Es ist keine ausgewachsene Grippe, sondern nur ein starker Schnupfen. Doch der plagt immer mehr Unternehmen in der Region: Die Automobilkrise macht auch vor dem Allgäu nicht Halt. Der Dieselskandal, die weltweiten Handelskonflikte mit den USA sowie das Ringen um den Antrieb der Zukunft belasten weltweit den Autoabsatz – und damit so manche heimische Firma. Denn in der Region gibt es zahlreiche, teils weltweit agierende Automobil-Zulieferer.
Der Oberallgäuer Bosch-Standort Blaichach/Immenstadt ist in den vergangenen Jahren auf 4000 Mitarbeiter und damit zum größten Allgäuer Automobilzulieferer gewachsen. Mit diesem Trend sei es vorbei, nachdem der Automobilmarkt „2019 unseren Schätzungen zufolge um fünf Prozent unter dem Vorjahr liegen wird“, heißt es von der Geschäftsführung. Und weiter: „Wir rechnen nicht damit, dass es sich um eine kurzfristige Marktabkühlung handelt, sondern dass die Automobilproduktion in den kommenden Jahren stagnieren wird.“
Pessimismus sei dennoch fehl am Platz: Die Werksleitung sieht Bosch im Oberallgäu nach der „strategischen Ausrichtung in den letzten Jahren zukunftsfähig aufgestellt“. Neben der Produktion bedeutsamer Fahrzeugkomponenten (etwa das Anti-Blockier-System ABS und die Stabilitätskontrolle ESP) stellt das Unternehmen auch die Wachstumsfelder autonomes Fahren, Fahrzeugsicherheit und elektrisches Fahren heraus. Dazu gehören Kamerasysteme über Sensoren bis zum Bremssystem. „Diese Märkte wachsen und werden es auch in Zukunft tun“, ist die Geschäftsführung überzeugt.
Stark auf die Automobilbranche fixiert ist auch die Swoboda Gruppe mit Sitz im Oberallgäuer Wiggensbach. Hauptprodukte sind unter anderem Magnetbaugruppen, Sensoren, Steckverbinder sowie Steuerungen von Lenkung und Getriebe. Das Unternehmen beschäftigt an zehn Standorten in sechs Ländern 4200 Mitarbeiter. Es wollte bis 2025 weitere 2000 Beschäftigte einstellen und den Jahresumsatz von 500 Millionen auf eine Milliarde Euro steigern. An ihrer Wachstumsstrategie hält die Firmengruppe auch weiterhin fest, sagt Christian Göser aus der Geschäftsführung. Aktuelle Umsatzrückgänge im Seriengeschäft und bei Neuprojekten führten aber zu einer Verlangsamung der geplanten Entwicklung.
Auf die Eintrübung, die nach vorsichtiger Schätzung der Geschäftsführung mindestens drei Jahre dauern wird, reagiert Swoboda konsequent: „Wir haben ein intensives Kostensenkungsprogramm laufen. Überstunden werden abgebaut, Zeitarbeit reduziert und frei werdende Stellen nicht nachbesetzt“, verdeutlicht Göser. Strategisch sei die gesamte Gruppe auf den Wandel der Branche mit neuen Technologien vorbereitet. „Kürzlich haben wir ein Werk unseres Joint Ventures Morat Swoboda Motion eröffnet, in dem wir Antriebskomponenten für E-Mobilität bauen“, nennt Göser ein Beispiel.
Rund 60 Prozent ihres Umsatzes macht die Memminger Firma Magnet-Schultz im Automotiv-Bereich, etwa mit Sensoren und Parksperren. Doch dieser Bereich sei nicht das Hauptproblem, erklärt Geschäftsführer Dr. Albert W. Schultz. Eher gebe es weltweit eine „allgemeine Käuferzurückhaltung“. Als weitere Gründe für die Krise nennt Schultz die Wachstumsabschwächung in China, die Handelskonflikte mit den USA, den Brexit sowie Auftragsrückgänge im Maschinenbau.
Um seine Facharbeiter trotz nachlassender Nachfrage halten zu können, meldete Magnet-Schultz im April für ein Jahr Kurzarbeit für alle deutschen Standorte an. Seit Oktober befindet sich etwa die Hälfte der Belegschaft – rund 1000 Mitarbeiter – in Kurzarbeit. Schultz hält Kurzarbeit für ein wirksames Instrument, da die Fachkräftesicherung oberste Priorität habe. „Hier könnte der Gesetzgeber einen sehr guten Beitrag leisten, indem er die Verlängerung von Kurzarbeit über ein Jahr hinaus ermöglicht – so wie 2009“, sagt der Geschäftsführer.
So oder so blickt er optimistisch in die Zukunft: „Wir glauben an eine Erholung der Märkte ab Mitte 2020.“ Das Unternehmen feile an zahlreichen Neuentwicklungen, die sich positiv auf die Beschäftigungslage auswirken würden.
Auch die Arbeitsagentur Kempten-Memmingen sieht keinen Anlass zum Schwarzmalen: „Das Allgäu ist in der Gesamtheit von den Auswirkungen nicht stark betroffen, weil die Region zum Glück einen breiten Branchenmix aufweisen kann“, sagt Leiterin Maria Amtmann. Im Bereich Maschinenbau- und Betriebstechnik gab es im Januar 2019 im Allgäu 256 Arbeitslose, im September waren es 283 – ein Anstieg um über zehn Prozent. Im Bereich Elektrotechnik sank die Zahl der Arbeitslosen dagegen von 115 auf 111.(sf, raf, arz, sih)