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Bürgergeld-Sanktionen: Bringen die Pläne von Hubertus Heil tatsächlich was? Der Blick ins Allgäu

Sparpläne von Hubertus Heil

Bürgergeld Arbeitsverweigerern streichen: Wie viele Menschen trifft das im Allgäu?

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    Hubertus Heil (SPD) will Menschen, die das Bürgergeld beziehen, aber sich weigern eine Arbeit aufzunehmen, stärker sanktionieren. Doch wie viel Effekt hätte das im Allgäu?
    Hubertus Heil (SPD) will Menschen, die das Bürgergeld beziehen, aber sich weigern eine Arbeit aufzunehmen, stärker sanktionieren. Doch wie viel Effekt hätte das im Allgäu? Foto: Ralf Lienert (Archivbild/Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)/Collage: AZ

    Es sollte ein großer Wurf werden und Hartz IV ablösen. "Das Bürgergeld ist die größte Sozialreform seit Jahrzehnten", sagte Hubertus Heil vor einem Jahr. Zwölf Monate und eine Haushaltskrise später steht das Bürgergeld unter Beschuss von Kritikern - und der SPD-Arbeitsminister hat Pläne für Verschärfungen in die Gesetzespipeline der Ampel-Regierung gegeben.

    Heil plant, Menschen das Bürgergeld für bis zu zwei Monate zu streichen, wenn sie "zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern". Damit sollen mehr Anreize geschaffen werden, um Leistungsbeziehende an den Arbeitsmarkt zu bringen. Doch bringt dieser erhöhte Druck wirklich etwas? Und wie viele Menschen würde die Maßnahme im Allgäu überhaupt treffen?

    Stärkere Sanktionen bei Arbeitsverweigerung: Was zählt als Verweigerung?

    "Bürgergeldbeziehende Menschen sind in der Regel verpflichtet, aktiv nach Arbeit zu suchen und sich auf zumutbare Arbeitsstellen zu bewerben", erklärt Monika Ambronn, Sprecherin der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen, die für das Allgäu zuständig ist. Dabei stehen ihnen Fachkräfte der Jobcenter beratend zur Seite. In Gesprächen werden gemeinsam mit den Beziehenden individuelle Kriterien festgelegt, nach denen dann zumutbare Arbeitsstellen gesucht und vermittelt werden.

    "Es kann eine Sanktion dann eintreten, wenn Kunden ein konkretes Arbeitsangebot, das den individuellen Kriterien entspricht und daher zumutbar ist, willentlich ablehnt und sich nicht bewirbt. Dabei muss die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme tatsächlich und unmittelbar bestehen", erklärt Ambronn.

    Was passiert bislang in solchen Fällen?

    Sanktionsmöglichkeiten beim Bürgergeld sind im Vergleich zu früheren Hartz-IV-Zeiten moderat: 10 Prozent bei versäumten Terminen, bis zu 30 Prozent bei absprachewidrig unterlassenen Bewerbungen oder Kursteilnahmen. "Im Ergebnis werden derzeit weit weniger Sanktionen verhängt als vor der Covid-Pandemie", sagt der Arbeitsmarktexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Holger Schäfer der Deutschen Presseagentur. Dabei gelte: "Eine Sanktion erhöht die Wahrscheinlichkeit, in Arbeit zu gehen."

    Heil hat nun eine gesetzliche Regelung auf den Weg gebracht, die einen kompletten Wegfall der Leistungen für bis zu zwei Monaten ermöglichen soll, wenn Beziehende "zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern". Doch Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg bezweifelt, dass "schwarze Schafe" stets eindeutig auszumachen seien. So sänken mit steigendem Alter oft Chancen und Hoffnungen. "Werden durch Totalsanktionen nicht auch Menschen in prekäre Jobs hineingezogen, bei denen einfach vieles zusammenkommt?"

    Arbeitsverweigernde im Allgäu? Die Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen liefert Zahlen

    "In der Praxis kommt es tatsächlich nur selten vor, dass sich Kundinnen und Kunden gänzlich unkooperativ verhalten und willentlich zumutbare Arbeitsstellen ablehnen", sagt Monika Ambronn von der Arbeitsagentur Kempten-Memmingen. Das hänge auch damit zusammen, dass die Vermittlungskräfte der Agentur für Arbeit für ihre Kunden "Zeit und Geduld" aufwenden, um ihnen die gesetzlichen Regelungen zu erklären.

    Doch wie viele Menschen im Allgäu verweigern überhaupt die Arbeit, während sie Leistungen beziehen? Die jüngsten Daten dazu sind von September 2023, erklärt Monika Ambronn. "In diesem Monat wurden von den sieben Allgäuer Jobcentern insgesamt maximal acht Sanktionen gegen Leistungsberechtigte aufgrund der Weigerung einer Aufnahme oder der Fortführung einer Arbeit, einer Ausbildung oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses verhängt – davon maximal zwei von ein und demselben Jobcenter."

    So vielen Arbeitslosen ist im Allgäu die Leistung gekürzt worden

    Insgesamt gab es im September in allen sieben Jobcentern (Kempten, Lindau, Memmingen, Kaufbeuren, Oberallgäu, Unterallgäu, Oberallgäu) zwischen 22 und 24 arbeitslose erwerbsfähige Leistungsbezieher mit mindestens einer Leistungsminderung. Also Menschen, die arbeiten können, im erwerbsfähigen Alter sind und finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten - aber aktuell arbeitslos sind und als Sanktion bereits eine Kürzung ihrer Leistung hinnehmen mussten.

    Erweitert man den Kreis auf alle erwerbsfähigen Leistungsbezieher, also auch die, die aktuell angestellt sind, erhöht sich die Zahl im September 2023 auf 48 beziehungsweise 49. Da die Agentur aus Datenschutzgründen nicht aufführen darf, wenn in einem Kreis nur eine oder zwei Personen unter eine Kategorie fallen, ergibt sich bei den Zahlen immer ein geringer Spielraum.

    Blickt man in die Auswertungen der Vormonate wird das Bild schnell deutlich, dass der September keine Ausnahme ist, sondern sich die Zahl derer, die von den Heil'schen Leistungskürzungen im Allgäu betroffen wären, 2023 im Mittel etwa auf dem Niveau von September bleibt. Für jeden Posten, an dem nicht klar ist, ob es sich um ein oder zwei Personen handelt, haben wir für die Berechnungen den Mittelwert, also 1,5 Personen, verwendet.

    Wie viel Geld würde man mit den Sanktionen einsparen?

    Um hier eine Antwort zu finden hilft der Blick in die Datentabellen der Agentur für Arbeit. Der durchschnittliche Wert der Leistungskürzungen für arbeitslose Leistungsbeziehende im Allgäu im September 2023 liegt bei 54,27 Euro - rechnet man mit 22 Sanktionierten. Das entspricht einer Ersparnis von 1194 Euro im Monat. Angenommen jeder der 22 Sanktionierten bezieht den Regelsatz des Bürgergeldes (Seit 1. Januar 2024 sind das 563 Euro für alleinstehende Erwachsene) und würde nach dem Gesetzesvorschlag von Hubertus Heil für einen ganzen Monat auf die Leistung verzichten müssen, ließen sich 11.192 Euro einsparen - über sieben Jobcenter verteilt.

    Wie die Deutsche Presseagentur schreibt, soll die geplante Regelung zum Leistungsentzug Einsparungen beim Bürgergeld von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bringen - 150 Millionen beim Bund und 20 Millionen bei den Kommunen. Kosten der Unterkunft und Heizung sollen nicht gestrichen werden können. (mit dpa)

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