Die Goldmünzen blinken in der Sonne. Nur jene, auf die ein Schatten fällt, zeigen eine detailreiche Oberfläche. Der Kasten mit den Kostbarkeiten steht offenbar in einer Auslage. Dahinter versuchen Lamellen den Einblick ins Innere des Bankhauses zu verwehren. Doch es gelingt ihnen nicht ganz: Ein steriler Geschäftsraum zeichnet sich ab mit Wartezone, Grünpflanze, Lüftung, Deckenleuchten, Schreibtischen und Spuren menschlichen Lebens: Eine Tasse steht auf einem Papierstapel, und hinter dem Schaukasten im Vordergrund spitzt noch der angeschnittene Kopf eines Mannes hervor.
Die Vielzahl solcher Details nimmt freilich nur der Betrachter war, der dieses Gemälde genau erkundet. Stephan Deckert hat es geschaffen, ein Maler, der das Augenmerk auf kleinste Akzente lenken möchte. An ihn erinnert eine Retrospektive im Ausstellungshaus der Hans-Friedrich-Stiftung in Waltenhofen-Hegge. Deren Gründer, der Maler Hans Friedrich, hat Deckert einst als Kunsterzieher an einemMünchner Gymnasium unterrichtet und dabei das Talent seines Schülers erkannt und gefördert.
Nach dem Abitur studierte Deckert, 1962 in München geboren, Kunstgeschichte in seiner Heimatstadt, dann Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und später an der Hochschule der Künste in Berlin. Dort wurde er Meisterschüler von Klaus Fußmann. Es entstehen jene Bilder, die heute als seine wichtigsten gelten.
1997 scheidet Stephan Deckert aus dem Leben. Hinterlassen hat er Gemälde, mit denen er zu seiner Zeit neue Wege beschritt. „Angewidert von der aktuellen Kunstszene führte er konsequent und leise eine Entwicklung fort, bei der es ihm um sublime malerische Qualitäten ging“, erklärt Hans Friedrich.
Von besonderer Bedeutung erscheint dabei das Licht. Dessen Einfall aus verschiedenen Richtungen hält Deckert zum Beispiel in Vorhängen fest, die Fenster verschleiern. Zur Gänze oder bis auf einen kleinen Spalt, der Einblick ins Innere gewährt. Der Store, in dem sich das Licht von vorne und hinten verfängt, wird dabei oft zum beherrschenden Motiv. Es dominiert beispielsweise Straßenszenen, inspiriert vom amerikanischen Maler Edward Hopper, in denen aber Menschen ausgespart bleiben. Kleine Details gewinnen immer mehr an Bedeutung. Das Unscheinbare wird zur titelgebenden Idee, etwa der bunt leuchtende Bildschirm eines Automaten, der aus dem Dunkel des Raumes in einem akribisch dargestellten offenen Eingang eines Spielsalons aufscheint.
Stephan Deckert möchte mit seinen Bildern dem Betrachter ein „Fragment der Wirklichkeit“ vermitteln. Sie schärfen den Blick für das Unspektakuläre, tauchen selbst eine nüchterne Umgebung in zarte Poesie und weiten so den Horizont des Betrachters. Darüber hinaus verdeutlichen sie die kühle Architektur einer Zeit, in welcher der Mensch zu vereinsamen droht.
Für seine Bilder hat Deckert akribische Vorstudien betrieben, wie Zeichnungen belegen. Genauestens hat er etwa jene vertrockneten Blätter erarbeitet, die dann später am dürren Geäst eines kahlen Strauches hängen werden. In Brauntönen gehalten, zeigt er beispielhaft, wie die Bilder des Malers sich zusehends zum Lebensende hin verdüstern.
Eine bewegende Auseinandersetzung mit Leiden und Sterben stellt der Zyklus von 27 Zeichnungen dar, die Deckerts kranke Großmutter wie in Tagebuchform festhalten. Die Konzentration auf das Wesentliche – Gesicht und Hände – erhebt die Darstellung ins Symbolhafte, macht sie zu Spiegelbildern eines unaufhaltsamen Abschieds.