Seit dem 1. April ist Michael Mutzel neuer Sportdirektor beim Hamburger SV. So turbulent wie es seitdem beim Nordklub zugeht, hätte es sich auch Mutzel nicht ansatzweise vorstellen können. In seinen drei Jahren zuvor, als Leiter der Scouting-Abteilung bei der TSG Hoffenheim, herrschte Kontinuität auf allen Ebenen. Im hohen Norden an der Elbe, ist das seit Jahren ein Fremdwort.
Zusammen mit Sportvorstand Ralf Becker, den Mutzel aus gemeinsamen Zeiten beim Karlsruher SC kennt, sollte er die Bereiche Bundesliga, Nachwuchs und Scouting verantworten. An der Aufgabenverteilung hat sich nichts geändert. Nur, dass Becker seit dem 24. Mai nicht mehr beim HSV ist. Der Aufsichtsrat setzte den Sportvorstand vor die Tür. Mit Jonas Boldt wurde am gleichen Tag ein Nachfolger präsentiert.
Zuvor musste schon Trainer Hannes Wolf nach dem verpatzten Aufstieg den Hut nehmen. Immerhin: Mutzel war in die Gespräche mit Dieter Hecking involviert, konnte somit auch einen Erfolg bei der Trainersuche verbuchen. Der Ex-Trainer von Borussia Mönchengladbach wird den HSV zur neuen Saison übernehmen.
Den Begriff Bundesliga kann der 39-Jährige nach dem verpatzten Aufstieg zumindest vorerst für eine weitere Saison auf die 2. Liga reduzieren. So richtig nach Plan liefen die letzten Wochen nicht. Zum Amtsantritt nach dem 27. Spieltag war der HSV Zweiter mit vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz. Danach kamen nur noch mickrige zwei Zähler hinzu, der HSV wurde in der Endabrechnung Vierter.
„Der verpasste Aufstieg war natürlich sehr ärgerlich, keine Frage. Er ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich überzeugt bin, für mich beruflich die richtige Wahl getroffen zu haben“, sagt Mutzel. Der gebürtige Memminger klettert seit Jahren Schritt für Schritt auf der Karriereleiter nach oben. Nach der aktiven Karriere als Profi in Frankfurt, Stuttgart und beim Karlsruher SC, stieg er zunächst in der Jugendabteilung der TSG Hoffenheim ein. Zuerst als U17-Trainer, dann als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Nach einem einjährigen Gastspiel als Manager in Fürth ging es zurück zur TSG.
Diesmal mit wesentlich mehr Kompetenzen bei den Kraichgauern. Mutzel verantwortete den Bereich Scouting, hatte 25 Mitarbeiter unter sich und fädelte Transfers wie den von Kerem Demirbay (HSV), Sandro Wagner (Darmstadt 98), Reese Nelson (Arsenal London) oder Florian Grillitsch (Bremen) ein. Er knüpfte national wie international zahlreiche Kontakte. Den Blick für einen talentierten Spieler hatte er schon immer. „Natürlich konnte ich mir in Hoffenheim nicht jeden für die TSG interessanten Spieler persönlich anschauen. Ich habe mich aber voll auf meine Mitarbeiter verlassen können, ihnen vertraut und als es ernst wurde, mir dann selbst einen detaillierten Eindruck verschafft und eine Empfehlung an das Management gegeben.“
Der persönliche Eindruck im Gespräch, der Blick von der Tribüne auf das Feld ist für Mutzel viel wertvoller, als das Durchforsten von professionellen Analyse-Programmen wie Wyscout, das mittlerweile fast jeder Verein nutzt. „Man muss ein Gefühl entwickeln. Passt der Spieler zum Verein? Von seiner Spielweise und seiner Persönlichkeit? Welchen Hintergrund bringt er mit? Geht es ihm nur ums Geld oder will er wirklich sportlich etwas erreichen?“, erläutert Mutzel.
Am Ende aber – und das weiß er nur zu gut –, muss der Spieler funktionieren und im besten Fall eine ordentliche Ablöse erzielen. Bei der TSG funktionierte das zuletzt hervorragend. Sandro Wagner, für zwei Millionen Euro von Darmstadt geholt, wechselte für 13 Millionen Euro zum FC Bayern München, Demirbay, für 1,7 Millionen Euro vom HSV losgeeist, spült gerade 32 Millionen Euro aus Leverkusen in die Hoffenheimer Kasse. Einen Reese Nelson, Leihspieler von Arsenal London, hatte zuvor auch niemand in der Bundesliga auf dem Schirm.
Mutzel hat sich trotz nachweisbarer Erfolge selbst noch nie ins Schaufenster gestellt, sondern lieber im Hintergrund seine Arbeit verrichtet. „Im Endeffekt kommt es darauf an, dass sie im Verein wissen, dass Du einen guten Job machst. Nur vor den Mikrofonen in Interviews zu glänzen, reicht auf Dauer nicht“, sagt Mutzel. Auch in Hamburg führte er in der Endphase der Saison abseits der Öffentlichkeit einige Gespräche mit möglichen Neuzugängen, flog unter anderem nach England. Durch den Nicht-Aufstieg sind natürlich einige Optionen weggefallen. Entmutigen lässt er sich aber nicht und bleibt hanseatisch kühl: „Wir werden auch in der 2. Liga einen guten Kader zusammenbekommen. Der HSV hat nach wie vor eine Anziehungskraft. Dazu gibt es immer gute Spieler zu entdecken, die noch nicht jeder kennt.“ Zusammen mit Sportvorstand Boldt und Chef-Scout Johannes Spors wird die Kaderplanung vorangetrieben.
Auch privat schaut Mutzel voraus, hält Ausschau nach einer Bleibe für seine Frau und die drei Kinder. Denn die Familie wohnt momentan noch in Waldorf, dem Heimatort von TSG-Mäzen Dietmar Hopp. „Für mich ist und war es immer wichtig, dass meine Familie dabei ist. Das war in Fürth so, in Hoffenheim und wird auch beim HSV so sein“, sagt Mutzel.