Herr Reichart, wann waren Sie zuletzt auf der B12 unterwegs und was ging Ihnen dabei durch den Kopf?
Thomas Reichart: Anfang der Woche bin ich auf der Straße vom Oberallgäu zurück nach Hause mitgefahren. Es ging gut voran, es gab keine Staus, nichts Besonderes.
Auch keine brenzlige Situation?
Reichart: Nein, aber das Sicherheitsargument wird von den Befürwortern eines autobahnähnlichen Ausbaus der B12 natürlich immer an erster Stelle genannt. Es passieren schwere Unfälle auf dieser Straße. Das will ich gar nicht wegdiskutieren, und jeder Unfall ist einer zu viel. Wenn jedoch, wie geplant, die Richtungsfahrbahnen baulich voneinander getrennt sind, es aber kein Tempolimit mehr gibt, dann passieren nicht weniger Unfälle, sondern andere. Das zeigen Erfahrungen auf Autobahnen. Das Aktionsbündnis „B12 – so nicht!“ will mehr Sicherheit mit einem sinnvollen Mitteleinsatz erreichen – ohne Hunderte von Hektar Boden zu versiegeln.
Das Aktionsbündnis ist also nicht grundsätzlich gegen einen Ausbau der B12, obwohl der Bund Naturschutz Anfang August Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt bei Buchloe eingereicht hat?
Reichart: Das Bündnis „B12 – so nicht!“ ist ein sehr breites und entsprechend gibt es auch eine Vielzahl von Meinungen bei den Mitgliedern – von einem gemäßigten Ausbau bis hin zum Verbleib der Bundesstraße im momentanen Zustand. Einig sind sich aber alle, dass die geplante Autobahn mit 28 Metern Breite und ohne Tempolimit ein Irrsinn ist, der absolut nicht mehr in diese Zeit passt. Dieser breite Konsens zeigt sich unter anderem daran, dass der Bauernverband den Bund Naturschutz bei seiner Klage zu 100 Prozent unterstützt.
Wo setzten Sie mit Ihrer Klage konkret an?
Reichart: Wir haben im Verlauf des Planungs- und Genehmigungsverfahrens und zuletzt bei den Erörterungsterminen immer wieder angemahnt, dass das Bauamt geltendes Recht ignoriert. Unter anderem wurden weder die 2017 novellierten Vorgaben zur Umweltverträglichkeitsprüfung, noch die des 2019 beschlossenen Bundesklimaschutzgesetzes bei den Planungen beachtet. Letzteres verpflichtet etwa dazu, Projekte daraufhin zu überprüfen, welche Rolle sie beim Erreichen der nationalen Klimaschutzziele spielen.
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Wie beurteilen Sie Ihre Chancen vor Gericht?
Reichart: Ich bin kein Jurist, aber unsere Klage wird von einer in diesem Fachgebiet bundesweit renommierten Kanzlei vertreten, für die wir natürlich auch die entsprechenden finanziellen Mittel auftreiben müssen. Bis Mitte Oktober hat diese nun Zeit, die Klage zu begründen. Dann werden wir sehen. Auch in der Fachwelt wird das Verfahren wohl aufmerksam verfolgt, weil es eine der ersten Klagen gegen ein Straßenbauprojekt ist, nachdem der Gesetzgeber den Klimaschutz deutlich mehr Gewicht verliehen hat. Man kann im Jahr 2022 nicht mehr Straßen bauen, als ob es keinen Klimawandel gäbe – denn der ist auch bei uns im Allgäu längst angekommen.
Das Staatliche Bauamt hat bereits deutlich gemacht, dass eine schmälere vierspurige Ausbauvariante wie etwa bei der B19 zwischen Kempten und Sonthofen rechtlich nicht mehr möglich sei. Hat da Ihre Klage überhaupt noch Sinn, wenn Sie das Projekt nicht ganz verhindern wollen?
Reichart: Die vom Bauamt ins Feld geführten Regelquerschnitte sind keine Gesetze und schon gar keine Naturgesetze, sondern technische Richtlinien, über die man sich bei entsprechendem politischen Willen auch hinwegsetzen kann. Ein Beispiel dafür ist der verbesserte Lärmschutz, der Buchloe und Jengen im Zuge des B12-Ausbaus zugestanden würde, obwohl die Richtlinien etwas anderes vorgeschrieben hätten. Abseits aller juristischen Details soll unsere Klage vor allem dazu dienen, Zeit zu gewinnen, um den B12-Ausbau nochmals neu zu überdenken und so zu gestalten, dass es eine für alle tragbare und zukunftsfähige Lösung gibt.
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Und wenn dieses „Zeit gewinnen“ dazu führt, dass der B12-Ausbau wieder aus dem Bundesverkehrswegeplan rutscht und die dafür bereitgestellten Millionen Euro andernorts verbaut werden?
Reichert: Meines Wissens kommt es so gut wie nie vor, dass ein Straßenbauprojekt, das im Plan einmal drin ist, wieder rausfällt. Um die A94 durch das Isental östlich von München wurde über 30 Jahre lang gestritten, und die Finanzmittel standen immer bereit. Dieses Argument sehe ich eher als Angstmacherei, um den B12-Ausbau in der geplanten Form möglichst schnell durchziehen zu können. Bei diesem Aspekt, aber auch insgesamt bei der Diskussion um die B12 würde ich mir mehr Sachlichkeit wünschen. Was da insbesondere im Internet an Kommentaren kommt, ist teilweise schon absurd.
Fahrraddemo am Sonntag in Buchloe
Das Aktionsbündnis „B12 – so nicht!“ veranstaltet am Sonntag, 18. September, eine weitere Fahrraddemo gegen den Ausbau der Bundesstraße. Treffpunkt ist um 11 Uhr am Sportgelände im Buchloer Stadtteil Lindenberg. Ab 11.45 Uhr dürfen die Teilnehmer dann die zwischen der Anschlussstelle Jengen und der A96 gesperrte Bundesstraße befahren.
Zur Person Thomas Reichart
Thomas Reichart (36) ist Mitglied im Vorstand der Kreisgruppe Ostallgäu/Kaufbeuren des Bund Naturschutz. Dieser klagt federführend im Aktionsbündnis „B12 – So nicht!“ gegen den den autobahnähnlichen Ausbau der Bundesstraße. Der Ingenieur arbeitet als selbstständiger Handelsunternehmer und lebt mit seiner Familie in Ebenhofen bei Marktoberdorf.