Mangel-Meldungen haben sich im September überschlagen. Bei den Brauereien war die Kohlensäure knapp, bei Speditionen das AdBlue. Drohen nun leere Regale in den Supermärkten, weil Lkw nicht mehr fahren können und Lieferungen ausbleiben? Wie ist die Lage aktuell im Allgäu?
AdBlue ist eine flüssige Harnstofflösung, die bei Fahrzeugen mit Dieselmotoren zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes eingesetzt wird. AdBlue ist ein Nebenprodukt aus der gasintensiven Kunstdünger-Produktion. In Deutschland gibt es nur drei Hersteller. Derzeit sei die Versorgungslage aber gesichert, heißt es seitens der Bundesregierung.
Ostallgäuer Spediteur: Lage im September war ernst
„Wenn es tatsächlich kein AdBlue mehr auf dem Markt geben sollte, dann stehen nicht nur unsere, sondern über 95 Prozent aller Lkw still“, erklärt Christian Winkler. Er ist Prokurist bei der Spedition Ansorge in Biessenhofen (Landkreis Ostallgäu). Aktuell werde sein Unternehmen mit 150 Sattelzugmaschinen regelmäßig und ausreichend mit AdBlue versorgt. Winkler bestätigt aber, dass die Lage im September ernst war. Denn einer der großen AdBlue-Hersteller hatte die Produktion drei Wochen komplett unterbrochen und erst kürzlich teilweise wieder aufgenommen.

Sollte es zu einem Engpass kommen, hat Winkler eine klare Forderung an die Politik: Sie müsse dann den Transportunternehmen erlauben, ohne den Zusatzstoff AdBlue fahren zu dürfen. „Das wäre nach einem technischen Eingriff durch die Fachwerkstatt grundsätzlich möglich, würde allerdings dazu führen, dass der Ausstoß von Stickoxiden nicht mehr durch die Abgasnachbehandlung reduziert wird“, sagt Winkler. Die Umwelt würde also stärker belastet. Fakt sei, dass die Kosten für AdBlue drastisch gestiegen sind. Das bedeute allein bei Ansorge eine sechsstellige Summe pro Jahr an Mehrkosten.
Lkw: Noch keine sinnvollen Alternativen zu Diesel
Sinnvolle Alternativen zum Diesel sieht der Ostallgäuer Spediteur aktuell nicht. Natürlich könne man Lkw auch mit Flüssiggas (LNG) betreiben. „Aber hier ist die Situation noch viel dramatischer.“ Die Anschaffungskosten seien höher und der Preis für LNG als Treibstoff habe sich innerhalb der letzten anderthalb Jahre versechsfacht. Bei einer Jahreslaufleistung von 100.000 Kilometern habe man vor 18 Monaten noch mit etwa 24.000 Euro an Gas kalkuliert.
Bei den heutigen LNG Preisen müsse man 144.000 Euro pro Jahr und Lkw aufwenden, rechnet Winkler vor. Diese Mehrkosten könne kein Logistikunternehmen auf den Transportpreis umlegen, geschweige denn selbst tragen. Seine Spedition fahre auch mit elektrischen Lkw. „Allerdings bieten diese Fahrzeuge aktuell nur Lösungen für kurze Shuttle- und Nahverkehre. An eine Flottenlösung ist hier noch nicht zu denken.“ Auch über Wasserstoff-Lkw werde viel diskutiert. „Allerdings sehen wir hier noch keine Praxistauglichkeit.“
Leichte Entwarnung bei den Brauereien
Leichte Entwarnung gibt es immerhin seitens der Brauereien. Bei ihnen war die Kohlensäure knapp geworden - ebenfalls ein Nebenprodukt der Kunstdünger-Produktion. In der Konsequenz hatte beispielsweise die Aktienbrauerei Kaufbeuren ihre Bierproduktion gedrosselt und das Abfüllen von Limonaden zwei Wochen ganz eingestellt, um das restliche Kohlendioxid für die Bierproduktion verwenden zu können.
„Die Lage entspannt sich, aber die Tanks sind noch nicht wieder voll“, sagt Bernd Trick. Der Produktionsleiter der Aktienbrauerei freut sich aber, dass nun wieder auch die Limonaden abgefüllt werden können – und auch das Bier dank Kohlensäure wieder in der gewohnten Qualität fließen kann. Lediglich kleinere, spezielle Chargen würden noch nicht wieder produziert.
Aktienbrauerei wird wieder regelmäßig mit Kohlensäure beliefert
Nach „intensiven Gesprächen mit den Herstellern“ habe die Aktienbrauerei erreicht, dass sie wieder regelmäßig mit Kohlensäure beliefert werden – aber längst noch nicht in dem Umfang wie früher. Sorgen bereitet Trick auch, dass einige Stoffe, die für die Produktion nötig sind, deutlich teurer geworden sind – zum Beispiel Zuckerrüben oder Orangen wegen schlechter Ernten.
Aber auch der Preis für Salzsäure, die zum Aufbereiten des Kesselwassers benötigt werde, habe sich verdreißigfacht. Der Produktionsleiter geht daher davon aus, dass Bier und Limonade teurer werden. „Aber das ist noch nicht beschlossene Sache – aber der Preis für eine Kiste Bier wird sich sicher nicht verdoppeln...“
Lesen Sie auch: Wie kleine Allgäuer Brauereien unter der großen Energie-Kosten leiden
Hinzu kommt die Sorge um die steigenden Energiekosten. „Da sind die Aussichten nicht rosig.“ Die Aktienbrauerei Kaufbeuren habe aber zum Glück Lieferverträge, die über den Jahreswechsel hinaus gehen. „Wichtig wäre jetzt, dass von der Politik klare und verlässliche Zusagen kommen.“ Immerhin sei aber in seinem Haus das Thema Kurzarbeit vom Tisch, sieht Trick noch Gutes in der aktuellen Situation. Da seien alle 92 Mitarbeiter froh.
Mehr Nachrichten aus dem Allgäu lesen Sie hier.