Pflegebedürftige Menschen können einen Pflegegrad von 1 bis 5 haben. Je höher der Pflegegrad ist, desto umfangreicher sind in der Regel auch die Leistungen der Pflegekasse. Von der Einstufung hängt also für die pflegebedürftige Person sowie deren Angehörige einiges ab, denn im Pflegefall stellt sich auch immer die Frage, wie die Pflege finanziert werden soll.
Kaum verwunderlich ist es daher, dass viele Betroffene mit der Einstufung durch den Medizinischen Dienst (MD) und die Pflegekasse unzufrieden sind und Widerspruch einlegen wollen. Ob sich ein solcher Schritt lohnt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei der Entscheidung kann jetzt eine neue Funktion des Pflegegradrechners der Verbraucherzentrale helfen. Wie die Verbraucherzentrale mitteilt, kann der Rechner nicht nur die Einstufung der Pflegekasse prüfen, sondern auch beim Verfassen eines Widerspruchs helfen, wenn dieser sinnvoll ist.
Pflegegrad falsch eingestuft? So hilft der Pflegegradrechner beim Widerspruch
Der Pflegegradrechner der Verbraucherzentrale ist nicht neu. Mit dem Tool können Nutzerinnen und Nutzer schon lange ihren voraussichtlichen Pflegegrad berechnen. Aber ab sofort kann der Bescheid der Pflegekasse zudem mit den eigenen Angaben im Rechner abgeglichen werden.
Besonders hilfreich für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen dürfte diese kostenlose Funktion sein, wenn ein Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt werden soll. Denn: „Weichen die Ergebnisse ab, erstellt das Tool automatisch ein individuell begründetes Widerspruchsschreiben, das heruntergeladen und direkt an die Pflegekasse geschickt werden kann“, teilte die Verbraucherzentrale am 18. August 2025 mit.
Der Pflegegradrechner hilft Betroffenen mit der neuen Funktion zudem bei der Entscheidung, ob es sinnvoll ist, gegen den Bescheid der Pflegekasse vorzugehen oder nicht. Die Verbraucherzentrale nennt zwei Beispiele aus der Praxis:
- Ein Widerspruch lohnt sich: Martin wurde von der Pflegekasse in Pflegegrad 2 eingestuft. Seine Einschränkungen sind aber deutlich größer. Der Pflegegradrechner kommt nach Eingabe der tatsächlichen Belastungen zum Ergebnis Pflegegrad 3. Für Martin ist ein Widerspruch sinnvoll und das Tool erstellt für ihn ein Widerspruchsschreiben, das er herunterladen, ausdrucken und an die Pflegekasse schicken kann.
- Ein Widerspruch lohnt sich nicht: Renate wollte gegen ihren Bescheid zu Pflegegrad 1 vorgehen. Im Pflegegradrechner kommt sie allerdings ebenfalls auf diese Einstufung. Das Tool informiert sie, warum ihre Alltagsprobleme bei der Haushaltsführung nicht in die Bewertung einfließen. Sie versteht die Entscheidung besser und kann von einem Widerspruch absehen.
Nach Angaben der Verbraucherzentrale soll die neue Funktion im Pflegegradrechner dazu beitragen, dass Betroffene im Einzelfall fundiert entscheiden können, ob sie dem Bescheid der Pflegekasse widersprechen wollen. Das Projekt ist Teil des bundesweiten Programms „Wirtschaftlicher Verbraucherschutz“ und wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert.
Pflegegradrechner: So funktioniert er
Um den passenden Pflegegrad zu ermitteln, stellt der Pflegegradrechner laut der Verbraucherzentrale Fragen zur Selbstständigkeit und den Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person. Ähnlich läuft auch die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst ab. Das Verfahren ist laut dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) nämlich gesetzlich geregelt.
Um festzustellen, wie viel Unterstützung und Pflege eine Person benötigt, werden sechs Lebensbereiche, auch Module genannt, genauer betrachtet:
- Mobilität
- Geistige und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – sowie deren Bewältigung
- Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
Im Pflegegradrechner sind einzelne Fragen und Module mit Aufklapptexten versehen, die die Beurteilung erleichtern sollen. Anders als eine Gutachterin oder ein Gutachter des MD fragt der Rechner Angaben der Verbraucherzentrale zufolge nicht nach einer Diagnose. Hintergrund ist, dass eine Erkrankung je nach Fall unterschiedliche Folgen für die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten von Menschen haben kann. „Nur diese konkreten Auswirkungen werden bei der Ermittlung des Pflegegrades mit Punkten bewertet, nicht aber die Erkrankung selbst“, erklärt die Verbraucherzentrale.
Im Anschluss an die allgemeinen Hinweise kann im Pflegegradrechner zwischen zwei Optionen ausgewählt werden:
- Es soll eine erste Einschätzung zur möglichen Höhe eines Pflegegrads gemacht werden.
- Es gibt bereits ein Pflegegutachten und es soll geprüft werden, ob sich ein Widerspruch gegen die Entscheidung der Pflegekasse lohnt.
Wie bei der Begutachtung durch den MD vergibt auch der Pflegegradrechner Punkte für einzelne Fragen sowie gewichtete Punkte für die einzelnen Module. Aus diesen wird eine Gesamtpunktzahl zwischen 0 und 100 berechnet. Laut Paragraf 15 Absatz 3 SGB XI wird auf Basis der erreichten Gesamtpunkte der Pflegegrad vergeben:
- kein Pflegegrad: 0 bis unter 12,5 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 5: 90 bis 100 Gesamtpunkte
Für Kinder gilt übrigens eine leicht abweichende Bewertung der Gesamtpunkte für die Ermittlung des Pflegegrades.
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