Bei jedem Zurückschneiden von Bäumen oder Sträuchern müsse sich die Stadt mittlerweile rechtfertigen, hieß es vergangenes Jahr im Füssener Stadtrat. In Kaufbeuren mündete im Spätsommer ein Streit über eine groß angelegte Abholzaktion in einer Anzeige des Bundes Naturschutz (BN). Emotional vorgetragene Vorwürfe standen im Raum. In den stark frequentierten Kaufbeurer Wertach-Auen hatte der Grundeigentümer aus Sicherheitsgründen großflächige Forstarbeiten mitten in der Vogelbrutzeit veranlasst. Die Stadt ließ die Arbeiten vorläufig stoppen.
Danach folgten weitere Baumschnitte unter Aufsicht der städtischen Umweltabteilung. In Augsburg landete ein Streit dieses Jahr sogar vor dem Verwaltungsgericht: Eigentümer wollten die Fällung einer Robinie, die Stadt nicht. Hitzig diskutiert wird also in vielen Kommunen, wenn es um das Verschwinden von Bäumen geht.
Bund Naturschutz setzt sich gegen Baumfällungen ein
Der Bund Naturschutz kämpft gegen viele Fällungen. Gerade in der kalten Jahreszeit werde häufig zur Säge gegriffen, kritisiert der BN. Die Erfahrung habe gezeigt, dass „im Laufe des Winters in unseren Dörfern und Städten zu viele Bäume gefällt werden, obwohl wir sie brauchen und sie zahlreiche wichtige Funktionen erfüllen“, sagt Martin Muth, stellvertretender Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Memmingen-Unterallgäu. Die Pflanzen spendeten Schatten und schützten vor Hitze. Sie reinigten die Luft, seien Lebensraum für Tiere und prägten die Ortsbilder, argumentiert Muth: „Bäume verbessern die Lebensqualität.“
Stephan Kleiner stimmt Muth zu, dass Bäume vor allem im Winter gefällt und zurückgeschnitten werden. Kleiner ist Bereichsleiter beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kaufbeuren. Zumindest sei das in dem Wald der Fall, um den sich die Behörde kümmert. Das Winterhalbjahr sei ideal, um Bäume zu fällen, da diese dann nicht im Saft und die Laubbäume nicht belaubt seien. „Das ist schonender bei der Holzernte und auch förderlich für die Holzqualität.“ Außerdem sei im Winter keine Vegetations- und Brutzeit.
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In den Bäumen sitzen also keine Vögel, die ihr Nest bauen. Bäume würden also auch aus Gründen des Artenschutzes häufiger im Winter gefällt. Und wenn es gefroren ist, entstehen „so gut wie keine Schäden am Waldboden“, argumentiert Kleiner. Auch wenn Bäume im Wald gefällt werden, gebe es oft Kritik von Waldbesuchern und Naturschutzverbänden, sagt Kleiner. Die Behörde mache ihre Fällungen deshalb transparent: Sie informiere in den Medien darüber und begründe die Arbeiten.
Streit in Kommunen wegen gefällter Bäume - eine Lösung ist eine Baumschutzverordnung
In Kommunen ist es teilweise schwierig, einen Konsens zwischen Streitparteien zu finden. Die Stadt Memmingen setzt seit dem Jahr 2017 deshalb auf eine Baumschutzverordnung. Dahinter stecke das Ziel, bei Problemen besser miteinander reden zu können und so zu einer Lösung zu kommen, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. „Geschützt sind Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimetern, sowie mehrstämmige Bäume, wenn einer der Stämme einen Umfang von mehr als 50 Zentimeter hat“, heißt es beispielsweise in der fünfseitigen Verordnung. Diese Vorgaben resultieren aus Erfahrungen von anderen Kommunen und „jahrelanger Praxis der Baumpflege“.
Der BN Memmingen-Unterallgäu beklagt, dass geltende Gesetze oft nicht eingehalten würden. Grundsätzlich regelt das Bundesnaturschutzgesetz etwa, in welchem Zeitraum Baumbesitzer überhaupt fällen dürfen. In der Zeit vom 1. März bis 30. September ist es unter anderem verboten, Bäume abzusägen, die außerhalb des Waldes oder auf gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen.
Allerdings gibt es Ausnahmen. Gefällt werden darf auch im heimischen Garten oft erst mit Gutachten: Will ein Besitzer einen Baum entfernen, der Höhlen oder Nester für geschützte Tierarten hat, muss zuerst eine naturschutzrechtliche Prüfung her. Nur leider sei das oft nicht bekannt, heißt es beim Bund Naturschutz Memmingen-Unterallgäu.
Bäume fällen: Genehmigung privat und kommunal
Geprüft wurde kürzlich in der Stadt Kempten: Eine vom Pilz befallene Buche musste gefällt werden. Dafür war sogar eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung der Regierung von Schwaben notwendig. Denn der Baum wuchs in der Nähe der Saatkrähenkolonie. Und diese Vögel stehen unter Naturschutz.
Laut der Sprecherin der Memminger Stadtverwaltung kann die Kommune übrigens keine Fällung in einem privaten Garten anordnen. Sind es Äste, die etwa die Verkehrssicherheit anderer beeinträchtigen, dann sind Privatpersonen selbst verantwortlich.