Nur zehn Prozent – so wenig Erstwähler-Stimmen entfielen laut einer Nachwahlbefragung bei der Bundestagswahl auf die Union. Doch nicht nur bundesweit verloren die Konservativen – auch in der Hochburg Allgäu verzeichnete die CSU herbe Verluste. Im Wahlkreis Oberallgäu erhielt sie 30,4 Prozent der Stimmen, etwa elf Prozentpunkte weniger als 2017. Im Unter- und Ostallgäu fiel der Rückgang ähnlich aus, hier waren es 31,69 statt 42 Prozent. Wie beurteilt man in der Jugendorganisation der Schwesterparteien, der Jungen Union (JU), die Zukunft?
„Wenn wir nicht die richtigen Antworten für junge Menschen finden, besteht die Gefahr, dass wir auf das Format anderer konservativer Parteien in Europa zusammenschrumpfen“, sagt David Stiegeler (24), JU-Kreisvorsitzender in Memmingen. Bei manchen Parteikollegen sei die Kernkraft die Antwort auf steigende Strompreise, „da komme auch ich als junges Parteimitglied ins Zweifeln“.
"Die Jugend ist nicht so links, wie man vermutet hat"
Dabei waren die Voraussetzungen nicht die schlechtesten. „Die größte Lehre aus der Wahl ist, dass die Jugend nicht so links ist, wie man immer vermutet hat“, sagt Philine Blees (22), CSU-Stadträtin in Immenstadt. Nicht alle hätten hier grün gewählt. Es gebe auch andere Themen als den Klimaschutz, zum Beispiel Digitalisierung und die Rente. So schnitt bei Erstwählern die FDP am besten ab. „Wir haben hier inhaltliches Potenzial, das wir nutzen müssen“, fordert Blees.
Die Inhalte seien vorhanden gewesen, man müsse sie aber nach außen tragen. „Mit dem Linksrutsch kann man in meiner Generation nur wenig anfangen“, sagt Blees. Auch Stiegeler fordert mehr Mut. Man müsse sich wieder trauen, die eigenen Positionen zu den Menschen zu bringen, anstatt sich in die Defensive treiben zu lassen und sich in Hallen abzuschotten. Er hat jedoch auch Grundsätzliches auszusetzen: „Wir müssen die jungen Menschen in der Partei stärker einbeziehen und aufhören, Wahlprogramme für Menschen über 60 zu schreiben.“ Der Wohnungsmarkt sei katastrophal, hier müsse man Lösungen anbieten. Bei Umweltschutz und Klima sei man hinterher – „insbesondere die CDU“. Doch vor allem ein Thema vermissen die beiden Nachwuchspolitiker: Generationengerechtigkeit.
Forderung nach neuem Renten-Konzept
„Die Rente ist nicht mehr so sicher, wie es früher gesagt wurde“, sagt Blees. Ein neues Konzept müsse her. Man müsse dafür sorgen, dass „junge Leute in unserem Land die gleichen Chancen haben wie frühere Generationen“, fordert Stiegeler. Hier sollte man zu Themen stehen – „und weniger Angst haben, wen man verärgern könnte“. Stiegeler sieht die JU nach wie vor als Motor der Partei – man habe Ideen, mit denen man Wahlen gewinnen kann. „Vielleicht“, räumt er ein, „waren wir in den letzten Jahren aber zu ruhig.“
Sich jünger aufzustellen, könne gut funktionieren – das sehe man in Immenstadt, sagt Blees. „Eine Quote wäre aber nicht die richtige Lösung.“ Trotz der ernüchternden Ergebnisse ist man sich bei der JU sicher, dass die CSU politischer Platzhirsch im Allgäu bleibt.
Zeitenwende im Allgäu?
Er glaube nicht, dass die Bundestagswahl eine Zeitenwende im Allgäu bedeutete, sagt Stiegeler. Dass die FDP stärkste Kraft bei den Erstwählern war, zeige, „dass diese Menschen auch für unsere Positionen erreichbar sind“. Die Opposition würde der Union deshalb gut tun, „um darüber nachzudenken, wofür wir stehen wollen“.
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Und: Auch Wochen nach der Bundestagswahl 2021 hängen im Stadtgebiet Memmingen noch vereinzelt Wahlplakate der Direktkandidaten. Wie die Stadt darauf reagiert.