampelparteien brauchen einige Tage, um ihren gravierenden Anfangsfehler halbwegs gesichtswahrend korrigieren zu können.
Denn mit dem Auslaufen der epidemischen Notlage und der Novelle des Infektionsschutzgesetzes Das Herunterfahren ganzer Bereiche hat schwere Nebenwirkungen, kann aber die Kontakte der Menschen deutlich reduzieren.
Söder macht öffentlich Druck für scharfe Beschränkungen
Und so drängen einige Länderchefs die in den Startlöchern sitzende Bundesregierung dazu, das soziale Leben in ganz Deutschland gemeinsam und geschlossen in eine neuerliche Winterstarre zu versetzen. "Zum Schutz unseres Gesundheitssystems müssen wir das ganze Land leider noch stärker herunterfahren",
Bayern, Sachsen und Thüringen haben das bereits – in unterschiedlicher Intensität – angeordnet. Die schärfsten Einschränkungen können jedoch nur bis 15. Dezember verhängt werden, dann läuft die Übergangsfrist aus und das angepasste Infektionsschutzgesetz verbietet flächendeckende Schließungen. Eigentlich wollten die neue Bundesregierung und Ministerpräsidenten erst am 9. Dezember wieder zusammentreten und darüber beraten, ob die Länder die schärfsten Waffen gegen das Virus zurückbekommen.
Nun lässt sich dieser Zeitplan wegen der Dramatik der Lage und nicht länger halten. Die Chefs von SPD, Grünen und FDP rudern bereits zurück. Scholz und Grünen-Chef Robert Habeck schließen nicht mehr aus, "den Vorschlaghammer" einzusetzen. Am schwersten hat es die FDP, die sich bei der Reform des Infektionsschutzgesetzes durchgesetzt hatte. Liberalen-Chef Christian Lindner erklärte am Montag: "Es müssen kurzfristig die Kontakte weiter reduziert werden." Wie genau, das ließ er offen.
Wenn General Breuer seinen Dienst im Krisenstab antritt, könnte die dringendste Entscheidung bereits getroffen sein. Noch-Regierungssprecher Steffen Seibert umriss den Schwerpunkt seiner Arbeit so: "Die Impfkampagne weiter so stark wie möglich voranzutreiben, das ist der klare Auftrag", sagte er. Wenn Scholz, Lindner und Habeck darauf gesetzt haben, dass die Experten ihnen die Gründe für eine weitere Corona-Zwangspause liefern könnten, wurden sie von der Wirklichkeit überholt.