38,2 Millionen Tonnen – so viel wiegt die Fracht, die der Kemptener Logistikriese Dachser 2020 weltweit mit Tausenden Fahrzeugen auf der Straße transportiert hat. Nur einen Bruchteil davon schultern die 13 Elektro-Lastwagen, die derzeit für das Unternehmen unterwegs sind. Der Anteil der „Stromer“ soll sich allerdings deutlich erhöhen: „Wir werden den Einsatz umweltfreundlicher Fahrzeuge signifikant ausweiten“, kündigt Vorstand Stefan Hohm an, der bei Dachser für die Bereiche Forschung, Entwicklung und Innovation verantwortlich ist. Konkret sollen bis Ende 2023 mindestens 50 zusätzliche batterieelektrische Fahrzeuge für Dachser unterwegs sein. Gleichzeitig will das Unternehmen seine Pkw-Flotte unter Strom setzen: Binnen zwei Jahren soll die Hälfte der 2000 Dienst- und Firmenwagen elektrisch fahren.
Elf emissionsfreie Standorte hat Dachser im Rahmen einer langfristigen Klimaschutzstrategie in seinem Europa-Verteilnetzwerk definiert (wir berichteten). Neben den Metropolregionen Stuttgart, Freiburg und Oslo zählen auch Berlin, München, Straßburg, Paris, Prag, Kopenhagen, Madrid und Porto dazu.
Nicht nur elektrische Lkw, sondern auch Lastenfahrräder im Einsatz
Um Luftschadstoffe und Lärmemissionen zu reduzieren, kommen dort insgesamt 13 Elektro-Lastwagen (7,5-Tonner) sowie 16 E-Lastenfahrräder (Pedelecs) zum Einsatz. Die E-Pedelecs sind für Stückgut und Palettenware bis 250 Kilo ausgelegt und sind vor allem in Fußgängerzonen unterwegs.
Binnen zwei Jahren will Dachser nun mindestens 50 zusätzliche Null-Emissions-Lkw (darunter auch schwere Motorwagen und Sattelzugmaschinen) anschaffen oder mit Transportpartnern einsetzen, sagt Andre Kranke. Damit rette man nicht die Welt – „wir sorgen aber durch den permanenten Praxiseinsatz für eine echte Technologieförderung“. Die lässt sich das Unternehmen mehrere Millionen Euro kosten. Schließlich ist ein Elektro-Lkw in der Anschaffung 2,5 bis dreimal so teuer wie ein Modell mit Verbrennungsmotor.
„Das sind dennoch Investitionen in die Zukunft, die sich langfristig auszahlen werden“, sagt Alexander Tonn, der Verantwortliche der Dachser-Straßenlogistik. Nur zu gerne würde das Unternehmen die Elektro-Quote noch stärker nach oben schrauben, stößt aber bei den Herstellern trotz deren Fortschritten in Entwicklung und Fertigung an Grenzen. „Diese Fahrzeuge gibt es nicht von der Stange, das ist fast mit der Herstellung in einer Manufaktur vergleichbar“, erläutert Vorstand Stefan Hohm.
E-Lkw hat Reichweite von 300 Kilometern
Dies umso mehr, wenn es um Fahrzeuge für große Tonnagen geht. Hier setzt Dachser in Stuttgart in einer Innovationspartnerschaft mit Daimler seit 2019 einen 19-Tonner mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern ein. Ein erstes Vorserienmodell wurde vor wenigen Tagen durch ein Fahrzeug der zweiten Generation ersetzt, weitere Serien-eActros sollen folgen.
Wobei eine spürbare Steigerung der Reichweite wohl erst 2024 zu erwarten sei, schätzt Hohm. Zwar könne man schon jetzt größere Batteriekapazitäten schaffen, dies gehe aber auf Kosten der Ladekapazität. 40 neue Lkw-Schnellladesäulen mit jeweils 180 Kilowatt Ladeleistung sollen Dachser-Elektrofahrzeuge künftig an acht Standorten mit grünem Strom versorgen – produziert nach Möglichkeit durch eigene Photovoltaikanlagen.
Und wie sieht es mit der Wasserstoff-Brennzellentechnik aus? „Auch hier wollen wir das Ohr am Markt haben und eine Entwicklerrolle einnehmen“, sagt Hohm. Daher werde das Unternehmen, das etwa 31.000 Mitarbeiter in 42 Ländern beschäftigt, seine Kooperation mit den Forschern der Hochschule Kempten fortsetzen. Im Blick hat Dachser Fahrzeuge, die eine Reichweite von 500 bis 1000 Kilometern haben. „An eine Serienfertigung ist bislang nicht zu denken, hier geht es erst einmal um Pilotprojekte“, ergänzt Andre Kranke. Wunsch sei, dass 2023 erste Fahrzeuge im Dachser-Netzwerk unterwegs seien.
Müller: „Feuer und Flamme“
Auch Walter Müller, Geschäftsführer der Spedition Max Müller in Opfenbach (Westallgäu) ist nach eigenem Bekunden „Feuer und Flamme“ für alternative Antriebe: „Ich bin absoluter Verfechter der Null-Emission bis 2030.“ 2016 hatte sich das Unternehmen mit seinen insgesamt 900 Mitarbeitern und knapp 100 Fahrzeugen einen 18-Tonner mit Elektroantrieb angeschafft. „Das war der erste Lkw seiner Art in Süddeutschland. Er kostete 340.000 statt 80.000 Euro, 100.000 Euro davon gab es als Förderung.“ Das Fahrzeug sei immer noch im Einsatz – wirtschaftlich sei der E-Truck wegen des hohen Strompreises aber nicht.
Für Müller ist klar: „Die Zukunft gehört der Wasserstoff-Technologie.“ Der Unternehmer geht davon aus, dass hier spätestens 2024 erste praxistaugliche Lastwagen auf dem Markt seien. Dann möchte er einsteigen – „mit mindestens fünf Fahrzeugen, sonst ist das nicht praktikabel.“ Wobei Müller die Folgekosten und nicht den Anschaffungspreis für entscheidend hält.
Aktuell plant der Unternehmer eine große PV-Anlage auf dem Hallendach. Die soll den grünen Strom für ein ehrgeiziges Pilotprojekt auf dem Firmengelände liefern: eine Wasserstoff-Tankstelle mit eigener Elektrolyse-Anlage.