Dr. Sabine Sprich sitzt in ihrer Praxis in Biessenhofen (Landkreis Ostallgäu) und sagt: "Der Patient muss als Mensch im Mittelpunkt unseres Handelns stehen, aber es gibt auch den Mensch Arzt." Und die Ärzteschaft steht vor großen Herausforderungen. Das zeigen Daten der Bundesärztekammer: Kurz zusammengefasst geht es darum, dass ein großer Teil der Fachärzte (28 Prozent) und der niedergelassenen Ärzte (41) Prozent über 60 Jahre alt sind - sie gehen also in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Schon jetzt ist es teilweise so, dass Praxen nicht nachbesetzt werden können, keine neuen Patienten aufgenommen werden und die Wartezeiten bei Fachärzten lang sind. Hinzu komme, sagt Sprich, ein hoher Frauenanteil bei den Medizinstudierenden. Und bei jüngeren Generationen stehe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund. Gegensteuern will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit einem Gesetz, das die Versorgung verbessern und den Beruf attraktiver machen soll. Wie kommen die Vorschläge bei Hausärzten im Allgäu an? Darüber sprachen wir mit Dr. Sabine Sprich und ihrer Kollegin Dr. Marlene Lessel, die im Vorstand des Ärztlichen Kreisverbandes Ostallgäu sind.
Wie hat sich das Patientenaufkommen verändert? Sprich ist seit 1993 mit ihrem Mann als niedergelassene Allgemeinärztin tätig. Die Praxis führt sie inzwischen mit einem jungen Kollegen. "Das ist ein großer Glücksfall", sagt Sprich. Häufig finden Ärzte keine Nachfolger für ihre Praxen. "Die Patientenzahlen haben sich seit den Anfangstagen kontinuierlich gesteigert", berichtet Sprich. Bei einer immer älter werdenden Gesellschaft werde sich dieser Trend fortsetzen. Ein Problem, wenn nicht genügend Ärzte folgen. Heutzutage sei auch die Verweildauer in den Krankenhäusern kürzer. Früher seien Patienten durchaus länger dort geblieben, bis alles abgeklärt war. Heute verlagere sich das in den ambulanten Bereich. "Das ist gut so, aber eben auch eine Herausforderung", sagt Sprich.
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Was will Gesundheitsminister Karl Lauterbach? Hausärzte sollen zum Beispiel künftig ihre Leistungen ohne Kürzungen abrechnen können - das Stichwort hierzu lautet "Entbudgetierung". Außerdem soll eine quartalsübergreifende Pauschale für chronisch kranke Patienten eingeführt werden. Ziel des Ministers: Die Häufigkeit der Arztbesuche soll gesenkt werden, damit mehr Kapazitäten für die Behandlung von Patienten geschaffen werde. Für Hausärzte soll es außerdem eine Vorhaltepauschale geben. Dafür müssen sie bestimmte Kriterien erfüllen - zum Beispiel müssen sie Haus- und Pflegeheimbesuche machen.
Was davon ist gut? Dass alle erbrachten ärztlichen Leistungen honoriert werden, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist, sagen Sprich und Lessel. Vereinfacht gesagt ist es so: Ärzte bekommen ein Budget für die Patienten, die sie im Schnitt versorgen. Ist diese Anzahl an versorgten Patienten erreicht, fließt kein Geld mehr. Auch dann, wenn noch weitere Patienten behandelt werden. Ebenfalls positiv werde die Pauschale für die Behandlung chronisch Kranker und die Vorhaltepauschale für Hausbesuche gesehen. Dies eröffne mehr Behandlungsfreiräume für unsere Patienten, sagt Sprich.
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)Und was kritisieren die Ärzte? Ein seit Jahren geforderter Bürokratieabbau sei längst überfällig. Beachten müsste die Politik mit Blick auf Nachwuchs bei den niedergelassenen Ärzten: "Studenten, die heute einen Medizinstudienplatz erhalten, werden bei uns erst in etwa zwölf Jahren aufschlagen." Ein wichtiger Baustein wäre eine bessere Patientensteuerung gewesen. Hier spielen laut Sprich und Lessel die Hausärzte als Lotsen im Gesundheitssystem eine zentrale Rolle. "Wir sind bei den meisten medizinischen Anliegen unserer Patienten der erste Ansprechpartner", sagt Sprich. Ärzte kennen ihre Patienten, ihre Krankheits- und Familiengeschichten sehr gut. Deshalb habe Lauterbach eine große Chance vertan, in dem er einen guten Vorschlag aus dem Gesetz gestrichen habe. Dabei geht es um den Hausarztbonus: Patienten entscheiden sich sozusagen vertraglich für einen Hausarzt als ersten Ansprechpartner und bekommen dafür einen Bonus ihrer Krankenkasse. Das hätte die Patientensteuerung laut Sprich sicher vorangebracht, wenn es zum Beispiel um Überweisungen zu Fachärzten geht. Ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen, um den Hausarztberuf für junge Allgemeinmediziner attraktiver zu machen, bleibt fraglich, so Sprich.
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