Seit Wochen demonstrieren Bauern in Deutschland gegen die Pläne der Bundesregierung, wonach ihnen Zuschüsse gestrichen werden sollen. Nach dem Ende der Weihnachtsferien in Bayern wurden die Proteste intensiver, mit Traktoren kapern die Landwirte viele Straßen des Landes, blockieren den Verkehr und demonstrieren lautstark für ihre Forderungen. Dabei demonstrieren sie gegen die Regierung eines Staatsapparates, ohne den die Landwirtschaft schon lange nicht mehr überlebensfähig wäre – und proklamieren zugleich, dass es dem Land ohne Bäuerinnen und Bauern genau so ginge.
Doch warum ist ausgerechnet der Berufsstand, der in erster Linie für die Lebensmittelproduktion zuständig ist, so wie kein anderer auf Subventionen angewiesen? Wie wichtig sind diese wirklich? Und wie arbeiten Bäuerinnen und Bauern im 21. Jahrhundert? Wir haben uns den Berufsstand einmal genauer angesehen: Wie funktioniert die Landwirtschaft? Was und wie viel produziert sie eigentlich? Und wer finanziert sie?
- Wie sieht ein landwirtschaftlicher Betrieb aus?
Der klassische Bauernhof mit einem Feld und einem Viehstall, auf dem alle Arbeiten von Hand erledigt werden, gehört der Vergangenheit an. Landwirtschaftliche Betriebe werden immer größer und effektiver, gleichen oft Industrieunternehmen. Ein durchschnittlicher Hof hat heutzutage nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 60 Hektar und kann rund 140 Menschen ernähren. Das war früher anders: Vor noch 30 Jahren waren die Betriebe um ein Drittel kleiner und ein Hof ernährte nicht einmal halb so viele Menschen, vor gut 100 Jahren waren viele Höfe noch Selbsternährer. Die landwirtschaftliche Nutzfläche nimmt indes sogar minimal ab – die kleinen Betriebe schließen zunehmend. Das gilt auch in Bayern, wo Höfe bundesweit im Schnitt am kleinsten sind. Große Betriebe können Prozesse verschlanken, der Einsatz von Maschinen lohnt sich eher, so werden sie produktiver und effektiver – und sie bekommen mehr Subventionen. Aber große Höfe bedeuten oft auch: Massentierhaltung, verstärkter Einsatz von Pestiziden und weniger Raum für Artenvielfalt.
- Was stellen Landwirte heute her?
Deutschland hat 2022 der Welthandelsorganisation WTO zufolge Agrarprodukte im Wert von 92,6 Milliarden US-Dollar exportiert. Etwa ein Drittel der Lebensmittel, die die deutsche Landwirtschaft herstellt, geht in den Export. Dennoch importiert Deutschland im Agrarsektor mehr als es exportiert: 2022 waren es Waren im Wert von 116,4 Milliarden US-Dollar. Sowohl in Sachen Import als auch Export gehört Deutschland zu den fünf bedeutendsten Ländern weltweit.
Stimmt es also, wenn die Bäuerinnen und Bauern auf ihren Demos für sich proklamieren, dass sie das Land ernähren? Grundsätzlich trifft das zu. Etwa bei Kartoffeln, Schweinefleisch, Geflügel, Getreide oder Milcherzeugnissen produziert Deutschland mehr, als es benötigen würde – der Überschuss geht in den Export. Stark ist insbesondere die Kartoffelproduktion: Sie deckt 150 Prozent des Bedarfs. Obst und Gemüse hingegen müssen überwiegend importiert werden: An Gemüse ist es weniger als die Hälfte, bei Obst nicht einmal ein Fünftel des Bedarfs, der in Deutschland produziert wird.
- Wie verdienen Landwirte Geld?
Eine dumme Frage, könnte man meinen. Sie produzieren Waren und dafür zahlen Kundinnen ihnen einen Preis, oder nicht? Nicht ganz. Natürlich leben Landwirtinnen und Landwirte auch von den Erlösen ihrer Verkäufe – aber: Zwischen 40 und 60 Prozent der Gewinne stammen nicht aus Verkäufen, sondern sind staatliche Fördergelder. Nach Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft ist zumindest bei einem Haupterwerbsbetrieb der Anteil auf diesem Niveau, bei Nebenerwerbsbetrieben sogar noch deutlich höher. In Bayern liegt der Wert im Schnitt bei 60 Prozent.
Im vergangenen Wirtschaftsjahr lag der Durchschnittsgewinn der Betriebe bei 115.400 Euro – ein Allzeithoch. Über zwei Milliarden Euro groß ist der Topf an Subventionen, die die Bundesrepublik an Bauern überweist. Aus der EU kommen sogar rund sechs Milliarden Euro nach Deutschland.
- Bauernproteste und die Politik: Wieso braucht die Landwirtschaft überhaupt so viele Subventionen?
Mit den Preisen, die für Fleisch, Kartoffeln oder Gemüse in Deutschland verlangt werden, können Bäuerinnen und Bauern schlicht nicht rentabel arbeiten. Woran das liegt, ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn diesem Zustand liegt ein Henne-Ei-Problem zugrunde. Verlangen Bäuerinnen und Bauern zu wenig und Kundinnen und Kunden haben sich daher an vergleichsweise niedrige Preise gewöhnt? Oder sind die Deutschen schlicht nicht bereit, mehr zu zahlen? Ebenfalls eine Rolle spielen Großunternehmen der Lebensmittelindustrie, die die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse drücken.
Klar ist jedenfalls: Deutsche geben nicht viel für Lebensmittel aus. Statistiken der Europäischen Union zufolge investieren Menschen hierzulande nur 11,5 Prozent ihrer Haushaltsausgaben in Lebensmittel. Franzosen wenden über 13 Prozent, Italiener fast 15 Prozent, Polen rund 19 Prozent und Rumänen satte 25 Prozent ihrer Ausgaben für Nahrung auf. Man könnte sagen: Deutsche sind in Sachen Lebensmittel besonders sparsam – obwohl das Einkommensniveau eines der höchsten der Welt ist. Zugleich gilt: Lebensmittel sind in Deutschland verhältnismäßig günstig. Die Preise in Deutschland unterscheiden sich kaum von jenen in Polen, Spanien oder Portugal, obwohl die Löhne viel höher sind. Und damit die Landwirtschaft in Deutschland weiter Bestand hat, ohne dass Lebensmittel teurer werden, greift der Staat ein – und subventioniert den Agrarsektor massiv.
- Wie berechnen sich die Subventionen?
Die Zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe setzen sich aus zwei Säulen zusammen. Bei der ersten Säule handelt es sich um Direktzahlungen, die die Bäuerinnen und Bauern für ihre Höfe erhalten. In der zweiten Säule gelangt das Geld über verschiedene Förderprogramme zu den Betrieben. Mit diesen Förderprogrammen soll der ländliche Raum unterstützt werden. Gefördert werden unter anderem ökologischer Landbau und besonders tiergerechte Haltung, Küsten- und Hochwasserschutz, aber auch Investitionen, etwa in den Stallbau oder in Maßnahmen, die die Produktions- und Arbeitsbedingungen verbessern. Bezuschusst werden zudem Betriebe in naturbedingt benachteiligten Gebieten.
Die Direktzahlungen dienen im Gegensatz dazu, flächendeckend das Einkommen der Betriebe zu unterstützen. Von den insgesamt rund 60 Milliarden Euro EU-Agrarförderung zahlt Brüssel europaweit rund 45 Milliarden Euro als Direktzahlungen aus, etwa 15 Milliarden Euro sind Fördermittel. Die Direktzahlungen berechnen sich in erster Linie über die Größe des Hofs: Etwa 180 Euro erhalten Landwirtinnen und Landwirte jährlich pro Hektar. So wurden große Betriebe lange Zeit massiv bevorzugt – ein Umstand, den Kritiker der EU-Agrarpolitik stets monierten. Inzwischen gibt es Bestrebungen, die Kluft zu verkleinern: So erhalten kleine Höfe jährlich zwischen 30 und 50 Euro "Umverteilungsprämie" pro Hektar, zudem gibt es eine sogenannte "Greeningprämie" von rund 90 Euro jährlich pro Hektar, etwa für stillgelegte Grünflächen oder für Äcker mit jährlich wechselnden Kulturen, um so den Boden zu schonen. Junge Landwirtinnen und Landwirte erhalten zudem noch einmal jährlich 45 Euro pro Hektar zusätzlich. Die Betriebsgröße entscheidet nun also nicht mehr alleine darüber, wie viel öffentliche Gelder Bauernhöfe erhalten. Setzt man jedoch die Grundprämie von rund 180 Euro mit den anderen Beträgen ins Verhältnis, so sieht man: Große Höfe haben weiterhin einen Vorteil.
- Wohin geht das Geld, das die Landwirtschaft erhält und verdient?
In was Landwirtinnen und Landwirte ihre Einnahmen investieren, ist von den einzelnen Betrieben abhängig und kann sich teils stark unterscheiden. Häufige Ausgaben sind etwa Pachtzahlungen für die bewirtschafteten Ackerflächen, Investitionen in Gebäude, Vieh oder Maschinen auf dem Hof, Saatgut, Dünger, Futter und Pflanzenschutzmittel sowie Treibstoff und Energiekosten. Unter anderem durch den russischen Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen und Lieferengpässe haben sich auf den Höfen diverse Ausgaben erhöht: Statistiken der EU zufolge sind Baukosten allein 2022 um 15, Futterpreise um 40 und Düngerpreise gar um 60 Prozent gestiegen. Das haben auch die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Theke gemerkt: Lebensmittel wurden dadurch ebenfalls teurer.
Auch Lohnkosten zählen zu den Ausgabeposten von vielen Höfen: Rund 250.000 Höfe gibt es in Deutschland, auf denen fast eine Million Menschen beschäftigt werden. Etwa die Hälfte davon ist Teil der Familie auf dem Hof, etwa ein Viertel nur kurzfristig als Saisonarbeitskraft angestellt: Bleibt im Schnitt etwa eine fest angestellte, familienfremde Person pro Hof. Bezahlt wird diese und werden auch andere Angestellte meist eher schlecht. Laut Statistischem Bundesamt liegt das durchschnittliche Bruttoeinkommen zwar immerhin bei 4100 Euro monatlich. Damit verdienen Angestellte in der Landwirtschaft jedoch weniger als Mitarbeitende in anderen Bereichen – wie auch eine Umfrage des Online-Fachportals Agrarheute und des Marktforschungsungsinstituts Agri Experts bestätigt. Demzufolge erhält rund ein Zehntel der Beschäftigten monatlich weniger als 2000 Euro netto, nur 15 Prozent kommen auf einen Nettoverdienst von 4000 Euro, Mindestlohn ist weit verbreitet. Zu den Zahlen passen Berichte zu Ausbeutung in Teilen der Landwirtschaft. Vor allem der Umgang mit Saisonarbeiterinnen und -arbeitern wird dort häufig kritisiert.
- Wie begründen die Landwirte nun den Unmut, der in den aktuellen Protesten zum Ausdruck kommt?
Die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung, die diese schon in Teilen zurückgenommen hat, sind oft nicht existenzbedrohend – das haben Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft bereits häufiger mitgeteilt. Im Schnitt wären den Höfen nach den ursprünglichen Plänen wohl rund zehn Prozent ihrer Gewinne verlorengegangen. Doch die Landwirtinnen und Landwirte begründen ihre Proteste nicht nur mit den aktuellen Plänen der Bundesregierung: Oft wird von ihnen der berühmte Tropfen zitiert, der das Fass nun zum Überlaufen bringe. Denn Grund zum Unmut sehen sie an vielen Stellen.

Was mit den Subventionen etwa einhergeht, ist zusätzlicher Arbeitsaufwand, zum Beispiel, um die Gelder zu beantragen und nachzuweisen, dass man berechtigt ist, diese zu erhalten. Immer wieder klagen Landwirtinnen und Landwirte oder der Bauernverband daher über eine Überregulierung. Außerdem gebe es immer neue Gesetze und Auflagen, mit der die Branche stetig konfrontiert werde und die es daher schwer machen, langfristig zu planen. Hinzu kommen Klagen der Bäuerinnen und Bauern über mangelnde Wertschätzung seitens der Politik oder Gesellschaft – was sich unter anderem in den niedrigen Lebensmittelpreisen ausdrücke.
Das alles gipfelte nun in den massiven Bauernprotesten der vergangenen Wochen. Immerhin: Die geplanten Kürzungen dürften die ökologische Landwirtschaft weniger stark treffen. Biobäuerinnen und -bauern verbrauchen nämlich vergleichsweise geringere Mengen des nun weniger subventionierten Agrartreibstoffs, wie eine Untersuchung des Landwirtschaftsministeriums 2020 ergab.