Die Zahl der Erwerbstätigen ist im Allgäu gestiegen. Das zeigen jüngste Daten der Agentur für Arbeit. Also müsste doch auch der Mangel an Fachkräften abnehmen. Oder? Gleichzeitig leidet die deutsche Wirtschaft: Niedriger Konsum, hohe Kosten, große Unternehmen planen, in den kommenden Jahren Stellen abzubauen. Auch das müsste dafür sorgen, dass anderen Firmen mehr Fachkräfte zur Verfügung stehen. Ist das so?
„Vollzeitbeschäftigung geht derzeit zurück“
Im Allgäu gab es laut Agentur für Arbeit Mitte vergangenen Jahres 3300 Beschäftigte mehr als zum gleichen Zeitpunkt 2023. Allerdings handelt es sich dabei vor allem um Teilzeitstellen. „Vollzeitbeschäftigung geht derzeit zurück“, sagt Monika Ambronn, Pressesprecherin der Agentur. Das sei aber nicht das größte Problem, sondern: „Die Unternehmen verlieren in den nächsten Jahren viele ihrer Mitarbeitenden durch den Renteneintritt. Durch den demografischen Wandel kommen nicht genug junge Arbeitnehmer nach, um diese Lücken zu füllen.“
Mehr Betreuungszuschuss, länger arbeiten
Dennoch würde es den Fachkräftemangel lindern, gäbe es mehr Menschen, die statt Teil- in Vollzeit arbeiten. So wird es auch bei der Industrie- und Handelskammer Schwaben gesehen. „Viele der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in Teilzeit – mit steigender Tendenz“, sagt Wolfgang Haschner, Leiter des Geschäftsbereichs Berufliche Bildung bei der IHK. Er fordert von der Politik unter anderem, dass Arbeitgeber einen höheren freiwilligen steuer- und abgabenfreien Betreuungszuschuss an betroffene Mitarbeiter zahlen dürfen. Das könnte die Versorgung der Kinder während der Arbeitszeit erleichtern - die Eltern könnten länger arbeiten. Der Zuschuss müsse zudem auf Grundschulkinder bis zum Alter von zwölf Jahren erweitert werden, sagt Haschner. Außerdem müsse der Staat generell dafür sorgen, dass Kinderbetreuung sichergestellt wird. Auch in den Ferien und in Randzeiten.
Auch die Agentur für Arbeit kümmert sich um das Thema Betreuung. Sie berät Eltern junger Kinder, wie sie es schaffen, einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können, sagt Monika Ambronn. Gleichzeitig unterstütze die Behörde Menschen ohne Arbeit, einen Job in „Mangelberufen“ aufzunehmen, etwa als Erzieher und Pflegefachkraft. Das gelte auch für Quereinsteiger. So hätten sie einerseits einen „sinnstiftenden Beruf“, andererseits verbesserten sie dadurch die Situation für Beschäftigte aus anderen Branchen, die bisher aufgrund von Familienbetreuung zeitlich gebunden sind.
IHK: Beitragsfreie Familienmitversicherung aufheben
Damit aber generell mehr Menschen arbeiten, ob in Teil- oder in Vollzeit, hat die IHK eine weitere Forderung. Sie betrifft zum Beispiel Männer und Frauen, die zuhause bleiben, um sich um die Familie zu kümmern: Die beitragsfreie Familienmitversicherung für Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung soll aufgehoben werden. Dies würde „die Attraktivität einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ steigern.
Bestimmte Branchen wollen in den nächsten Jahren Stellen abbauen, etwa in der Automobilindustrie. Profitieren andere Unternehmen von den frei werdenden Kräften? „Gut ausgebildete Fachkräfte, die arbeitslos werden, kommen derzeit sehr schnell wieder unter – durchaus auch branchenfremd“, sagt Monika Ambronn. Doch auch dieser Aspekt ändere das Problem nicht grundsätzlich. „Es kommen zu wenig Jüngere nach, um die Renteneintritte bei der Beschäftigung auszugleichen.“
2027 werden in Schwaben 20.000 Arbeitskräfte fehlen
Laut IHK Schwaben werden bis 2027 knapp 20.000 Arbeitskräfte fehlen - vom Spezialisten bis zum Helfer. Allerdings nehme die aktuell schwache konjunkturelle Lage ein wenig den Druck aus dem Arbeitskräftemangel. Laut Wolfgang Haschner müssten viele Unternehmen ihre Kosten senken und geplante Neueinstellungen verschieben. Deshalb hätten 44 Prozent der Firmen in Deutschland derzeit keinen Personalbedarf.
Dennoch bleibe die „langfristige Sicherung von Fachkräften eine zentrale Herausforderung“, sagt Haschner. „Viele Unternehmen setzen darauf, ihre bestehenden Mitarbeitenden zu halten und weiterzuqualifizieren, um bei einer wirtschaftlichen Erholung schnell handlungsfähig zu sein“. Ähnlich macht es etwa Bosch Immenstadt/Blaichach. „Unser Fokus liegt nun auf der Weiterentwicklung unserer bestehenden Teams durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen, um den langfristigen Bedarf an Fachkräften überwiegend intern zu sichern“, heißt es bei dem Unternehmen.
Weniger Bürokratie für Mitarbeiter
Um Fachkräfte zu halten und neue zu gewinnen, ist es aus Sicht der IHK auch nötig, dass Bürokratie abgebaut wird, mit der Beschäftigte belastet werden. Dazu zählten Melde- und Dokumentationspflichten, Steuer- und Finanzvorschriften, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Datenschutzbestimmungen. Dafür müssten Mitarbeiter zu viel Zeit aufwenden.
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