Wenn Buchstaben Füße kriegen, Zitronen Flügel wachsen, wenn Fische Zitroneneis schlecken und eine Paprika im Grand Café Schokolade schlürft – ja was bitte soll dann noch unmöglich sein? Nichts ist in der Welt von Antonie Schneider unmöglich. Denn sie ist daheim in der Welt der Poesie. Den Weg dorthin weist die vielfach ausgezeichnete, 66-jährige Autorin im neuen Buch „Es flattert und singt“, dessen Untertitel lautet: „Gedichte und mehr und alles für Kinder“. Erwachsenen Menschen sei geraten, sich den Kindern anzuschließen. So viele Farben und Geschichten, Späße und neue Freunde finden sie an kaum einem anderen Ort. Wer mag, kann diesen Ort gleich mitgestalten – die Anleitung dazu ist Teil des von der Kulturjournalistin Christine Knödler herausgegebenen Buchs.
Mein weißes Blatt ist voll von Wegen
von rechts nach links
von links nach rechts
läuft es dem Glück entgegen
So lautet die freundliche Einladung, mit der das Huhn Helena und der Gockel Hannibal kleine wie große Leserinnen und Leser begrüßen. In ebenso schlicht wie klug gesetzten Versen von Antonie Schneider regt das gefiederte Paar dazu an, die Zauberkraft der Poesie zu entdecken: ihren Rhythmus und ihre Melodie, ihre Ausgelassenheit und Wärme, ihre Lust und grenzenlose Freiheit.

Luftige Zeichnungen von Marion Goedelt umgarnen und durchdringen Antonie Schneiders kleine Gedichte, die voller Überraschungen stecken. Da lacht der Hahnenfuß, Kartoffeln schlüpfen in Kartoffeln, Früchte reisen im Auto – oder auch hoch zu Ross. In Schneiders Reimen finden die seltsamsten Gesellen an unglaublichen Schauplätzen zusammen. Die Kinderbuchautorin aus Weiler im Westallgäu, deren Werk durchwirkt ist von Philosophie und Lebensweisheit, flicht aus Silben, Worten und Sätzen köstliche Fantasien. Immer wieder weisen Fragezeichen den Gedanken den Weg: Sie wecken Neugierde, fordern zum Weiterspinnen auf und deuten an, dass jede Geschichte auch anders ausgehen könnte.
Ich dichte, sagt das Huhn, nicht nur an Regentagen.
Was ist das, fragt der Hahn,
hast du nichts anderes zu tun?
Dichten ist...
finden...
und suchen? fragt der Hahn.
Helena und Hannibal wollen es der Dichterin nachmachen und suchen Reime. Aus dem im Staub entdeckten Wurm wird der Buchstabe O, im neckenden Streitgespräch testen die Beiden reine und unreine Reime, stoßen auf witzige und absurde Szenerien. „Mach mit“, fordern sie die Leserschaft auf und vergleichen das Dichten mit Clowns im Zirkus: „Sie jonglieren, sie machen Quatsch, das Ganze macht Spaß.“ Über das 118 Seiten starke Buch verteilen sich mehrere „Mach mit“-Kapitel. Tipps, Ermunterungen, einfache Beispiele und anregende Spiele zeigen, wie jedem ein Gedicht gelingen kann.
„Es flattert und singt“ bietet sich als besonders lohnender Familienausflug an. Wenn Kinder und Erwachsene gemeinsam zwischen Buchseiten Wortwitz und Weisheit entdecken, anarchistische Ideen und unorthodoxe Fragen aussprechen, in den Klang von Silben und die Stimmung von Versen eintauchen und sich dabei von Marion Goedelts liebevollen Zeichnungen verzaubern lassen, kommen sie mit einem Reichtum an Eindrücken vom Ausflug wieder heim, der weit in den Alltag hinein trägt.
Mein Haus steht überall.
Ich hab es selbst gebaut.
Es ist kein Hühnerstall.
Bei mir bin ich zu Haus.
An manchen Tagen aber
geh ich hinaus.
Antonie Schneider und Christine Knödler (Hrsg.): Es flattert und singt - Gedichte und mehr und alles für Kinder. dtv/Reihe Hanser. 118 Seiten; 14,95 Euro.