Naturschützer wollen den autobahnähnlichen Ausbau der Bundesstraße 12 im Allgäu gerichtlich stoppen. Die Behörden wollen die Fernstraße zwischen Buchloe und Kempten in sechs Bauabschnitten verbreitern. Derzeit laufen nach Angaben des Staatlichen Bauamts in Kempten zunächst die Planungen für drei Abschnitte, was einer Länge von 27 Kilometern entspricht.
Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) stellte am Freitagvormittag in einer Online-Pressekonferenz die Klage gegen die "Allgäu-Autobahn" vor. Die 200 Seiten umfassende Klagebegründung wurde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München eingereicht. Neben erheblicher Verfahrensmängel kritisiert der BN, dass der Klimaschutz bei dem Projekt nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. (Lesen Sie dazu auch: B12 ohne Tempolimit ist „ein Irrsinn“ - Naturschützer Thomas Reichart im Interview)
B12-Ausbau-Klage richtet sich gegen ersten Abschnitt zwischen Buchloe und Untergermaringen
Die Klage richtet sich gegen den ersten Abschnitt zwischen Buchloe und Untergermaringen. Für dieses Teilstück hatte die Regierung von Schwaben Anfang Juni den ersten Planfeststellungsbeschluss erlassen. In ebendiesem sieht Dr. Franziska Heß, Rechtsanwältin der Kanzlei Baumann und vom BN mit der Klage beauftragt, erhebliche Rechtsmängel.
Auf der B12 sind laut Behörde je nach Abschnitt im Durchschnitt 10.000 bis 20.000 Fahrzeuge pro Werktag unterwegs. Nach den Prognosen wird sich diese Fahrzeugdichte bis zum Jahr 2030 deutlich erhöhen. "Die Prognose der künftig zu erwartenden Verkehrszahlen sind völlig überhöht", sagte Heß. Die Verkehrsprognose stützt sich auf den Verkehrswegeplan 2030, an dem die Kanzlei Zweifel hege. Thomas Frey, BN-Regionalreferent für Schwaben, gibt diesbezüglich ein Beispiel. In der Prognose sei noch berücksichtigt, dass der Fliegerhorst in Kaufbeuren voll ausgebaut wird. Diese Pläne sind jedoch verworfen. "Wir sehen einfach nicht den Engpass, der herbeigeredet wird", so Heß. Nach Ansicht des BN sind die heutigen Kapazitäten völlig ausreichend. Wo 22.000 bis 23.000 Fahrzeuge in 24 Stunden unterwegs sind, sei die B12 bereits dreispurig ausgebaut.
Kanzlei wirft Fehler und Mängel bei der Bewertung der Klimaverträglichkeit des B12-Ausbaus vor
Im Fokus der Klagebegründung standen auch Bedenken zur Umweltverträglichkeit des Projekts, mit denen sich Rechtsanwalt Dr. Eric Weiser-Saulin beschäftigt hat. Er betonte, dass "sehr oberflächlich untersucht und geprüft wurde", obwohl es dazu klare Vorgaben der Gerichte gebe. Bezüglich des "Schutzguts Klima" etwa habe keine Abwägung durch die Behörde stattgefunden. Ebenso verhalte es sich mit der Fläche als schützenswertes Gut. Durch das Gesamtprojekt würden nach Angaben des BN weit über 100 Hektar Fläche in Anspruch genommen. Darum bezeichnen Vertreter den B12-Ausbau als eines der klimaschädlichsten Straßenbauprojekte Bayerns.
Bezüglich des Artenschutzes diagnostizierte Weiser-Saulin fachliche und methodische Mängel. Die Aussagen stützen sich lediglich auf ein eigenes Gutachten, bei dem etwa die Kartierung der Lebensräume von Fledermäusen fehle. Weitere Amphibienfunde seien der Behörde zwar mitgeteilt, von dieser jedoch nicht weiter verfolgt worden. Beim Wasserschutz seien auch Beeinträchtigungen zu befürchten - etwa durch Straßenentwässerung in die Gennach. Insgesamt steche das Verfahren heraus, so Weiser-Saulin, "weil die Unterlagen so fehlerhaft waren."
Vierspuriger Ausbau der B19 hatte Stau und Over-Tourism zur Folge
Christina Mader, Geschäftsstellenleiterin des Oberallgäuer BN, verglich das Projekt mit dem vierspurigen Ausbau der B19. Seitdem habe das Oberallgäu mit überfüllten Parkplätzen durch Tagestouristen, Stau und Over-Tourism zu kämpfen. "Wir ertrinken im Verkehr", so Mader. Ihrer Ansicht nach bräuchte es eher einen konsequenten Ausbau der Bahn in der Region.
Das würde sich auch Richard Mergner, Landesvorsitzender des BN wünschen, der die Ausbaupläne als "Dinosaurier-Straßenbauprojekt" bezeichnete. Er verweist auf die aktuelle Diskussion um die Finanzierung des 49-Euro-Tickets und das "Dieselloch-Allgäu". "Da müssen Prioritäten anders gesetzt werden", so Mergner.
Abschluss der Klage erst in ein bis zwei Jahren
Auf die Frage nach dem weiteren Zeitplan antwortet Heß, das sei "Kaffeesatzleserei". Die Regierung hat nun die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben und das Vorhaben zu verteidigen. "Erfahrungsgemäß dauert das eine ganze Weile." Irgendwann werde es eine mündliche Verhandlung geben. Mit dem Abschluss sei in ein bis zwei Jahren zu rechnen.
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