Die Welt ist voll mit Dingen, von denen wir weder wussten, dass es sie gibt, noch, dass wir sie möglicherweise eines Tages brauchen könnten. Das Warenhaus war über Jahrzehnte jener Ort, an dem all diese Dinge ihren Platz fanden. Doch mit dem großen Ausverkauf beim Galeria Kaufhof naht das Ende einer Ära.
In einer anständigen bundesrepublikanischen Fußgängerzone landete man jahrzehntelang unwillkürlich am Wohlfühl-Waren-Wirtschaftswunder-Wühltisch - bei Karstadt, Kaufhof, Horten, Hertie oder Quelle. Wir konsumierten schon als Kinder Eindrücke und Gerüche, fanden Nützliches und Nutzloses, fuhren nur zum Spaß Rolltreppe, landeten eher versehentlich ganz oben im Restaurant, bestellten dort das lauwarme Tagesmenü im Angebot und durften uns später in der Süßwarenabteilung noch eine gemischte Tüte aus Plastikboxen kreieren.
Unser "Black Friday" hieß Sommerschlussverkauf
Wenn sich die Jahreszeiten dem Ende entgegen neigten, kamen Schnäppchenjäger zum Schnäppchen jagen. Schlussverkauf nannten wir den "Black Friday" des analogen Zeitalters. Vorbei an der Damenkonfektion und den Haushaltswaren in die Musikabteilung vor das Regal mit Kassetten, wo man dem kundigen Fachverkäufer noch das Lied vorsingen musste, das man gestern im Autoradio und so weiter....
Dass man sich von solch gefühlsduseligen Erinnerungen nichts kaufen kann, ahnten wir spätestens in den 80er Jahren, als in der ZDF-Reihe "Der große Bellheim" eine Rentner-Riege ehemaliger Kaufhaus-Kapitäne gerade noch so retten konnte, was eigentlich nicht mehr zu retten war. Immer mehr Menschen fuhren lieber mit dem Auto bis direkt vor die Tore verkehrsgünstig gelegener Einkaufszentren samt Back-Shop im Gewerbegebiet. So ging vielen Städten das Innen verloren. Und das Alles-in-einem-Haus mit seiner wunderbaren Waren-Welt in bester (und sündteurer) Lage verlor seine Kundinnen und Kunden.
Nun kann man natürlich sagen, dass der Markt nun mal die Dinge regle und auch damals, als der Tante-Emma-Laden und das Milchgeschäft an der Ecke zugesperrt haben, die Welt nicht untergegangen sei. Und es stimmt ja: Seit man sich rund um die Uhr und rund um die Welt alles just in time her klicken kann und Lieferriesen wie Amazon ihre eigenen Paketboten anstellen, wirkt das Modell des Kaufhauses, das Dinge einfach immer da haben soll, irgendwie aus der Zeit gefallen. Nur wer das bedauert, hätte einfach öfter mal das Auto stehen lassen und eine Fußgängerzone betreten sollen.
Und so dürften also demnächst eine Menge Immobilien in zentraler Lage frei werden, in die dann ein profitsensibler Investor hübsche Luxus-Lofts hinein systematisiert - oder hippe Co-Working-Spaces. Sie wissen schon, diese Arbeitsplätze der Zukunft, wo mal der eine, mal die andere den Schreibtisch nutzt, aber wenn es drauf ankommt, wahrscheinlich gerade beide nicht da sind, weil Work und Life ja schließlich in Balance sein müssen.
Mit dem Kaufhaus stirbt die Freude am Unverhofften
Wenn das Kaufhaus stirbt, geht aber nicht nur eine Institution verloren, die deutsche Innenstädte über Generationen geprägt hat. Es verschwindet auch ein Einkaufserlebnis. Die Freude am Unverhofften. Klar, die Suchfunktion im Online-Shop ist praktisch und zielführend. Aber was, wenn man gar kein Ziel hat? Wenn man gar nicht effizient konsumieren will?
Im Warenhaus finden sich eben auch Produkte, die man niemals gesucht hätte. Ein Kollateralnutzen wie einst in den dicken Katalogen von Otto, Quelle oder Neckermann, diesen Verzeichnissen der bestellbaren Bedürfnisse. Einst Standardwerke in deutschen Haushalten, die längst den Weg alles Analogen gegangen sind. Also schnell nochmal rauf auf die Rolltreppe, solange sie noch rollt. Und dann ab an den Computer, einkaufen gehen ...