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Allgäuer Eltern in Sorge: Antibiotikum und Zäpfchen knapp - Paracetamol und Ibuprofen fehlt

Apotheker nennt Situation "bedrohlich"

"Paracetamol? Keine Chance" - Medikamente für Kinder im Allgäu knapp

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    Viele Eltern machen im Augenblick die Erfahrung, dass wichtige Antibiotika für ihr Kind nicht erhältlich sind. Die Apothekerinnen und Apotheker tun, was sie können und müssen die Eltern dennoch oft wegschicken.
    Viele Eltern machen im Augenblick die Erfahrung, dass wichtige Antibiotika für ihr Kind nicht erhältlich sind. Die Apothekerinnen und Apotheker tun, was sie können und müssen die Eltern dennoch oft wegschicken. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Ist das Kind krank, müssen viele Allgäuer Eltern mit dem Nachwuchs zum Kinderarzt. Verschreibt der fiebersenkende Mittel oder Antibiotika, führt der Weg weiter in die Apotheke. Doch das Rezept hilft Eltern und Kindern im Moment oft gar nicht: Antibiotika für Kinder, Fiebersäfte und auch Zäpfchen sind nicht nur in unserer Region sehr knapp. Wir haben mit einer Mutter gesprochen und bei drei Apothekerinnen und Apothekern nachgefragt, wie sie die Lage einschätzen.

    Junge Allgäuer Mutter in großer Sorge

    Sandra Lau, Mutter eines kleinen Sohnes und Erzieherin, ist "in großer Sorge". Als junge Mutter sei sie von vornherein in Habachtstellung - doch wenn dann noch wichtige Zäpfchen oder Säfte fehlen? "Das macht mir große Bauchschmerzen", sagt Lau. Schon mehrfach musste sie wegen fehlender Medikamente für ihren Bub mehrere Apotheken abgrasen. Nach einer Impfung sagte eine Ärztin zu ihr wörtlich: "Es wäre gut, wenn sie Paracetamol zuhause hätten. Sie müssen nur gucken, wo es das gibt."

    Situation bei Antibiotika-Säften für Kinder ist in Immenstadt sehr bedrohlich

    "Es ist so, dass Medikamente knapp sind. Kinder sind genauso betroffen wie Erwachsene. Bei Erwachsenen muss oft die Therapie verändert werden oder sie können nicht behandelt werden", sagt Arndt Botzenhardt. Er ist Inhaber zweier Apotheken in Immenstadt und beobachtet: Bei erkrankten Kindern seien immer die Mütter betroffen. In Botzenhardts Apotheken sei die Situation für Antibiotika für Kinder besonders schlimm. "Besonders Säfte sind schwer zu bekommen. Da ist die Situation ganz bedrohlich, obwohl wir uns nach den Erfahrungen während der Corona-Pandemie bevorratet haben. Manches führen wir auf Lager. Ansonsten nehmen wir Kontakt zu Kollegen auf."

    Arznei für Kinder über andere Allgäuer Apotheker besorgen

    Ein Antibiotikum über eine andere Apotheke zu besorgen, sei extrem aufwendig, sagt Botzenhardt: "Dass etwas nicht geliefert werden kann, betrifft die Arznei für Kinder und Erwachsene." Jeden Tag ist einer seiner Mitarbeiter zwei Stunden nur damit beschäftigt, neue Medikamente zu organisieren. Bei Antibiotika komme ein weiteres Problem hinzu: Weil es möglichst schnell eingenommen werden müsse, seien Umwege problematisch. Und manche Wirkstoffe seien schlicht nicht mehr zu bekommen.

    Kaufbeurer Apotheker: "Wir müssen Leute wegschicken"

    Erich Degenhardt leitet die Kaufbeurer Apotheke am Heinzelmannpark und sagt: "Bei den Ibuprofen-Säften für Kinder ist es im Augenblick etwas entspannter. Aber Paracetamol als Saft? Keine Chance. Auch Zäpfchen werden immer weniger." Manchmal bekomme er Medikamente von Firmen, die zufällig welche ausgeben würden. "Eigentlich handelt es sich um Antibiotika, die Apotheken in Massen vorrätig haben. Aber sie sind zur Zeit nicht zu bekommen." Sollte er ein verordnetes Medikament nicht vorrätig haben, versuche er es zu bestellen. Die nächste Möglichkeit sei, dass die Kundinnen und Kunden in anderen Apotheken nachfragen: "Wir müssen Leute wegschicken."

    Fiebersäft für Kinder sind im Allgäu bedrohlich knapp, die Wirkstoffe Paracetamol (links) und Ibuprofen (rechts) können Apotheken beide kaum noch anbieten.
    Fiebersäft für Kinder sind im Allgäu bedrohlich knapp, die Wirkstoffe Paracetamol (links) und Ibuprofen (rechts) können Apotheken beide kaum noch anbieten. Foto: Jörg Carstensen, dpa (Symbolbild)

    Probleme mit Medikamenten für Kinder treten in Kaufbeuren im Notdienst auf

    Weil es in seiner Nähe keine Kinderarztpraxis gibt, hat Degenhardt relativ wenig Probleme mit Kinderarzneien. Schwierig werde es im Notdienst. Er sagt: "Die Eltern fahren bis nach Marktoberdorf zum Kinderarzt, aber wir können das Rezept hier nicht einlösen. Dann müssen sie nochmal zum Arzt." Denn Ausweichartikel dürfe der Apotheker nicht ohne weiteres ausgeben. "Was die Stärke und Dosierung angeht, sind den Apotheken die Hände gebunden."

    Täglich bis zu zwei Stunden telefonieren, um Kindermedikamente für Kempten zu bekommen

    Auch Julia Fischer, Mitinhaberin der Kastanien Apotheke im Ärztehaus am Forum in Kempten, kämpft mit der Medikamentenknappheit: "Antibiotika sind allgemein knapp. Paracetamol-Säfte sind, ebenso wie Ibuprofen-Säfte, für Kinder sehr schwer zu bekommen." Eine Alternative dazu sind Zäpfchen. Doch obwohl sie eine große Menge gehabt hätten, werde es auch hier schwierig.

    Wie bei Arndt Botzenhardt in Immenstadt auch, ist bei Fischer ein Mitarbeiter jeden Tag ein bis zwei Stunden damit beschäftigt, mehrmals beim Großhändler nachzufragen, ob Medikamente geliefert werden können. Fischer bestellt Arzneien auch aus dem Ausland. Der Aufwand sei enorm. "Aber auch, wenn wir Rücksprache mit den Praxen halten, ist der Mehraufwand sowohl für die Praxen als auch für die Apotheken sehr hoch." Fischer wünscht sich, dass in der Politik langfristige Lösungen gefunden werden: "Die Gesundheit der Menschen muss ernst genommen werden."

    Die Krankheitswelle trifft auch Kaufbeuren und das Ostallgäu. Aktuell gibt es immer mehr Infektionen mit Mykoplasmen bei Kindern. Fieber und Husten, aber auch Lungenentzündungen können die Folge sein.
    Die Krankheitswelle trifft auch Kaufbeuren und das Ostallgäu. Aktuell gibt es immer mehr Infektionen mit Mykoplasmen bei Kindern. Fieber und Husten, aber auch Lungenentzündungen können die Folge sein. Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn/Illustration (Symbolbild)

    Besonders knapp bei Erwachsenen: Blutdrucksenker, Krebsmittel, Herzstärker

    Was bei den Kindern die Antibiotika-Säfte sind, sind bei den Erwachsenen Tabletten, erklärt Botzenhardt. Über alle Arzneimittelgruppen hinweg seien bei Erwachsenen derzeit vier Wirkbereiche sehr betroffen: Blutdrucksenker, Krebsmittel, Herzstärker und Wassertreiber. Botzenhardt sagt, dass der Medikamentenmangel Erwachsene genauso betrifft wie Kinder.

    Für Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek steht eine Krankenhaus-Reform außer Frage. Im Februar plädierte er beim Allgäuer Krankenhaus-Gipfel in Memmingen für einen Wandel im Versorgungssystem.

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