Der Mann kommt wie aufs Stichwort. Gerade als Eckhard Fischer, künstlerischer Leiter des Oberstdorfer Musiksommers, seine Bilanz zieht, fragt der Gast, der zur Tür des Büros hereinspitzt, wann denn das Festival im nächsten Jahr stattfinde. Seit Jahren buche er danach seinen Urlaub im Ort.
Eckhard Fischer und seine beiden Mitstreiter im Festivalbüro, dessen Leiterin Sandra Ricken und Michael Marx, der sich um den Kartenverkauf kümmert, lächeln. Es ist eine schöne Bestätigung für ihre Arbeit. Ebenso wie der enthusiastische Beifall, der das Janoska-Ensemble verabschiedet, jene Musiker, die das Abschlusskonzert des Festivals zu einem künstlerischen Glanzpunkt erhoben haben. Einem von vielen bei diesem Festival.
Dieser Schlussakkord wartet dabei mit einem ungewöhnlichen Programm auf. Es weitet die sogenannte Klassik, die den Schwerpunkt der Reihe bildet, um Jazz und Pop: Jazz von Cole Porter und Pop von den Beatles. Beide musikalischen Felder verursachen keinen Stilbruch, sondern verschmelzen harmonisch mit den Gedanken von Mozart, Beethoven oder Tschaikowski. Das liegt an der staunenswerten Improvisationskunst der drei Brüder Ondrej, Roman und František Janoska aus dem heute slowakischen, einst ungarischen Pressburg und ihres angeheirateten Cousins Julius Darvas. Demnächst werden die vier Herren diese Improvisationskunst auch beim Classix-Festival in Kempten mit einem anderen Programm unter Beweis stellen: beim „Fliegenden Wechsel“ am 27. September.
Im Oberstdorf-Haus präsentieren sie vor 350 Zuhörern Arrangements aus ihrer neuen CD „Revolution“. An die Französische erinnert gleich der Auftakt, die Ouvertüre zu Wolfgang Amadé Mozarts „Le nozze di Figaro“. Das Intrigenspiel der Oper, das zu einem „tollen Tag“ führt, fußt auf den Vorwehen dieses gesellschaftlichen Umsturzes. Und so hebt das Arrangement des Janoska-Ensembles auch mit einem Zitat aus dem Kampflied jener Revolution an, der Marseillaise, bevor Mozarts Musik losschnurrt. Sie weitet sich zu einem jüdischen Hochzeitslied, kehrt aber immer wieder nahtlos zum Original zurück.
Doch nicht nur aufmüpfigen Figuren wie dem Kammerdiener Figaro, der seinen Herrn austrickst, zollen die Musiker in diesem Programm Tribut. Sie verstehen sich selbst als Revolutionäre, die der klassischen Musik neue Impulse verleihen möchten, wie Kontrabassist Julius Darvas erklärt, der durch das Programm führt.
Dabei mischen sie die Stile und Genres auf musikalisch höchst elegante Weise. So erklingt im Beatles-Song „Let It Be“ immer wieder der Kanon des Barockmeisters Johann Pachelbel, und Ludwig van Beethovens „Mondscheinsonate“ geht eine beglückende Liaison mit Cole Porters Song „Night and Day“ ein.
Persönliche Akzente setzen Pianist František Janoska und Geiger Roman Janoska mit Stücken, die sie für ihre Söhne Leonidas und Roman junior komponiert haben. Es sind Virtuosenstücke, die ihren Vätern Gelegenheit geben, zu brillieren und zugleich ihre unerschöpfliche musikalische Fantasie und Improvisationskunst auszuschöpfen. Immer wieder nutzt Roman seine Geige dabei sogar temperamentvoll wie ein Banjo, während František zarteste Tonkaskaden aus den Tasten des Klaviers zaubert. Ondrej darf seine Geige verführerisch singen lassen, und Julius Darvas sorgt für das keineswegs eintönige Bassfundament.
Als Überraschungsgast tritt auch noch ein vierter Janoska-Bruder auf: Arpad, der mit Gefühl ein schummriges spanisches Liebeslied vorträgt: Contigo en la distancia. Doch vor allem die vier Instrumentalisten begeistern das Publikum.
Auch mit dem künstlerischen Niveau der anderen Konzerte ist Eckhard Fischer sehr zufrieden. Er fühlt sich in seinem Kurs bestätigt, Künstler einzuladen, die ihre Programme selbst gestalten. Über 4000 Menschen haben die Konzerte des Festivals besucht, drei waren ausverkauft. Die Zahlen seien stabil. Das Budget von etwa 200 000 Euro werde zu 55 Prozent durch Sponsoren und zu 45 Prozent durch Einnahmen abgedeckt. Im September beginnt Eckhard Fischer damit, den nächsten Musiksommer vorzubereiten. Ideen habe er so viele, dass sie für fünf Festivals reichen würden.