Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Corona und die Jobs: Wohin zieht es Branchen-Abwanderer?

Arbeitsmarkt

Corona und die Jobs: Wohin zieht es Branchen-Abwanderer?

    • |
    • |
    Gerade in der Gastronomie sahen viele Mitarbeiter keine Zukunft für sich – und wanderten während der Corona-Pandemie in andere Branchen ab. Das betraf vor allem ungelernte Kräfte – aber nicht nur.
    Gerade in der Gastronomie sahen viele Mitarbeiter keine Zukunft für sich – und wanderten während der Corona-Pandemie in andere Branchen ab. Das betraf vor allem ungelernte Kräfte – aber nicht nur. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa (Symbolbild)

    Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im Allgäu gibt Experten derzeit Rätsel auf. Einige Branchen, wie Hotellerie, Gastronomie oder Pflege, klagen im Zuge der Pandemie seit Monaten über teils massiven Schwund an Arbeitskräften. 860 offene Stellen in der Gastronomie sind aktuell bei der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen gemeldet, 800 sind es im Gesundheits- und Sozialwesen. Auf der anderen Seite bleibt offen, in welche Berufe Arbeitnehmer mehrheitlich abwandern. „Wenn wir das wüssten, könnten wir reagieren“, sagt Armin Hollweck, Oberallgäuer Kreisvorsitzender im Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband.

    Statistiken gibt es weder bei den Branchenverbänden noch bei der Agentur für Arbeit, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergab. Laut Armin Iqbal, Sprecher der Arbeitsagentur Kempten-Memmingen, ist das Problem aber erkannt. Bei der Bundesagentur liefen Planungen, eine neue Statistik für diese Fälle aufzubauen. Die Corona-Krise habe auf dem Arbeitsmarkt schließlich einiges durcheinandergewirbelt.

    Betroffen sind vor allem ungelernte Mitarbeiter

    Die Gastronomie hat das besonders getroffen. Durch die mit den Lockdowns verbundene Unsicherheit seien vor allem ungelernte Kräfte, wie Aushilfen, in anderen Dienstleistungsbereiche abgewandert, beobachtet Robert Frank, stellvertretender Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kempten-Oberallgäu. Nicht so stark sei der Schwund bei den Fachkräften gewesen: „Durch das Kurzarbeitergeld konnten viele gehalten werden.“

    Doch Abwanderung habe es auch unter ihnen geben. „Eine top ausgebildete Rezeptionistin kann auch in einer Anwaltskanzlei schnell Fuß fassen“, nennt Frank als Beispiel. Andere seien ins Ausland gegangen, beispielsweise in die Schweiz. Oder sie besannen sich auf frühere Qualifikationen, wie Iqbal erzählt: „Ein Koch, der früher bei der Bundeswehr den Lkw-Schein machte, wechselt in die Logistik-Branche.“ Neue Möglichkeiten tun sich für viele auch im verarbeitenden Gewerbe auf. 1200 offene Stellen sind der Agentur für Arbeit derzeit allein in dieser Sparte gemeldet. Dort ist beispielsweise der 35-jährige Marian Lautaru aus Kempten gelandet. Der Chefkoch, zuletzt in einem Restaurant der gehobenen Klasse angestellt, arbeitet seit eineinhalb Jahren als Maschinenführer in einem Kunststoff verarbeitenden Unternehmen. „Ich liebe meinen Beruf als Koch. Aber aktuell bin ich froh, dass ich ein sicheres Einkommen habe. Außerdem brauche ich immer etwas zu tun. Im Lockdown nur Däumchen drehen, das war keine Alternative für mich“, sagt er.

    Auch viele frühere Kollegen seien verunsichert: „Keiner kann einem garantieren, dass es im Herbst nicht wieder zum Lockdown in der Gastronomie kommt“, sagte er mit Blick auf die von Experten teils befürchtete erneute Corona-Welle. Seiner Kreativität lässt er aktuell beim Kochen für Freunde sowie im künstlerischen Bereich freien Lauf. Für Herbst plant er eine eigene Ausstellung mit „Food Art“ – also Kunst aus Lebensmitteln, die später verzehrt werden können.

    Völlig neue Wege gehen

    Völlig neue Wege gehen: Dieser Wunsch schwingt offenbar häufig mit, wenn Menschen ihren bisherigen Job aufgeben. So verzeichnet die „Servicestelle Frau & Beruf“ der Stadt Kempten sowie der Landkreise Ober- und Ostallgäu eine gestiegene Nachfrage, sagt die Oberallgäuer Gleichstellungsbeauftragte Ilona Authried.

    Manche Frauen, beispielsweise aus der Pflege, seien in der Corona-Krise ans Limit ihrer Kräfte gekommen, etwa als die Schulen geschlossen waren. „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fehlte.“ In Beratungsgesprächen und Seminaren suchen sie jetzt nach neuen Optionen.

    Nicht immer steht am Schluss ein Wechsel in ein neues Angestellten-Verhältnis. Genau wie bei Männern übrigens auch. In den vergangenen beiden Corona-Jahren verzeichnete die IHK im Allgäu so viele Unternehmensgründungen wie nie zuvor. 4632 waren es 2020 und erstmals sogar über 5000 im Jahr 2021.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden