Nach der Corona-Pandemie ist Deutschland nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Die Wirtschaft schwächelt, die Härte der politischen Auseinandersetzung hat sich nicht abgemildert und zum Tag der Deutschen Einheit zeigt sich, dass Ost und West nach wie vor miteinander fremdeln.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat in seiner Rede zum Staatsakt am 3. Oktober in Saarbrücken eine Idee entworfen, wie er die Wirtschaftsflaute und die innerdeutsche Diskrepanz überwinden will. „Nach 35 Jahren deutscher Einheit und in einer schwierigen Zeit für unser Land sollten wir uns neu sammeln und mit Zuversicht und Tatkraft nach vorn blicken“, sagte der CDU-Vorsitzende. „Lassen Sie uns eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen für eine neue Einheit in unserem Land.“
Aufbruch wagen wie einst die DDR-Bürger
Der Kanzler erinnerte in seiner Rede an den Mut der Ostdeutschen, die die SED-Herrschaft abwarfen und in der Euphorie von Wendeherbst und Wiedervereinigung an eine gute Zukunft glaubten. „Erinnern wir uns an die Zuversicht, mit der unsere ostdeutschen Landsleute vor 35 Jahren ihren Aufbruch wagten“, meinte Merz. Seine Regierung hat sich vorgenommen, in einem Herbst der Reformen das Land wieder flott zu machen.
Im Vorfeld der Feierlichkeiten war erwartet worden, dass der Kanzler für diese Mission eine Ruckrede halten würde, wie es der frühere Bundespräsident Roman Herzog 1997 getan hat. Herzog hatte seinerzeit gefordert, dass durch ein verzagtes und blockiertes Deutschland ein Ruck gehen müsse. „Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen.“ Merz beließ es in seiner Rede bei dem Appell zum Aufraffen und verzichtete auf die schonungslose Benennung der Missstände in der Bundesrepublik.

Kein Redner aus Ostdeutschland
Bei einer hochsymbolischen Feier wie dem Staatsakt zur Deutschen Einheit fiel dann doch ins Auge, dass auf einem offiziellen Photo der Chefs der Verfassungsorgane – Regierung, Parlament und Verfassungsgericht – ein Ostdeutscher vertreten war. Das Programm sah auch keinen Redner aus Ostdeutschland vor, der seine Sicht der Geschichte einbringen konnte.
Prominenteste Kritikerin war Alt-Kanzlerin Angela Merkel, die in der DDR aufgewachsen ist. „Vielleicht hätte man auch jemanden aus Osteuropa oder aus Ostdeutschland als Gastredner nehmen können, anlässlich von 35 Jahren Deutscher Einheit“, sagte Merkel im ZDF. Stattdessen sprach der französische Präsident Emmanuel Macron. Das Saarland grenzt direkt an Frankreich, die Region hat eine wechselvolle deutsch-französische Geschichte.

Macron appellierte in seiner Rede daran, dass die Europäer um ihren Platz in der Welt kämpfen müssten. Der Kontinent brauche die Entschlossenheit derjenigen, die in der DDR aufgestanden seien und die Mauer eingerissen hätten. „Heute müssen wir diese Entschlossenheit unter Beweis stellen, denn wir brauchen ein starkes, ein mächtiges Europa für die Zukunft“, erklärte der Präsident. Macron fordert seit mehreren Jahren, dass die Europäische Union militärisch und wirtschaftlich souverän werden müsse, das heißt, nicht mehr abhängig zu sein von anderen Mächten.
Gastgeberin in Saarbrücken war Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD). Sie war die Frage auf, ob der Erfolg der Wiedervereinigung tatsächlich daran gemessen werden sollte, ob Ostdeutschland dem Westen immer ähnlicher werde. Linken-Chefin Ines Schwerdtner sieht beide Landesteile vereint, allerdings im Negativen. „Das Land ist derzeit nur geeint in dem Gefühl, dass es bergab geht.“
Am 3. Oktober 1990 waren die ostdeutschen Bundesländer nach 40 Jahren Teilung dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten.
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