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Dem Clown wird das Lachen vergehen

Bregenz

Dem Clown wird das Lachen vergehen

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    Bregenzer Festspiele 2019: Rigoletto
    Bregenzer Festspiele 2019: Rigoletto Foto: Matthias Becker

    Der See, die Berge, der Sonnenuntergang. Wenn dann ergreifende Arien erklingen, ist das Glück perfekt. 190 000 Gäste der Bregenzer Festspiele erhoffen sich in diesem Sommer ein solches Glück am Bodensee. Sie rechnen bei Giuseppe Verdis „Rigoletto“ auch mit spektakulären Szenen, freuen sich auf technische Raffinessen im imposanten Bühnenbild. Um diese Erwartungen zu erfüllen, proben die Künstler seit fast vier Wochen auf der Seebühne, flankiert von Tauchern, Stuntleuten und Technikern, die für das reibungslose Funktionieren der komplexen Bühnenskulptur sorgen. Denn der Clown, auf dem und um den „Rigoletto“ in Bregenz spielt, hat es in sich.

    Kopf und Hände dieses seltsamen Gesellen ragen aus dem Wasser. Er hebt die Lieder, rollt mit den Augäpfeln, reißt den Mund auf, öffnet die Hand und schließt sie zur Faust. Die Figur soll nicht nur Staunen machen. „Sie reflektiert das, was in der Geschichte geschieht“, sagt Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl und kündigt an, dass dieses bunte, lustige Stück im Verlauf des Abends immer düsterer wird – bis dem Clown das Lachen vergeht.

    „Rigoletto“ ist nach Meinung Stölzls der ideale Stoff zu einem brennenden Thema unserer Zeit: der MeToo-Debatte. Dabei ist er sich bewusst: „Die meisten Opern des 19. Jahrhunderts zeichnen ein Frauenbild – das ist der Horror. Da entstehen Frauenfiguren als männliche Projektionsfläche.“ Für Künstler stelle sich die drängende Frage: „Was machst Du mit all den Mimis, die sich Männer ersonnen haben?“

    Auch in „Rigoletto“ ist eine Frau, die junge Gilda, der Spielball von Männern: Ihr Vater Rigoletto hütet sie wie einen geheimen Schatz und verweigert ihr so die Freiheit; der Herzog lässt sie sich zuführen – wie viele andere, nach denen er Lust verspürt. Freilich sind viele Hits dieses Verdi-Werks als leichtläufige Melodien bekannt. „Da kannst Du nicht mit der Brechstange vorgehen, um die Brutalität des Missbrauchs zu verdeutlichen“, sagt Stölzl. Er setzt darum auf die Macht der Bilder, „um zu zeigen, dass die romantischen Töne nur Fassade sind.“

    Genauso hat Verdi seine Komposition gedacht, ist der Regisseur überzeugt. „Man darf sich nicht irritieren lassen von der schönen Musik. Verdi setzt auf Effekte, aber auch auf Zuspitzung.“ Das sei politisch gemeint. „Das Stück benennt den sexuellen Missbrauch des Adels an Mädchen aus dem Volk.“ Tatsächlich mussten Verdi und sein Librettist Francesco Maria Piave vor der Uraufführung 1853 im österreichisch regierten Venedig hart mit der Zensur ringen.

    Dirigent Enrique Mazzola verspricht eine „sehr neue Interpretation“ von „Rigoletto“. Er habe die Partitur für Stölzls See-Inszenierung „zeitgenössisch entschlackt“, erklärt der musikalische Leiter. Noch proben die Symphoniker in Wien, und in Bregenz begleitet ein Korrepetitor am Klavier die Solisten. Diese haben den Clown längst in Beschlag genommen. Stölzl schickt seine Gilda auf den Clownskopf und in die riesenhafte Hand, er lässt sie an einzelnen Fingern hängen und in einen Ballon steigen.

    Bei aller Dramatik der Geschichte weiß der Regisseur, dass Oper am See vor allem Spektakel braucht um zu wirken. Und dieses inszeniert er in Bregenz mit großer Lust, wie er betont. „Egal ob Regen oder Hitze: Die Natur lädt den kreativen Prozess beim Proben unheimlich auf.“ Der See, die Berge, der Sonnenuntergang. Wenn dann flanierende Urlauber neugierig stehen bleiben, ist Stölzls Glück perfekt. „Dann fühlt man sich dem Elfenbeinturm der Klassik endlich entronnen“.

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