Fast erinnert es an düstere Wirtschaftszeiten in der DDR: Wer dort einen Trabi oder einen Wartburg kaufen wollte, musste bis zu 20 Jahre auf den Wagen warten. Ganz so schlimm ist es heuer nicht – aber mal eben einen Neuwagen kaufen, das klappt auch nicht.
Aktuell betragen die Wartezeiten im Allgäu bis zu einem Jahr. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt beispielsweise Martin Osterberger-Seitz, Chef der Seitz-Gruppe, die Audi, Porsche, Seat, Skoda und VW verkauft.
Wie lange muss ich auf einen Neuwagen warten, wenn ich ihn heute bestellen würde?
„Aktuell sprechen wir von einer Lieferzeit von sechs bis zwölf Monaten“, sagt Osterberger-Seitz, dessen Firma den Hauptsitz in Kempten hat und weitere Standorte im gesamten Allgäu betreibt. Das Unternehmen bringt in einem normalen Jahr etwa 7500 Neufahrzeuge auf die Straße. Bei neuen Aufträgen sei „unter Umständen mit einer längeren Lieferzeit zu rechnen“, heißt es auf der Homepage von BMW Reisacher mit Sitz in Memmingen. Schon bestätigte Aufträge seien in der Regel nicht von Engpässen betroffen. Das Nissan-Autohaus Rabus in Memmingen und Kempten geht von sechs Monaten Wartezeit aus.
Gibt es Unterschiede je nach Typ?
Es gebe wenig Unterschied pro Marke oder Typ, da die Lieferengpässe die komplette Automobilwirtschaft betreffen, sagt Osterberger-Seitz. Grundsätzlich hätten größere Fahrzeuge aber geringere Lieferzeiten. „Wir haben Modelle im Portfolio, die eine Lieferzeit von 15 Wochen haben, aber auch Modelle mit Lieferzeiten von bis zu 30 Wochen“, sagt Eric Leder, Geschäftsführer bei Auto Hartmann mit Marken wie Ford und Volvo und Niederlassungen in Memmingen, Sonthofen und Kempten.
Was sind die Hintergründe der längeren Lieferzeiten?
Vor allem die Unterbrechung von Lieferketten durch geschlossene Häfen oder Flughäfen habe zu der aktuellen Situation geführt, heißt es. Besonders der Halbleiter- und Chipmangel schwäche die Industrie.
Wie reagieren die Kunden?
„Unsere Kunden sind selbstverständlich nicht glücklich über die Situation. Wenn man sich für ein neues Produkt entschieden hat, möchte man es ja auch schnellstmöglich nutzen“, sagt Leder. „Wir empfehlen jedem Kunden schnellstmöglich seinen Verkaufsberater zu kontaktieren“, betont Osterberger-Seitz. Wer zum Beispiel ein Auto für das dritte oder vierte Quartal 2022 brauche, müsse sich jetzt schon damit beschäftigen.
Was macht ein Kunde, der dringend ein Auto braucht – zum Beispiel wegen eines Unfalls?
Aktuell könne noch geholfen werden, sagt Osterberger-Seitz; man könne noch auf Lager- oder Gebrauchtwagen zurückgreifen. Allerdings würden auch sie von Woche zu Woche weniger.
Steigen die Neuwagen-Preise?
„Die Nachfrage reguliert den Markt“, sagt Osterberger-Seitz. Deshalb sei sicherlich mit einer Preissteigerung in 2022 zu rechnen.
Wann normalisiert sich die Lage?
Er rechne nicht vor dem zweiten Halbjahr 2022 mit einem Rückgang der Lieferzeiten, sagt Osterberger-Seitz. Das sieht Eric Leder ähnlich: „Wir werden uns voraussichtlich bis zum dritten oder vierten Quartal 2022 mit dieser Situation auseinandersetzen müssen.“
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