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Bürgergeld 2024: Jobcenter Memmingen - Wie mit Arbeitsverweigerern umgehen?

Jobcenter im Allgäu

Wie umgehen mit Arbeitsverweigerern? - Das sagen Memminger Jobcenter-Mitarbeiter

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    Im Jobcenter - hier die Memminger Behörde - werden Bürgergeld-Empfänger betreut. Auf unserem Bild Geschäftsführer Norbert Schreff.
    Im Jobcenter - hier die Memminger Behörde - werden Bürgergeld-Empfänger betreut. Auf unserem Bild Geschäftsführer Norbert Schreff. Foto: Andreas Berger

    Sobald es ums Bürgergeld geht, beginnen die Diskussionen. Auf der Party, im Büro, in der Politik. Von Letzterer kommen in jüngster Zeit vermehrt Forderungen zu diesem Thema. Etwa härtere Sanktionen gegenüber Arbeitsverweigerern. Wie kommt das im Jobcenter an, das sich ums Bürgergeld kümmert? Das haben wir bei einem Besuch in der Memminger Behörde gefragt. Platz nehmen durften wir in den Büros von Geschäftsführer Norbert Schreff und zwei Mitarbeiterinnen, die namentlich nicht genannt werden möchten.

    Bürgergeld-Erhöhung: "Da gab es einen Aufschrei"

    Zu Jahresbeginn ist das Bürgergeld für Alleinstehende von 502 auf 563 Euro erhöht worden. "Da gab es einen Aufschrei", sagt eine der Kolleginnen, sie ist Arbeitsvermittlerin. Aus ihrer Sicht aber ist die Erhöhung gerechtferigt. Wer darüber schimpfe, dem empfiehlt sie, an die eigenen Einkäufe im Supermarkt zu denken: Alles ist teurer geworden. Von den 563 Euro müsse fast der komplette Lebensunterhalt bestritten werden. Strom, Kleidung, Lebensmittel und vieles andere. Für die Miete wird ein Anteil gezahlt, Alleinstehende etwa erhalten 407 Euro - plus einen Anteil an den Heizkosten.

    Ist das Bürgergeld zu hoch?

    Was ist also dran an dem Vorwurf, Arbeit würde sich für viele nicht mehr lohnen, weil das Bürgergeld so hoch sei? Und dass deshalb reihenweise Menschen ihre Jobs kündigen und so auf dem Arbeitsmarkt fehlen? Solche Aussagen kennt Norbert Schreff. Bis heute habe ihm aber niemand belegen können, dass es stimmt. Er müsse nun mal mit Fakten arbeiten, nicht mit Vorwürfen. Nicht kündigen, sondern mehr arbeiten möchte eine Kundin der anderen Jobcenter-Kollegin. Sie ist Sachbearbeiterin Leistungsgewährung, also dafür zuständig, zu berechnen, ob jemand Bürgergeld bekommen darf. Die Kundin, von der sie erzählt, habe einen Teilzeitjob in der Reinigungsbranche, würde aber gern voll arbeiten, um ihr Leben bestreiten zu können. Ihr Arbeitgeber könne ihr aber keinen Vollzeitjob bieten. Sie müsse also mit Bürgergeld aufstocken. Hier sei das Ziel, einen anderen Job für die Frau zu finden.

    Wer zu wenig verdient, kann sich weiterbilden lassen

    Die Mitarbeiterin kennt auch Fälle, in denen Menschen um einen Beratungstermin gebeten haben, um sich ausrechnen zu lassen, ob sich für sie die Arbeit noch lohnt. "Das sind jedoch Einzelfälle und nicht die Mehrheit der Personen, die beim Jobcenter vorsprechen." Und auch solche werden eingeladen, sagt Schreff. "Wir sind ja auch ein Dienstleister." Dann wird unter anderem geprüft, ob die Personen bedürftig sind. Das ist eine der Voraussetzungen, Bürgergeld zu beziehen. Für jeden, der es bekommt, sei das Ziel das gleiche, sagt Schreff: eine Arbeit zu vermitteln, mit der jemand allein sein Leben bestreiten kann. Wer mit seinem Lohn nicht auskomme, zum Beispiel weil er damit seine Familie ernähren muss, dem könnten Weiterbildungen angeboten werden, damit er einer Arbeit nachgehen kann, mit der er genug verdient.

    Was ist, wenn sich jemand der Arbeit verweigert?

    Aber was, wenn sich ein Bürgergeldempfänger weigert, zu arbeiten? In solchen Fällen will CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann das Bürgergeld komplett streichen. Geschäftsführer Schreff: Seit 2005, als die Jobcenter gegründet worden sind, habe es in der Memminger Behörde nur wenige Einzelfälle gegeben, "die sich total verweigert haben". "Die meisten sind Menschen, die einfach unsere Hilfe benötigen." Die Arbeitsvermittlerin sagt: "Seit Einführung des Bürgergelds habe ich keine Leistungskürzungen verhängen müssen. (...) Unser Ziel ist nicht, Kunden rauszusanktionieren, sondern ihnen zu helfen, und - wenn nötig - sie zu motivieren." Unsere drei Gesprächspartner sind sich einig: Die meisten wollen arbeiten und selbst ihren Lebensunterhalt verdienen. Egal, welcher Nation jemand angehöre. So seien zum Beispiel Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, so motiviert wie andere auch. Sie wollten sich nach ihrer Flucht wieder ein Leben aufbauen, wollten dafür arbeiten. Einigen müsse eben geholfen werden, weil sie die Sprache nicht beherrschen, einige könnten auch nicht lesen und schreiben. Hier helfe das Jobcenter.

    Fahrtzeiten von bis zu drei Stunden

    Was halten die drei vom Plan der Bundesregierung, dass für eine vom Jobcenter vermittelte Stelle Fahrtzeiten von bis zu drei Stunden zumutbar sein sollen - für Hin- und Rückweg zusammen. Die Arbeitsvermittlerin kann sich Schwierigkeiten bei der Umsetzung vorstellen: Die meisten Bürgergeldempfänger könnten sich kein Auto leisten. Und mit dem Zug? Wegen Verspätungen und Streiks sei die Bahn nicht zuverlässig genug. Eine Frau, die sie betreut hat, habe eine Stelle in München bekommen - aber nach einigen Wochen wieder verloren, weil sie durch Zugausfälle nicht oder viel zu spät zur Arbeit gekommen ist.

    Jeden Monat werden 30 Menschen in Arbeit vermittelt

    Im Juni 2022 ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, dazu gehören etwa Familien, die Bürgergeld erhalten, mit einem Sprung um knapp 200 gestiegen. Der Grund: Ab diesem Zeitpunkt durften Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld beantragen, sagt Norbert Schreff. Er ist Geschäftsführer des Jobcenters Memmingen, das nur für die Einwohner der Stadt zuständig ist. Seit dem liegt die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, um die sich das Jobcenter Memmingen kümmert, im 900er-Bereich. Das seien aber nicht ständig dieselben Menschen: Etwa 30 werden pro Monat in Arbeit vermittelt, und es kommen wieder neue hinzu. Im April waren es 928 Bedarfsgemeinschaften, dahinter steckten 1833 Personen.

    Der Unterschied zwischen Bürgergeld und Sozialhilfe

    Ob und wie viel Bürgergeld jemand bekommt, hängt von vielen Faktoren ab, sagt eine Jobcenter-Mitarbeiterin. Beziehen können es grundsätzlich nur Menschen, die bedürftig sind. Das wird geprüft. Und sie müssen erwerbsfähig sein, also noch arbeiten können. Als erwerbsfähig gilt, wer mindestenst drei Stunden am Tag arbeiten kann. Dazu zählt auch die alleinerziehende Mutter, die vielleicht vorübergehend nicht arbeiten kann, weil sie ihre Kinder betreuen muss, aber irgendwann wieder dazu in der Lage ist. Wer krank ist oder zu alt und deshalb nicht mehr arbeiten kann, ist bei der Kommune richtig aufgehoben, wo er Sozialhilfe beantragen kann. Die Höhe des Bürgergeldes zu berechnen, sei komplex. Es müssten viele Dinge berücksichtigt werden. Etwa, ob jemand arbeitet, davon aber nicht leben kann. Und wie viele Personen im Haushalt leben.

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