Die Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket ist auf jeden Fall da. So merkte Baden-Württembergs Verkehrsminister in der Bundesratsdebatte an, dass auch in seiner Familie bereits solche Monatskarten gekauft wurden – noch bevor der Bundesrat am Freitag dessen Einführung zugestimmt hatte. So gab es das Ticket beispielsweise bei den Berliner Verkehrsbetrieben bereits vor dem Votum der Länderkammer zu kaufen. Und auch im Allgäu sind die Hoffnungen rund um das Ticket groß.
Vor allem in den touristischen Gebieten in der Region wie Oberstdorf rechnet man mit mehr Tagesgästen – und will auf einen langfristigen Effekt hinarbeiten: „Wir haben die Hoffnung, dass die Menschen, die mit dem Zug anreisen, vor Ort feststellen, dass sie für einen Urlaub in Oberstdorf kein Auto brauchen“, sagt Frank Jost, zuständiger Tourismusdirektor. Das würde auch die Parksituation in der Region auflockern. „Was wir nicht wollen, ist dieser Einmal-Effekt.“ Bedeutet: Nach den drei Monaten, in denen das 9-Euro-Ticket erhältlich ist, fahren die Besucher wieder mit dem Auto an den Alpenrand.
Tourismusregionen und Allgäuer Städte hoffen auf einen positiven Effekt durch das 9-Euro-Ticket
Um Besucher und Touristen zu überzeugen, weiterhin auf der Schiene nach Oberstdorf zu kommen, soll der neue Oberstdorfer Busfahrplan erweitert werden und für die Tagesgäste nochmal neu aufgelegt werden. „Der Plan ist im vergangenen Jahr gut angekommen“, sagt Jost. Da die Touristeninformation am Bahnhof steht, könne man den Gästen direkt bei der Ankunft den Plan überreichen. Ab 1. Juli sollen Übernachtungsgäste in Oberstdorf zudem kostenlos die Busverbindungen im Ort nutzen können. Die Kapazitäten im Busverkehr hält Jost für ausreichend: „Ich sehe das Angebot in Oberstdorf gut aufgestellt und wenn viele Gäste kommen, können die Busunternehmen hier kurzfristig reagieren.“ Das hätte in der Vergangenheit bereits gut funktioniert. (Lesen Sie auch: 9-Euro-Ticket: Günstige Angebote alleine reichen nicht, kommentiert unsere Autorin.)
Doch nicht nur in den Allgäuer Alpen hofft man auf mehr Besucher. „Das Ticket ist für Memmingen eine echte Chance, neue Zielgruppen zu erschließen“, sagt die Tourismusamtsleiterin der Stadt, Doreen Seeberger. Sie hofft auf Tagesgäste vom Bodensee, aus dem Allgäu, aber auch aus Ulm und München. Davon könnte auch der Einzelhandel profitieren. „Gerade für den Einkaufstourismus verspreche ich mir hier viel“, sagt sie. Bisher sei die Stadt eine Autodestination, die große Mehrheit der Gäste komme per Pkw. Sie könne sich vorstellen, dass gerade Stammgäste die Anreise mit der Bahn ausprobieren. Eine wichtige Touristengruppe sieht sie jedoch nicht als Profiteur: Radreisende. „Die Prognosen von vollen Zügen sind recht dramatisch.“ Radreisende würden deshalb vermutlich eher nicht den Zug nehmen, um von Memmingen aus weiterzuradeln.
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9-Euro-Ticket: Wie groß wird der Ansturm aufs Allgäu?
Wie groß der Ansturm ausfällt, ist dabei noch unklar – und damit auch, ob Übertourismus an beliebten Zielen zum Problem wird. Es sei durchaus möglich, dass sich der Ausflugsverkehr durch das Ticket erhöhe, sagt Füssens Tourismusdirektor Stefan Fredlmeier. „In welchem Umfang, kann nicht belastbar kalkuliert werden.“ Er gehe aber davon aus, dass die meisten Gäste auch ohne die Neun-Euro-Karte unterwegs wären. Er hofft jedoch, dass der günstige Fahrschein motiviert, auf das eigene Auto zu verzichten. Eine Verringerung des Parkdrucks „würde allen besuchten Orten gut tun“. Mindestens genauso wichtig wie der günstige Preis sei aber eine qualitative Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel. Ohne die sei eine Mobilitätswende „illusorisch“.
Allgäuer Bergbahnen könnten vom 9-Euro-Ticket profitieren
Profitieren könnten auch die Allgäuer Bergbahnen. So liegt beispielsweise die Breitenbergbahn beinahe direkt am Bahnhof Pfronten-Steinach (Ostallgäu). „Natürlich versprechen wir uns viel davon“, sagt Geschäftsführer Frank Seyfried. Öffentliche Verkehrsmittel seien die Zukunft – er teilt jedoch den Wunsch Fredlmeiers nach einer qualitativen Verbesserung. „Die Angebote der Bahn müssen auch passen, damit das für die Gäste wirklich nutzbar ist. Vor allem für die An- und Abreise aus Ballungsräumen“, warnt Seyfried. Er hoffe jedoch, dass die Menschen die Möglichkeit nutzen, entspannt mit der Bahn anzureisen.
Am meisten überzeugt hat das 9-Euro-Ticket offenbar in Immenstadt. Dort beschloss der Stadtrat kürzlich, die vergünstigte Monatskarte für die Stadtbusse bis Ende 2023 anzubieten, um den Umstieg attraktiver zu machen. Die Kosten von 40.000 Euro hielt man für vertretbar – und war einstimmig für die Ermäßigung.
Wieso AZ-Redakteurin Aimée Jajes findet, dass günstige Angebote wie das 9-Euro-Ticket alleine nicht reichen, damit mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen, lesen Sie hier.