Vielen Branchen im Allgäu fehlen Fachkräfte. Eine Ausnahme bildet die Alpwirtschaft. Auf den 703 staatlich anerkannten Alpen in der Region kümmerten sich heuer in etwa 1400 viele Älpler und Älplerinnen um Jungvieh und Milchkühe. „Wir können uns nicht über Personalmangel beklagen“, freut sich Dr. Michael Honisch, Geschäftsführer des Alpwirtschaftlichen Verein im Allgäu (AVA) vor der Mitgliederversammlung am Sonntag in Fischen. „Viele Einheimische arbeiten mit Herzblut auf den Alpen und geben ihr Wissen an die jüngere Generation weiter.“
Die positive Entwicklung unterstreicht auch Alfons Zeller aus Burgberg (Oberallgäu), seit 30 Jahren Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbauern: „Die Alpwirtschaft ist absolut in. Ihre Bedeutung für Tierwohl, Artenvielfalt und Tourismus wird mittlerweile von der Gesellschaft hochgepriesen.“ Dank des Älpler-Einsatzes verbrachten heuer über 31.000 Rinder in den Bergen den Sommer verbrachten. Diese Zahl, den so genannten Bestoß, bezeichnet Honisch als gut.

Alpwirtschaft im Wandel - das warme Klima hat Auswirkungen auf Alp-Sommer
Durch den Klimawandel zeichneten sich jedoch Veränderungen ab: „Angesichts milderer Frühjahre muss an einigen Bergen geprüft werden, früher in die Alpsaison zu starten oder den Vieh-Bestand zu erhöhen, um ein Zuwachsen der Weideflächen mit Gestrüpp und Bäumen weiterhin zu verhindern“, sagt Honisch. Generell müsse sich die Alpwirtschaft auf längere Phasen der Trockenheit einstellen. „Es muss also dafür gesorgt werden, dass ausreichend Wasser für das Vieh vorhanden ist.
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Dazu beitragen können Wasserpumpen oder Wasserreservoiren.“ Neben dem Wasser beschäftigt die Alphirten ein weiteres „W-Wort“: den Wolf. In dieser Saison hat es zwar keine Tierrisse auf Allgäuer Alpweiden gegeben. Doch die Gefahr steige von Tag zu Tag. „Der Wachstum der Wolfsbestände nimmt exponentiell zu“, sagt Honisch. Die Alpwirtschaft müsse vor Wolfsübergiffen besser geschützt werden. „Bauern züchten nicht das Vieh, um es den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. Älpler und Weidetierhalter im ganzen Alpenraum und Mitteleuropa fordern daher, dass der längst überholte Totalschutz dieser ja keineswegs vom Aussterben bedrohten Tierart endlich aufgehoben wird.“
Wolf-Streit im Allgäu wieder entfacht - Herdenschutz auf manchen Alpen "nicht zumutbar"
Jüngst hatten Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) erste Alpflächen auch im Ober- und Ostallgäu als nicht vor Wolfsangriffen „zumutbar schützbar“ ausgewiesen. Das bedeutet für die Nutztierhalter, dass sie bei einem Wolfsübergriff auf ihr Vieh Ausgleichszahlungen erhalten – ohne zuvor Herdenschutzmaßnahmen getroffen zu haben. In bestimmten Gebieten seien beispielsweise elektrifizierte Einzäunung oder nächtliche Unterbringung in einem Stall nicht möglich. Die Bewertung erfolgt durch Experten der Weideschutzkommission.
Die Ausweisung bestimmter Flächen als nicht „zumutbar schützbar“ bezeichnet der AVA-Vorsitzende Franz Hage als „Schritt in die richtige Richtung.“ Doch er stellt klar: „Das ist nicht ausreichend. Die Regelung müsste im gesamten Berggebiet gelten.“ Das Thema Wolf bleibt also umstrittenen.
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Dagegen hat sich die finanzielle Ausstattung der Alpwirtschaft innerhalb von drei Jahrzehnten positiv verändert, bilanziert Zeller. Staatliche Förderungen wie Ausgleichszulagen für „benachteiligte Gebiete“ (bis zu 200 Euro pro Hektar und Jahr), Kulturlandschaftsprogramm und Investitionsbeihilfen trügen dazu bei. Deshalb müssten Bauern heute - ander als früher - den Älplern in der Regel kein Weidegeld mehr zahlen. „Die Politik hat die Bedeutung der Alpwirtschaft erkannt“, sagt der frühere CSU-Staatssekretär. Sorge bereite die zunehmende Reglementierung. „Es reden zu viele mit, die von der Sache keine Ahnung haben.“